Von der politischen Aktion zur aufständischen Aktion

Viele Gefährten – und, um ehrlich zu sein, auch wir – sind in Begeisterung geraten, indem sie sich von einem deplatzierten Triumphalismus mitreissen liessen, aufgrund von einer Überbewertung der Ereignisse, die im Verlaufe der Demonstration vom 10. Oktober 1986 in Trino Vercellese geschahen.

Wie bekannt ist, hat die antagonistische Bewegung, über den Haufen werfend, was von den Organisatoren dieser Demonstration (Pazifisten, Grüne, Umweltliga, Parteien und Gewerkschaften) geplant war, erst die Bohrer und Bagger auf der Baustelle des in Bau befindlichen Atomkraftwerks eingeschlagen und in Brand gesteckt, und sich dann nach Trino begeben. Vor dem Rathaus angelangt, warf sie eine stattliche Anzahl Farbeier gegen die amtierenden Parlamentarier und die zur Verteidigung des Gebäudes aufgestellten Polizeikräfte. Betreffend dieser Ereignisse wollen wir eine konstruktive Kritik anbringen, sicherlich nicht, um die Begeisterungen und den Willen einzufrieren, die von den Gefährten gezeigt wurden, und auch nicht, um uns von dem loszusagen, was getan wurde, alles andere als das. Unsere Absicht ist es, neue Handlungsweisen in der sozialen Konfrontation zu suchen, damit sich das gegenwärtige subversive Potenzial nicht erschöpft und, wie es in jüngster Vergangenheit oft geschehen ist, bitteren Enttäuschungen zum Opfer fällt. Es ist also nützlich, die verschiedenen Aktionsformen zu studieren, um jene zu verwerfen, die wir zur Erreichung unserer Ziele für ungeeignet halten.

Die politische Aktion

Die politische Aktion wird von den Spezialisten der Repräsentation bevorzugt, weil sie die institutionelle Aktion par excellence ist. Sie tendiert einerseits zur Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Herrschaftsverhältnisse und andererseits dazu, die dem Staatsapparat inneren Prozeduren zu legitimieren und zu bestätigen, indem sie die Ersetzung und die Auswechslung des Führungspersonals ermöglicht.

Daher erweist sich die politische Aktion im Verlaufe des Kampfes, egal unter welchen Umständen sie vorgeschlagen wird, immer als schädlich für die Zwecke eines proletarischen Selbstemanzipationsprozesses. Wird sie einmal verwirklicht, und sei es auch unter dem Vorwand einer tristen Notwendigkeit des Moments, endet sie darin, innerhalb der Kampfsituationen zu einem Hindernis zu werden, das die revolutionäre Perspektive blockiert.

Was dies betrifft, genügt es, zu betrachten, was oft in der selbstverwalterischen Bewegung für die Besetzung von Häusern und die Wiederaneignung von sozialen Räumen geschieht. Viele Gefährten begehen, kaum haben sie einen Raum besetzt, den Fehler, sich einzig darum zu kümmern, sofort zur Stadt zu rennen, um die berühmten “politischen Verhandlungen” mit dem amtierenden Stadtrat aufzunehmen. Sie diskutieren mit diesem aus einer Position von grösster Schwäche, während sie die Aspekte der sozialen Intervention in dem Gebiet, wie die Gegeninformation und das Vorantreiben der in der Umgebung des besetzten Ortes zu realisierenden sozialen Agitation, gänzlich unterlassen. Anstatt sich ausgehend von einer Praxis der direkten Befriedigung der Bedürfnisse zu bewegen, enden sie auf diese Weise darin, deren Lösung an die städtischen Institutionen zu delegieren. All die wunderschönen Vorsätze, die zu Beginn des Kampfes auf die Fahnen geschrieben wurden, werden unter dem Drängen einer politischen Logik, die sie dazu führt, sich von den Betreibern-Verwaltern der Metropole unterwerfen und rekuperieren zu lassen, immer mehr zurückgestellt. So wird der Kampf ausschliesslich auf die Erhaltung eines Mietvertrags ausgerichtet.

Jenseits des schwammigen Geredes, das darauf abzielt, diese Entscheidung zu rechtfertigen, zeigt sich im Wesentlichen die Tatsache, dass für diese Gefährten das, was jetzt wichtiger ist, nicht der Kampf und seine Entwicklung ist, sondern die Tatsache, die eigene Situation aus einem legalen Blickwinkel zu regularisieren. Was für diese Logik der Vermittlung und des politischen Kompromisses bezahlt wird, ist das Aufgeben an allen Fronten von jedem Konflikt- und Angriffsverhältnis gegenüber den Strukturen der Herrschaft, was dazu führt, selbst jene minimalen Inhalte zu verleugnen, die ursprünglich den Kampf selbst motiviert hatten. Uns bringen jene zum Lachen, die von politischem Sieg, von siegreicher Strategie und anderem ähnlichen Unsinn sprechen, nur weil es ihnen gelungen ist, aus den Verhandlungen mit den Institutionen etwas herauszuholen. Es muss noch immer abgewägt werden, zu welchen Bedingungen sie es herausgeholt haben, um zu verstehen, ob in einer Situation, die auf diese Weise legal geworden ist, noch etwas antagonistisches übrig geblieben ist. Sehr oft verbergen solche Siege, als zu bezahlenden Preis, eine neue Knechtschaft. Viele Gefährten, wenn sie einmal ins hirnzermürbende institutionelle Räderwerk geraten sind, kommen daraus nicht mehr heraus und verlieren sich darin.

Die politische Aktion ist ein Ersatzmittel, worauf man aus Bequemlichkeit zurückgreift, um es zu vermeiden, sich den objektiven Schwierigkeiten zu stellen, die der subversive Kampf aufweist, um zu jedem Preis von Vorschlägen auszugehen, die realistisch und leicht praktizierbar sind, ohne allzugrosse Anstrengungen für die Masse. So entstehen die Führungsgrüppchen in den Kämpfen. Delegationen von Gefährten zu bilden, um mit den Institutionen zu verhandeln, ist der erste Schritt in diese Richtung.

Hat sich die politische Logik in einem Kampf einmal durchgesetzt, lässt sie ihn zu einem toten Kampf werden. Während, auf dieser oder jener politischen Linie, die Fraktionen entstehen, verwandelt sich die grosse Masse von Gefährten und Proletariern aus aktivem Teil in passive Zuschauer eines tristen Spektakels von Positionen, das einzig darauf ausgerichtet ist, die Versammlung zu dominieren, die sich auf diese Weise in einen kleinen Parlamentssaal verwandelt. Es erübrigt sich, zu erwähnen, dass die Masse schliesslich immer abhängiger von den kleinen Chefs wird, welche die siegreiche politische Gruppe leiten, wenn es dieser einmal gelungen ist, die Situation in die Hand zu nehmen.

Die politische Aktion stützt sich auf die Delegation, die eine gewisse Anzahl Individuen einer Führungsstruktur überträgt, die sich sozusagen um deren Angelegenheiten kümmern müsste. Ob sie sich nun Partei, Gewerkschaft oder Delegation nennt, die Substanz ändert sich nicht. Wir sind schon immer gegen die Prozessionen gewesen, und umso mehr sind wir gegen jene ritualisierten Prozessionen, die hin und wieder vor dem Stadtratsgebäude, der der Regionalregierung, Provinzialverwaltung, dem Stellenvermittlungsbüro, dem Sitz der Confindustria [Arbeitgeberverband], etc. abgehalten werden; gefördert von den Parteien, den Gewerkschaften und anderen ähnlichen Strukturen. Draussen steht immer die Masse, die lärmend mit Protestschildern wedelt, während die Delegierten in die Gebäude hineingehen, um mit dem Führungspersonal zu verhandeln.

Statt friedlich davor zu stehen, müsste man, unserer Meinung nach, über mögliche Wege nachdenken, um diese Orte zu zerstören. Aber das ist ein anderer Diskurs, der sich radikal vom politischen unterscheidet. Denn, was könnten wir von der politischen Klasse schon verlangen, konkret zu tun, ausser sich umzubringen?

Dann ist da die bewaffnete politische Aktion, welche die – gänzlich politische – Auffassung ausdrückt, die die Autoritären von der sozialen Revolution haben. Diese letzteren haben gewiss nicht die Absicht, die staatlichen Strukturen niederzureissen. Sie machen stets geltend, sie vorübergehend bewahren zu wollen, und damit können sie sich darauf beschränken, sie neu zu überstreichen. Das Ergebnis von dieser Art, die revolutionäre Frage zu denken, kennen wir. Das jüngste bewaffnete Spektakel, inszeniert von den combattentistischen politischen Organisationen, hat, in seiner Auflösung, den Betrug enthüllt. Hinter dem Schein einer In-vitro-Befreiung beanspruchten sie mit ihrer Aktion nicht nur, sich an die Stelle der wirklichen proletarischen Selbstemanzipationsbewegung zu setzen, sondern geradewegs, ihre Entwicklung mit einer Hypothek zu belasten, indem sie ihr die Kette der kämpfenden Führungspartei an den Hals legten. Viele dieser Akteure-Protagonisten sind heute zu pathetischen Gespenstern geworden (siehe die Phänomene “Dissoziation” und “Amnestie”), die, um aus dem Gefängnis zu kommen, feige gewiss nicht zögern, die Haut von denjenigen zu verkaufen, die einst ihre Kampfbrüder waren, während diese letzteren, trotz allem und viel würdevoller als sie, jegliches Paktieren mit dem Staat verweigern. Heute mehr als Gestern, denken wir erst recht, dass kein aufrichtiger Revolutionär, dem die Entwicklung der antagonistischen Bewegung am Herzen liegt, der Politik Vertrauen schenken oder den Spezialisten der Repräsentation zum Opfer fallen kann, sei es im sozialdemokratischen Gewand der parlamentarischen Politik oder im sogenannten revolutionären der bewaffneten Politik.

Die symbolische direkte Aktion

Die symbolische direkte Aktion ist heute zum offenkundigsten Zeichen dieser Gesellschaft des Spektakels geworden, die auf der ständigen Simulation von Handlungen und Beziehungen basiert, die in Abwesenheit von Authentizität als Ersatzmittel auf das soziale Leben einwirken und unser Dasein entfremden.

Diese Form von theatralischer Aktion wird für Gewöhnlich von den grossen pazifistischen Massenbewegungen praktiziert. Diese werden von den Massenmedien unterstützt, die ihre Wichtigkeit im Prozess zur Produktion von Kontrolle und Zustimmung in der Perspektive der Bewahrung eines gewissen institutionellen Rahmens verstanden haben. Deswegen bauschen die grossen Informationsmittel, innerhalb des Spektakels, den Wert der symbolischen Aktion auf. Dies ermöglicht die Umsetzung von jenem Prozess von Vermassung und Abflachung des Bewusstseins, der anders nicht realisierbar wäre. Tatsächlich trägt die symbolische Aktion stets das Zeichen einer Fiktion, die sich an Stelle der verändernden Aktion der Subjekte gesetzt hat. Sie ist der beste Notbehelf, um die Frustrationen der Masse abzulassen und ihr Potenzial unschädlich zu machen. Im entfremdeten Verstand von Millionen von Fernsehzuschauern, die in der Passivität das Zeichen ihrer Verlorenheit bekunden, neigen das Wahre und das Falsche dazu, sich zu vermischen. Alles scheint wahrscheinlich. Die Fernsehbilder dringen tief ins kollektive Unbewussteein, und verursachen konditionierte Reflexe. Der eigene soziale Lebensraum, die eigene Bewegung hat sich, proportional zur Anzahl Stunden, die vor dem magischen Auge des Fernsehers verbracht werden, stark reduziert. Die eigene Welt scheint heute zwischen den vier Mauern des modernen und komfortablen telematischen Hauses eingefasst. Die Verwalter der instrumentellen Kommunikation ersetzen die warme und widersprüchliche direkte Kommunikation zwischen den Individuen durch die kalte Mediation des mechanischen Mittels, das die Individuen dazu veranlasst, sich in passive Endverbraucher der Ware Information zu verwandeln.

Dies ist die modernste und ausgefeilteste Form der demokratischen Sklaverei, da sie die Individuen dazu führt, per Vermittlung durch Dritte vor den gläsernen Fernsehbildschirmen zu leben. Das alles hat der Theatralität der symbolischen Gesten Raum gegeben, die sich heute permanent an die Stelle jener authentischen setzen, welche der Zuschauer gerne realisieren würde. So formen und prägen die Spezialisten der Repräsentation über diesen Gesten, ganz nach ihrem Gutdünken, die soziale Vorstellungswelt der entfremdeten Masse, die sich mit solchen Gesten zu identifizieren scheint.

In der Informationsgesellschaft besteht das Wichtigste darin, jede Aktion auf einen reinen symbolischen Akt zu reduzieren, da das Spektakel einerseits jenen Genugtuung verschaffen muss, die sie realisieren, und andererseits die Toleranz des demokratischen Staates lobpreisen muss, der sie erlaubt, ohne sie niederzuschlagen. In diesem Spiel preisen die Ideologien die Kunst der Fiktion, die den Akteuren-Protagonisten der symbolischen Aktion ermöglicht, die richtige Pantomime als Ersatzmittel hinzustellen, das sich an Stelle des Kampfes setzt. Auf den Plätzen reduziert sich der soziale Protest auf ein Spektakel, bei dem Pappmache-Puppen verbrannt werden, die Figuren der Unterdrückung darstellen, und “kreativ” farbige Luftballons fliegen gelassen werden, während das Ganze im rituellen Konzert mit dem gefragten Sänger des Moments beendet wird. Die Anhänger dieser Praxis sind meistens unterhaltsame Personen, Strassenclowns, die die Kunst, die Masse heiter einzubeziehen, gut beherrschen. An ihre Demonstrationen zu gehen, ist besser, als ins Theater zu gehen, es ist nicht nur ein unentgeltliches Spektakel, sondern man kann sich auch direkt als Akteur daran beteiligen und jene Rolle einnehmen, die man wünscht. Man geht keine allzu grossen Risiken ein, angesichts der Tatsache, dass selbst die Polizei, die ebenso Teil dieser kunterbunten Choreografie ist, praktisch nie unter Einsatz der harten Manier interveniert.

Diese Bewegung stellt die Avantgarde der vermassten Ausdrucks- und Kommunikationsformen des Kapitals dar. Für einige Stunden erheitern sie die graue Metropole mit ihrem Karnevalstreiben, doch dann hinterlassen sie in der beteiligten Masse ein starkes Gefühl von Trostlosigkeit. Diese letztere scheint sich, wenn sie zu ihren normalen Beschäftigungen zurückkehrt, dem Betrug sofort bewusst zu werden, da sie sich wieder dabei sieht, die Rechnungen mit konkreten Problemen zu machen, die von solchen Akten sicher nicht gelöst, sondern allerhöchstens für eine sehr kurze Zeitspanne vergessen wurden. Unterdessen bereiten sich die Organisatoren, auf Rechnung der Strukturen der Herrschaft, darauf vor, weitere zu veranstalten, damit die Kontrolle dort, wo sie noch schwach ist, also in den Momenten der Freizeit, immer funktionaler wird.

Wie wir gesehen haben, erweist sich die symbolische direkte Aktion der Herrschaft als dienlich. Sie ist daher in einer konkret revolutionären Perspektive völlig wirkungslos, da sie nicht die Realität verändert, sondern, im Gegenteil, in der Masse, die sie praktiziert, ein starkes Ohnmachtgefühl erzeugt.

Tatsächlich ist diese Aktion das Schlachtross der künstlichen Opposition, das dazu eingesetzt wird, die Aufmerksamkeit der Proletarier davon abzulenken, gewaltsame Handlungen gegen die Strukturen der Herrschaft zu unternehmen. Darüber hinaus dient diese Praxis dazu, viel ernsthafteren Formen der sozialen Opposition, wie jenen, die die antagonistische Bewegung auf dem Gebiet realisieren will, präventiv den Boden zu entziehen. Die symbolische Aktion ist also zum Auslassventil geworden, womit man in Ruhe jegliche soziale Spannung versiegen lassen kann. Ausserdem bildet sie eine der wichtigsten Stützen der Rekuperations- und sozialen Integrationsaktion, die von den Parteien auf Rechnung der Institutionen realisiert wird. Daraus muss man folgern, dass sie nicht nur eine zu verwerfende, sondern aufgrund der schädlichen und verderblichen Auswirkungen, die sie auf die Ausgebeuteten hat, auch eine zu bekämpfende Aktionsform ist.

Die subversive direkte Aktion

Die subversive direkte Aktion ist ein sprengkräftiger Akt, der den ruhigen Verlauf einer bestimmten Realität gewaltsam erschüttert, doch die Tatsache, dass sie ein Akt ist, der ausschliesslich auf der momentanen Zerstörung von etwas basiert, das uns unterdrückt, markiert ihre Grenze. Im Dunkel der Metropole sind solche Aktionen Lichtblitze, die ein Zeichen hinterlassen, eine Spur vom Vorbeigehen von Gruppen von Gefährten, die revoltiert haben, aber dann, mangels einer revolutionären Perspektive und eines Projekts, das ihnen eine Kontinuität gibt, enden sie darin, sich zu verlieren. Alles kehrt ins allgemeine Grau zurück und man muss so einige Zeit warten, bis man andere Spuren sieht.

Nichtsdestoweniger ist die subversive direkte Aktion immer eine positive Tatsache, da sie jene, die es sich bequem gemacht haben, aufrüttelt und aus der Apathie aufzucken lässt. Es muss dennoch angemerkt werden, dass sie im Meer des Realismus, das uns überflutet, stets recht geringfügig ist. Ein signifikantes Beispiel ist die Aktion, die von einer Gruppe von sehr jungen anarchistischen Gefährten realisiert und mit einem “Fanzine” unter dem Titel “Spazio Nero” dokumentiert wurde. Diese Gefährten haben sich zur Brandstiftung einer Baustelle bekannt, als Protest gegen die Stahlbetonkäfige der Metropole, die sich ausdehnt und weitere Ghettoviertel kreiert, während sie das Land ausplündert. Dieses “Fanzine” wurde in unserer Zeitschrift [Anarchismo] in der Nummer 53-54 vollständig abgedruckt.

Die subversive Aktion auf den Strassen, von den (bereits erwähnten) Ereignissen, die in Trino Vercellese geschahen, bis zu anderen, kürzlicheren im Bereich des Kampfes gegen die Atomkraft, veranlasst, unter einem anderen Aspekt, dazu, einige Schlussfolgerungen zu ziehen. Die erste ist, dass diese Aktionsform, auf Dauer, darin endet, sich in einer sterilen und rituellen Gegenüberstellung zwischen Antagonisten und Polizeikräften zu erschöpfen. Die zweite Überlegung ist, dass diese Aktion, auch wenn sie in Formen des Protests ausgedrückt wird, die gewaltsam und an den direkten Angriff gegen die Strukturen der Herrschaft gebunden sind, aus Mangel an einem Diskurs, der mit bestimmten Inhalten und Projektualitäten verbunden ist, sich endlos abspielen und erneut abspielen kann, in einer Konfrontation, die sich als getrennt von sozialen Gründen erweist, die mit der unmittelbaren Einbeziehung der Ausgebeuteten Zusammenhängen. Die dritte ist schliesslich, dass eine solch Aktion, da sie sich als leicht voraussehbar erweist, auf repressiver Ebene vom Kontrollapparat des Staates besser verwaltbar ist.

Das alles führt dazu, zu sehen, wie diese Aktion in einem faktischen Nichts verpufft, während man mit dem bitteren Geschmack der Enttäuschung im Mund zurück bleibt, weil man es nicht geschafft hat, ihr einen positiven Ausgang zu geben. Und dann, wie es in solchen Fällen meistens geschieht, wenn der anfängliche Enthusiasmus gesunken ist, entfernen sich die vielen Enttäuschten. Man amüsiert sich nicht mehr. Selbst wenn man diese Art von Aktion unter dem besten Licht betrachten will, sprich, wenn man glaubt, dass sie zu einem Massenaufruhr führen kann, endet sie, mangels revolutionärer Perspektiven, auch in diesem Fall darin, in ein faktisches Nichts zu verbrennen, wie es im Übrigen bereits geschehen ist. Siehe diesbezüglich die verschiedenen Revolten, die sich im Ghetto-Viertel von Brixton in London ereignet haben, und die alle auf diese Weise endeten.

Es ist also wichtig, die subversive direkte Aktion in eine bewusste aufständische Aktion zu verwandeln. Daraus machen wir eine grundlegende Frage, eine qualitative Notwendigkeit, die sich im Verlaufe des Kampfes als unaufschiebbares Verlangen und Bedürfnis nach Veränderung einschaltet, das unsere Bestrebungen nach völliger Befreiung bündelt, wenn sie einmal wirklich der radikalen Veränderung zugewandt sind und beabsichtigen, dieser verdorbenen Gesellschaft der Herrschaft ein Ende zu setzen.

Bewusste aufständische Aktion

Wir sind es uns nicht gewohnt, ausserhalb der Gemeinplätze zu denken und zu reflektieren. Es fällt uns schwer, uns vorzustellen, dass es Aktionsformen geben kann, die fähig sind, über die begrenzte Bedeutung hinauszugehen, die wir ihnen in den Umständen des Moments geben.

Dem Grossteil unserer Aktionen fehlt es an einer Perspektive. Die direkte Aktion in aufständischen Begriffen zu denken, ist mit einer beträchtlichen Anstrengung verbunden, da es bedeutet, sie mit einer Perspektive auszustatten. Tatsächlich muss man, um die aufständische Aktion zu verstehen, den Zusammenhang begreifen, der sie mit einem Projekt von radikaler sozialer Transformation verbindet. Sie ist direkter Ausdruck einer revolutionären Theorie und Praxis: die sich im Anarchismus zusammenfassen.

Die aufständische Aktion ist, an sich, eine Aktion, die materiell nicht delegiert werden kann, da sie ein Akt ist, der unter allen Umständen die aktive und direkte Mitwirkung des Individuums voraussetzt, das sie, ob alleine oder gemeinsam mit anderen, in Praxis umsetzt. Sie widerspiegelt, besser als jede andere praktische Aktionsform, die Beweggründe und den Sinn der revolutionären anarchistischen Aktion. Die aufständische Aktion nimmt sich in ihrer Realisierung, im Innern der Klassenkonfrontation, die direkte Einbeziehung von immer breiteren proletarischen Schichten vor, indem sie diese dazu veranlasst, sich gewaltsam gegen alle bestehenden sozialen Bedingungen aufzulehnen, das Ganze durch eine Selektionspraxis für Ziele, die es im Verlaufe des Kampfes zu abzuwägen gilt. Ihre Wichtigkeit wird nie von der Begrenztheit des gewählten Ziels gegeben, sondern von dem, was dieses letztere, wenn es einmal in Gang gesetzt ist, imstande ist, innerhalb des Kampfes selbst zu erzeugen. Denn dieser Mechanismus kann im Verlaufe des Kampfes dazu führen, eben diese begrenzten Ziele, die sich seine Initiatoren vorgenommen haben, zu übersteigen und zu überwinden. So kann der Kampf radikaler werden und eine völlig unvorhergesehene, autonome Entwicklung nehmen.

Dies ist die Perspektive, worin sich die aufständische Aktion in die intermediären Kämpfe einfügt, um darin allmählich jene sozialen Bedingungen aufzubauen, die unerlässlich sind, um die generalisierte bewaffnete soziale Insurrektion auf allen Gebieten des sozialen Lebens hervorbrechen zu lassen. Dies ist der Schritt, den es notwendig ist, zu machen, da es kaum wahrscheinlich ist, dass sich mir nichts, dir nichts eine generalisierte Insurrektion verwirklicht, falls es aber der Fall sein sollte, dass sie sich aus irgendeinem Grund ereignet, würde sich die ganze bisher getane Arbeit als äusserst hilfreich erweisen, da uns das angesammelte Gepäck an Erfahrungen erlaubt, nicht unvorbereitet dazustehen, sondern, im Gegenteil, bereit, sie zu ergreifen wie in unseren lebendigsten Wünschen.

Im Mittelpunkt der aufständischen Aktion steht immer eine gegen die Strukturen der Herrschaft gerichtete, offensive Taktik und Strategie. Aufgrund dieser spezifischen und sprengkräftigen Charakteristiken ist das aufständische Handeln dem Angriff gewidmet, da es stets Inhalte des Bruchs mit der bestehenden Ordnung aufwirft. Die aufständische Aktion als eine defensive Aktion zu verstehen, ist eine präventive Art und Weise, sie zum Scheitern zu verurteilen. Wir denken nicht nur über uns selbst nach, sondern richten den Blick, für das Gelingen unserer Ziele, auf das, was mögliche Wege sein könnten, um jenes unerlässliche Verhältnis von direkter Einbeziehung der Masse der Ausgebeuteten zu realisieren, die wie wir die Last der Unterdrückung und der Ausbeutung erleben und auf sich spüren. Aus diesen und aus vielen anderen Gründen stellen wir auch die gewaltsame und bewaffnete Aktion in diese Perspektive, denn unserer Meinung nach kann sie nie von der sozialen Frage getrennt werden, die sie ausgelöst hat. Denken wir darüber anders, entgeht uns der grundlegende Sinn, der sie belebte. Tatsächlich liegt die Reproduzierbarkeit der bewaffneten Aktion immer in ihrer Fähigkeit, für möglichst viele Proletarier aneigenbar und generalisierbar zu sein.

Daher müssen wir, jenseits der Fluchten nach vorne des bewaffneten Spezialismus, der Rollen generiert, jenseits der ästhetischen Schönheit und des Effizientismus, der von der spektakulären Aktion ausgedrückt wird, stets darauf achten, ob sich die Aktion für die meisten als praktizierbar erweist. Falls sie dies nicht ist, hat sie keine Wichtigkeit für die Zwecke des Kampfes, den wir fördern, wobei, wohlgemerkt, klargestellt sei, dass uns jede bewaffnete Aktion, die gegen die Strukturen und Menschen der Macht realisiert wird, immer und sowieso Freude bereitet.

Es ist eine insurrektionalistische Auffassung, die Geltung einer revolutionären Aktion nicht anhand des schlichten Grades an Gewalt oder Illegalität, der von der Gruppe von Gefährten, die sie realisiert hat, ausgedrückt wird, sondern anhand ihrer Verwirklichung einer effektiven Erhöhung der laufenden Klassenkonfrontation zu bewerten. Dieser Anhaltspunkt wird aus den Analysen gewonnen, die von den laufenden, von den Ausgebeuteten unterstützten, sozialen Kämpfen gemacht werden, und sicherlich nicht daraus, schlicht das Pulver in Brand stecken zu wollen, weil man es satt hat, nichts zu tun. Die bewaffnete Aktion von Gruppen zur offensiven Verteidigung, entstanden aus der immer bestehenden Notwendigkeit, Menschen und Strukturen der staatlichen Repression anzugreifen, um ihre Offensive zurückzuschlagen, fügt sich in ein insurrektionalistisches Operieren ein. Aus all dem können wir den Sinn der aufständischen Aktion und die Gründe erfassen, weshalb sie gleichzeitig in mehrere Richtungen realisiert werden muss. Die Aktion (ob individuell oder in einer Gruppe), die wir als insurrektionalistisch definieren können, auch wenn sie andere Wege einschlägt als wir, realisiert sich, wenn sie gegen Ziele gerichtet ist, die nicht nur von den einzelnen agierenden Individuen und Gruppen, sondern von der ganzen oder zumindest von einem Teil der proletarischen Selbstemanzipationsbewegung ausgedrückt werden. Wir haben überhaupt kein spezielles Monopol über diese spezifische Aktionsform. Alle können sie anwenden, ja dies ist unser lebendigster Wunsch, im Gegensatz zu dem, was viele voreingenommen denken, nur weil wir einige ihrer Kampfvorschläge kritisiert haben.

Wir denken, dass es notwendig ist, über die Bedeutung der aufständischen Aktion nachzudenken, indem wir von der Vorstellung des 19. Jahrhunderts ablassen, sie bloss in Begriffen der Barrikade zu denken. Sie ist etwas viel komplexeres als diese dumme Behauptung, die eine Frucht aus Gemeinplätzen ist. Die aufständische anarchistische Aktion basiert vor allem auf der Erkenntnis, die darauf abzielt, Prozesse von radikaler sozialer Veränderung auszulösen, im Bewusstsein über die Notwendigkeit der Zerstörung. Und dies, während man sich ausserdem darüber im Klaren ist, dass eine materielle Umwälzung dieser vom Staat und vom Kapital dominierten Gesellschaft ohne die direkte Einbeziehung der Ausgebeuteten nicht möglich ist.


Auszug aus Pierleone Porcu. Reise ins Auge des Sturms (1987).