Eine Spurensuche.
Nazis, gibt es solche Idioten heute überhaupt noch? Und kann man sie als eine gesellschaftlich relevante Kraft beschreiben? Schwerlich. Ganz gewiss stehen wir nicht kurz vor einer Machtübernahme durch faschistische Kräfte und auch wenn der mordend durch die Lande ziehende NSU und noch modernere rechte Kräfte, die sich der Strategie des Terrors verschrieben haben, selbst dem Letzten vor Augen geführt haben dürften, dass man nicht den Fehler begehen sollte, organisierte Nazis ausschließlich als glatzköpfige, fettwanstige Hohlbirnen zu unterschätzen, so sind diese Nazi-Terroristen doch allenfalls ein erbärmlicher Abklatsch der präfaschistischen Prügeltruppen der SA. Die Nazi-Kader von heute, sie besetzen ganz bestimmte Positionen innerhalb des demokratischen Systems, vom Verfassungsschutz bis zur Justiz und zuweilen fragt man sich, ob die faschistische Bewegung von heute nicht vielleicht so sehr mit dem demokratischen Staat verwachsen ist, dass sie sich selbst kaum noch vorstellen kann, diese Allianz irgendwann einmal aufzukündigen. Wozu auch? Immerhin lebt es sich als Angestellter des Staates doch eigentlich ganz gut und wem es noch nicht genügt, bei FRONTEX, Polizei und Bundeswehr nach den Regeln dieser Institutionen Untermenschen abzumurgsen, der kann sich ja immer noch unter dem Protektorat des Verfassungsschutzes verdingen und als mordender Rechtsterrorist in die Analen der Bundesrepublik Deutschland eingehen.
Nein, was ist der Faschismus in Deutschland nicht lächerlich im Vergleich zur Effizienz der Todesmaschinerie des technoindustriellen Systems unter demokratischer Herrschaft. Jeden Tag, was sage ich, jede Stunde, möglicherweise sogar jede Minute, verrecken an den Grenzen der Festung Europa jene, die nicht länger Untermenschen genannt werden, aber nichtsdestotrotz als solche behandelt. Und es mag vielleicht neben anderen Charakteren, einen gewissen faschistischen Typus anziehen, die Posten an der Front dieser Todesmaschinerie zu beziehen, doch es ist gewiss kein faschistisches Unterfangen, mit dem wir es hier zu tun haben. Und auch wenn es in den vergangenen Jahren rechtspopulistischen Parteien mit bisweilen faschistischen Flügeln immer wieder gelungen ist, in die Parlamente Europas einzuziehen und bestimmte Diskurse einer Übervölkerung oder Umvolkung europäischer Territorien zu lancieren, so ist es den demokratischen Parteien doch immer wieder gelungen, diese rechts zu überholen und mithilfe einer mörderischen Praxis, die seit jeher in ein humanistisches Vokabular der Vielfalt und Gleichheit eingekleidet ist, die Wähler*innenstimmen für sich selbst zu beanspruchen. Nein, wenn man einmal hinter die Kulissen der deutschen Politik – und das gleiche gilt auch für die meisten anderen europäischen Staaten – blickt, wird schnell klar, dass etwa ein Winfried Kretschmann oder ein Bodo Rammelow für mehr rassistische Morde verantwortlich zeichnen, als ein Uwe Mundlos oder ein Uwe Böhnhardt. Und wenn etwa ein Horst Seehofer zu seinem 69. Geburtstag die Deportation einer mit seinem Alter korrelierenden Anzahl von Menschen veranlasst, dann wird klar, dass es in einem postfaschistischen Land keinerlei Nazis bedarf, um die Institutionen des Faschismus am Leben zu erhalten.
Gewissermaßen sehen wir das auch heute, drei Jahre später, wo die durch Corona legitimierte, totale Grenzschließung das angestammte Terrain faschistischer Mobilisierung von einem Tag auf den nächsten hinweggefegt hat, ja es vielmehr allem Anschein nach in ein linkes, antifaschistisches Terrain verwandelt hat. Man braucht gar nicht allzu viel über die nationalsozialistische Vergangenheit des zentral in den Holocaust involvierten Robert Koch Instituts wissen, braucht nicht notwendigerweise zu verstehen, dass die Genetik die wissenschaftliche Disziplin ist, in die sich die Rassenhygieniker, Eugeniker und Rassentheoretiker geflüchtet haben, nachdem ihre ursprünglichen Disziplinen mit dem Bannfluch der Pseudowissenschaft belegt wurden, um zu erkennen, dass es eine faschistische Dynamik ist, die da von all den demokratischen Parteien, der Wissenschaft und anderen Akteur*innen vom Zaun gebrochen wurde. Eine faschistische Dynamik wohlgemerkt, die sogar den Nazis Angst zu machen scheint, während die deutsche Antifa in ihrer neuen Rolle als Blockwart der Gesellschaft geradezu aufzublühen scheint.
Und so kommt es, dass man die letzten verstreuten Nazis zuweilen unter jenen wiederfindet, die ihren Unmut über das, was man vorsichtig vielleicht den neuen Faschismus nennen könnte, auf die Straßen tragen. So wie den Faschist*innen immer schon das Treiben der ihrer eigenen Bewegung gar nicht so unähnlichen, kommunistischen Terrorherrschaft, spinnefeind war, scheinen sie nun auch im von der Technokratenklasse vom Zaun gebrochenen Faschismus – oder meinetwegen, um ein historisch weniger gefärbtes Wort zu verwenden, Totalitarismus – einen Feind zu erblicken. Verwunderlich ist das freilich bloß auf den ersten Blick, handelt es sich bei den Faschist*innen um nichts anderes als eine bestimmte politische Fraktion, die eben vor allem um die Macht ringt und der dabei jeder andere Machtblock, und sei er ihnen in Methoden, Zielen und Idealen auch noch so ähnlich, Todfeind ist.
Man muss dabei verstehen, warum, mit welchen Zielen und Absichten die Nazis sich den ursprünglich und in ihrem Grundsatz noch immer demokratisch geprägten (und nur um Missverständnisse zu vermeiden, aus anarchistischer Sicht ist das Wort demokratisch alles andere als eine Sympathiebekundung) Demonstrationen angenähert haben, will man ihre Rolle darin verstehen und die von ihnen ausgehende Bedrohung analysieren. Als nach einer kurzen Phase der Ohnmacht jene demokratischen Kräfte, die nicht auf Anhieb der Kriegspropaganda der Medien anheim fielen, beschlossen, ihre Uneinverstandenheit auf die Straße zu tragen, da konnte man mancherorts beobachten, wie sich die organisierten Nazis wie man selbst vielleicht auch, an den Rändern dieser Demonstrationen tummelten, in dem Versuch diese besser zu verstehen und womöglich auch, um Strategien zu entwickeln, diese für sich zu nutzen. Neben den demokratischen Organisator*innen der Demonstrationen, gab es vielerorts eine kurze Phase, in der die Richtung in die sich diese Bewegung entwickeln würde, gänzlich offen war, zu vielfältig waren die Menschen, die dort zusammengekommen waren, nicht weil sie eine bestimmte politische Identität verkörpert hätten, sondern weil sie eine gemeinsame Erfahrung einer ihnen zuvor unbekannten Form von Herrschaft dorthin trieb. Und mancherorts lässt sich gewiss bis heute von einer solchen Art von Bewegung sprechen, einer Bewegung, die sich über ein einziges Anliegen mobilisiert und die ansonsten uneinheitlicher kaum sein könnte. Nun, die organisierten Nazis jedenfalls, sie kamen anfangs oft in zivil, ohne jedes erkenntliche Abzeichen, zu erkennen nur von jenen, die sie bereits kannten, und ich selbst habe gesehen, wie diverse “Antifas” am Rande dieser Demonstrationen standen und irgendwelche lächerlichen Masken- und Abstandsbefehle in Richtung der Demonstranten brüllten, während unmittelbar neben ihnen organisierte Nazis von ihnen unerkannt das Treiben beobachteten. Spätestens als die Medien begannen, die Proteste als von Rechten ausgehend zu framen, ergriffen die Nazis die Gelegenheit beim Schopfe. Sie begaben sich in die Reihen der Demonstranten, wo sie als authentische Gleichgesinnte – denn letztlich demonstrieren selbst organisierte Faschisten bis heute für nichts anderes als die Wiederherstellung der demokratischen Ordnung, paradox, nicht? – das Vertrauen der Menschen gewannen, nicht zuletzt auch, weil die Teilnehmer*innen dieser Demonstrationen von den Medien selbst zu Nazis stilisiert wurden.
Heute lässt sich die Präsenz der Nazis in der Bewegung, die ich hier einmal, weil sie ohnehin als solche bekannt ist, trotz der unpassenden Benamung “Coronaleugner” nennen will, vermutlich als ein politischer Flügel dieser Bewegung analysieren. Während (gewissermaßen sogar linke) Demokraten eine Art Gegenflügel ausmachen. Und auch wenn die Bewegung der Coronaleugner auch von Ort zu Ort verschieden ist, teilweise sogar von Demonstration zu Demonstration, so tummeln sich in ihr ohne jeden Zweifel eben auch Nazis, die wohl darauf hoffen, neue Anhänger*innen um sich zu scharen. Nun, Faschisten gehören sabotiert, wo man ihnen nur begegnet, aber wo eine*n als Anarchist*in wohl sonst nichts zu diesen Demonstrationen treiben würde, lohnt es sich da, dort nur wegen der Faschist*innen aufzukreuzen? Dort, wo sich die Faschist*innen bis heute sichtlich schwer tun, gänzlich Fuß zu fassen und wo es ansonsten vor allem vor Demokrat*innen nur so wimmelt?
Der aktuelle Versuch der antifaschistischen Verteidiger des Bestehenden, die gesamte Bewegung von Coronaleugner*innen als faschistisch zu bezeichnen erscheint mir dagegen ebenso peinlich, wie kontraproduktiv zu sein: Wo klare demokratische Forderungen einer Rückkehr zum präpandemischen Status quo bestimmend sind, lässt sich einer Bewegung nun einmal vieles unterstellen, aber doch gewiss nicht, per se faschistisch zu sein. Wer dies dennoch tut, der macht sich nicht nur selbst lächerlich, sondern trägt auch dazu bei, dass Faschist*innen gerade wegen der daraus resultierenden, völligen Beliebigkeit dieses Begriffs als Bündnispartner*innen Fuß zu fassen vermögen. Zugleich beobachtet man innerhalb der Bewegung von Coronaleugner*innen viel eher, dass Faschist*innen für demokratische Forderungen demonstrieren. Das weißt wohl nicht darauf hin, dass diese sich den Demokraten annähern würden, sonst würden sie sich nicht gleichzeitig faschistisch organisieren, sondern wohl eher darauf, dass sich die Faschist*innen etwas davon versprechen mögen, Fuß in der Bewegung der Coronaleugner*innen zu fassen. Vielleicht spekulieren sie darauf, dass diese Bewegung zu einer Bedrohung für das herrschende System heranwächst und hoffen, durch ihre Beziehungen zu ihr das Ganze im richtigen Moment in eine faschistische Richtung lenken zu können? Ganz abwegig fände ich es nicht, auch wenn ich jenen Leuten, die sich entscheiden auf Demonstrationen für irgendwelche Grundrechte zu gehen, nicht gerade zutraue irgendwann reale – und nicht bloß inszenierte, zudem vor allem von den Medien, wie etwa die “Stürmung des Reichstags” – Aufstände zuwege zu bringen. Ich würde hier vielmehr auf jene Menschen setzen, die sich von derlei Schauläufen fern halten und trotzdem etwas einzuwenden haben, gegen all die Maßnahmen. Jene Leute, die sich einfach weiter treffen, auf der Straße, bei illegalen Parties, im Park und die sich nicht selten auch gegen sie auseinandertreibende Bullen zur Wehr zu setzen wissen, ihnen traue ich das schon viel eher zu. Oder jenen, die sich ein bisschen Benzin und ein Feuerzeug greifen und die kurzerhand ein Test- oder Impfzentrum, einen Funkmast oder andere Infrastruktur anzünden, wie das auch in Deutschland zunehmend häufiger vorkommt.
Die Bewegung der Coronaleugner, ich finde nicht, dass sie den Faschismus bedrohlicher macht, als er vorher gewesen wäre. Sicher lohnt es sich, im Auge zu behalten, was die in der Bewegung mitschwimmenden Faschist*innen so treiben, ebenso wie ich auch im Auge behalten würde, was der dominante, demokratische Flügel dieser Bewegung vielleicht so anstellen mag, denn bei ihm handelt es sich immerhin um genau jene Art von Politikern, die im Falle von Aufständen als erste bereit stehen, diese zu befrieden. Letztlich jedoch bin ich der Meinung, dass sich die Nazis mit dem Verlust ihres Haupt-Agitationsfeldes (Migration) vor allem in ihre Löcher verkrochen haben und unschlüssig sind, ob und wie sie die verlorenen Fäden ihrer Kämpfe wiederaufnehmen können. Das kann man natürlich auch als eine Gelegenheit begreifen, der faschistischen Bewegung den Todesstoß zu verpassen. Aber wenn, dann sicherlich eher indem man sie in ihren Löchern ausräuchert, so wie das in jüngerer Zeit vor allem in der Thüringer-Naziszene passiert ist, anstatt dass man ihnen den Gefallen tut, sie der Bewegung der Coronaleugner als taugliche Bündnispartner*innen anzudienen, indem man den Faschismusbegriff bis zur Unkenntlichkeit verwischt.