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[Los Álamos, Chile] „Die kapitalistische Entwicklung ist mit dem Leben der Mapuche nicht vereinbar“

Los Álamos (Chile), 28. April 2022: Dreiunddreißig Laster und Baufahrzeuge durch Angriff gegen die Forstindustrie von Flammen zerstört

Am Donnerstag, den 28. April 2022, hat eine Gruppe von 40 Personen der Gruppe Resistencia Mapuche Lavkenche (RML) am frühen Morgen mehrere Forstwirtschaftsunternehmen im Gebiet von Los Álamos, in der Region Bío Bío in Chile, angegriffen. Dreiunddreißig Kipplader,  Baggerlader, Frontlader und andere Kleinlaster wurden innerhalb von weniger als drei Stunden den Flammen übergeben, während die beiden Zugangsstraßen zu den Unternehmen (die Straße von Trongol und der Weg von Pilpilco) entweder von brennenden LKWs, die dort abgestellt worden waren, oder von gefällten Bäumen versperrt waren. Dieser koordinierte Angriff wurde von der chilenischen Presse als der wichtigste „seit dem Wiederaufflammen des gewaltsamen Kampfes durch radikale Mapuchegruppen 1997“ bezeichnet.

Unnötig zu sagen, dass die Wald vernichtenden Unternehmen (wie die Asociación de Contratistas Forestales) unmittelbar die Verlängerung des Ausnahmezustands gefordert haben, der im Oktober 2021 im ganzen Süden Chiles verhängt worden war, und der am 16. März diesen Jahres mit der neuen – linken – Regierung von Gabriel Boric sein Ende gefunden hatte. Man muss tatsächlich betonen, dass derselbe Ausnahmezustand (Estado de Excepción), mit Intervention durch Militärs um die Polizei zu unterstützen, letzten Februar im Norden Chiles verhängt worden war, und an der Grenze zu Bolivien und zu Peru nicht aufgehoben worden ist. Doch die Ankunft armer Migranten aus Venezuela im Norden ist nicht der fortgesetzte Kampf eines Teils der Mapuche im Süden um die Erden zurückzuholen und die Ausbeuter daraus zu verjagen, mit denen der chilenische Staat versucht den Dialog wiederherzustellen. Und die neue Innenministerin Izkia Siches wird das sicherlich nicht leugnen, sie, die am 15. März, in den ersten Tagen ihrer Amtszeit, auf die Schnapsidee gekommen ist, den Konflikt mit einer symbolischen Geste beschwichtigen zu wollen, indem sie sich in die Gemeinschaft von Temucuicui (in der Region von Araucanían) begab, um den Vater von Camilo Catrillanca zu treffen, einem jungen Bauern, der im November 2018 durch einen Schuss in den Kopf von der Gruppe für spezielle Operationen der Carabinieri, die damit beauftragt gewesen war die Ordnung wiederherzustellen, getötet worden war.

Temucuicui (Ercilla), 15. März 2022: angezündetes Auto auf einer Brücke, Schüsse und gefällte Bäume um die Ministerin zu empfangen

Eine Schnapsidee, weil ihr jede Möglichkeit des Dialogs und der Befriedung von einem Teil der Bewohner verweigert wurde, die damit begannen auf ihr Auto zu schießen und Bäume zu fällen um ihre Delegation zu blockieren, während ein brennendes Auto eine Brücke verbarrikadierte, neben das ein Transparent mit folgendem Text gehängt worden war: „Izkia Siches, solange es politische Mapuche-Gefangene gibt, wird es keinen Dialog geben. Für Kamilo Katrillanca und all jene, die im Kampf gefallen sind. Im Wallmapu akzeptieren wir kein Schmiergeld eines mörderischen Staates. Latifundisten und Forstwirte, verpisst euch. Schluss mit der Militarisierung. Resistencia Mapuche.“ Izkia Siches musste daraufhin Hals über Kopf kehrt machen und ihren Namen mit dieser öffentliche Demütigung des chilenischen Staates verbinden, was nicht wenig ist, da diese 36-jährige Chirurgin, die nun Innenministerin ist, immerhin das ganze Progressive der neuen Regierung verkörpern soll*, und damit beauftragt ist, die Mapuche-Frage durch einen Mix aus Repression und Integration endgültig zu lösen.

Am 29. April, dem Tag nach dem koordinierten Angriff auf Los Álamos**, ist Salvador Millaleo, der politische und strategische Koordinator für indigene Angelegenheiten im chilenischen Innenministerium, der Izkia Siches bei ihrer unfruchtbaren Reise nach Temucuicui begleitet hatte, von seinem Posten zurückgetreten. Mit ihm ist nun der ganze Plan zur Integration und Befriedung der Mapuche, der seit Monaten hinter verschlossenen Türen von der Linken ausgeheckt worden ist, auf dem Prüfstand: multiple Staatsbürgerschaft, wirtschaftliche Autonomie und die Wahl indigener Autoritäten, Operationen des Rückkaufs von Land mit Entschädigung der Latifundisten, und neue Regeln für die Forstwirte.

Los Álamos (Chile), 28. April 2022

Während Präsident Boric momentan erklärt hat, den Ausnahmezustand im Mapuche-Gebiet nicht wieder ausrufen zu wollen, hat er trotzdem eine sofortige Verstärkung der Sicherheitskräfte angekündigt, mit einer ersten Geldspritze von 6 Millionen Euro, und das ohne seine anderen kleinen Sorgen mitzuzählen, wie die nicht enden wollenden Schüler- und Studentendemonstrationen, im Laufe derer die Polizei am 25. März in Santiago bereits einen Jugendlichen mit einer Kugel verletzt hat. Zu dieser Gelegenheit hatte Boric logischerweise wie jeder andere Staatschef auch verkündet, dass „in dieser Regierung jeder Student, der in Dialog treten will, mit offenen Armen empfangen wird. Jene, die Busse anzünden wollen oder gewaltvolle Mittel einsetzen wollen, werden sich vor der Justiz verantworten müssen„… nachdem er direkt nach seiner Wahl ein klares Zeichen gesetzt hatte: den so verhassten Ricardo Yáñez als Nationalen Ordnungs- und Sicherheitsdirektor auf seinem Posten zu belassen, der von seinem Vorgänger ernannt worden war, derselbe, der als Generaldirektor der Carabinieri die Revolte vom Oktober 2019 im Blut erstickt hatte, in der es etwa dreißig Tote gab und tausende Verletzte (darunter 1400 durch Schüsse der Bullen und 285, die ein Auge verloren, ganz zu schweigen von den hunderten Vergewaltigungen in den Kasernen und Kommissariaten).

Santiago, 25. April 2022: ein Panzerfahrzeug der Carabinieri, das vor dem Gymnasium Instituto Nacional mit Molotows angegriffen wurde. Am 27. April haben Jugendlichen außerdem einen Bus abgefackelt, nachdem sie den Chaffeur und die Passagiere des Liceo Barros Borgoño zum Aussteigen gezwungen hatten.

Doch wenn es eine Sache gibt, die ein Teil der kämpfenden Mapuche-Gruppen (oft schmerzlich) im Laufe der Jahre des Kampfes zur Rückeroberung der Erden gelernt hat, dann dass Auge in Auge mit dem kältesten aller kalten Monster… nichts der direkten Aktion gleichkommt, wenn man sich danach sehnt in voller Autonomie außerhalb des staatlichen und kapitalistischen Jochs zu leben.

[Synthese der chilenischen Presse, 1. Mai 2022]


Anmerkungen

* „Ich bin eine Frau, jung, links, mit brauner Haut, aus Arica [eine Hafenstadt im Norden Chiles mit einem Wüstenklima], halb Aymara, mit Schlitzaugen, in Maipú aufgezogen und in einer vergammelten Schule unterrichtet, die kein Schwein kennt„, hat sie beispielsweise erklärt, indem sie gleichzeitig mit ihrer Identität und ihrer Klasse punkten wollte. Nur ist sie jetzt halt Innenministerin und das ist das Einzige, das zählt…

** In seinem Bekennerschreiben vom 29. April präzisiert Resistencia Mapuche Lavkenche (RML)/Lavkenmapu-Nahuelbuta insbesondere:
„Die Gründe für diesen Angriff antworten auf die Schäden, die das Unternehmen Tramsa, geführt von Juan Ramirez, dem Trongol-Fluss zugefügt hat, dessen Fluten seit Jahren von seinen kapitalistischen Maschinen bedrängt werden, die die Flora und Fauna dieser Zone von Nahuelbuta zerstören und so auf unumkehrbare Art und Weise das Leben der Mapuche und der chilenischen armen Bauern, die dort leben, bedrohen. Diesen Subunternehmer anzugreifen bedeutet, Forestal Arauco der Angelini-Gruppe anzugreifen, deren Unternehmen an dieser extraktivistischen Kette teilnimmt. Tramsa hat immer an den Interessen dieser Forstgesellschaft teilgenommen, in dem es für seine Operationen Straßen gebaut hat und so unseren mapu zerstört. Es hat die Zuflüsse der Flüsse ausgetrocknet, die Flussläufe verändert und so die itrovil mongen [„Biodiversität“] der Mapuche und das Leben der Personen, die vom Trongol-Fluss abhängen, getötet.
Wir haben der Winka [Eroberer]-Regierung von Boric klipp und klar gemacht, dass die kapitalistische Entwicklung nicht mit dem Leben der Mapuche vereinbar ist. Dass die Zeit der Forstunternehmen im Wallmapu abgelaufen ist, denn wir werden sie weiterhin hinauswerfen. Auf dass die Flüsse frei bleiben, wie es die Mapuche sind.“

Los Álamos (Chile), 28. April 2022

Die fünf Angriffe, die mehr als 30 Fahrzeuge in Los Álamos zerstört haben, im Detail und chronologisch

Auszüge des Berichts von Radio Bío Bío in Chile, 28. April 2022

Am Anfang war die Rede von mindestens vier zerstörten Lastwagen, eine Zahl, die schnell auf 12, dann 25 und schließlich 33 kletterte, wenn man die Forst- und die Holzgranulat-Lastwagen sowie die schwere Maschinerie und die Autos mitzählt. Das Ereignis wurde als ein schwerwiegender Gewaltakt gemeldet, und die Ermittler haben präzisiert, dass es sich um fünf Angriffe handele, die in derselben Zone ausgeführt wurden.

* Um 8 Uhr 20 wurden zwei abgefackelte Fahrzeuge gefunden, die die Zufahrt zur Straße des Sektors von Trongol versperrten: ein Granulat- und ein forstwirtschaftlicher Laster.

* Gegen 9 Uhr 30 und nach diesen Ereignissen sind die Carabinieri am Ort des Geschehen angekommen, um die verschiedenen Angriffspunkte zu identifizieren.

Der erste ist das Granulatunternehmen Serfocom gewesen, bei dem ein Laster, ein Schaufelbagger und ein Frontlader zerstört worden sind. Am selben Ort haben Unbekannte zwei weiße Kleinlaster gestohlen, einen Chevrolet und einen Maxus.

* Um 9 Uhr 38 haben die Offiziere in Uniform einen dritten Angriff identifiziert. Es handelt sich um das Granulatunternehmen Tramza. Auf dem Gelände wurden 24 Fahrzeuge abgefackelt: vier Kleinlaster, ein Auto, 15 Kipplader, drei Forstlaster und ein Frontlader. Außerdem wurde ein anderer Lader durch Kugeleinschüsse und eine versuchte Inbrandsetzung beschädigt.

* Um 10 Uhr 10 finden die Carabinieri ein viertes Granulatunternehmen, das angegriffen wurde. Dort wurden ein Schaufelbagger und ein Kipplader angezündet, plus Schäden an Fenstern und ein beginnender Brand in dem Fertighäuschen, das als Kantine und Toilette diente.

* Zehn Minuten später haben die Polizisten einen fünften Gewaltakt festgestellt, ein abgefackelter privater Kipplader, auf dem Weg von Trangol, beim Kilometer 1 der Straße 436. Die Carabinieri haben außerdem erklärt, dass ein Toyota-Laster am selben Ort gestohlen wurde.

* Schließlich, um 10 Uhr 30, wurde eine Straßenbarrikade mit gefällten Bäumen auf dem Weg von Pilpilco festgestellt. Dreißig Minuten später haben Unbekannte auf der Straße P-404 auf das Forstunternehmen Forestal Antilemu geschossen. Es gab weder Schäden noch Verletzte.

Insgesamt gab es fünf Angriffe, eine Straßenblockade und mindestens zwei Schüsse gegen die Forstunternehmen in weniger als drei Stunden.

Wer mehr wissen will

Hinsichtlich des Kampfes, der momentan im Mapuche-Gebiet geführt wird, ist kürzlich [auf Französisch, Anm. d. Übs.] die Broschüre Entre Océans, forêts et volcans erschienen, die in ihrer Einleitung betonte: „Es handelt sich um einen Konflikt, in dem es der anti-industriellen Kritik und der Ablehnung der kapitalistischen Entwicklung gelingt, eine andere Welt zum Leben zu erwecken, eine Welt der autonomen Gemeinschaften, die versuchen in und mit der Natur zu leben, und nicht auf ihrem Rücken. Sicher, diese Gemeinschaften sind weder frei von hierarchischen Strukturen, noch von Unterdrückung in ihrer Mitte, und auch ihre Kampforganisationen sind von Hierarchien durchzogen, von Trennungen, die auf Geschlecht beruhen, von Tendenzen zu Hegemonie oder von Misstrauen gegen andere libertärere Ausdrücke des radikalen Kampfes gegen den Staat und den Industrialismus. Doch sie haben auf jeden Fall keinen Kult der staatlichen Herrschaft, der Ausbeutung der Fauna und Flora, des wahnsinnigen Wettlaufs nach vorn in Richtung einer immer künstlicheren Welt und eines immer assistierteren Lebens.“


Übersetzt von Sans Nom.

[Chile] Verantwortung übernehmen. Auszug aus der Erklärung des anarchistischen Gefangenen Francisco Solar

Auszug aus der gerichtlichen Erklärung des anarchistischen Genossen Francisco Solar, in der er die Verantwortung für die Versendung von Sprengstoffpaketen an das 54. Polizeirevier und gegen den ehemaligen Innenminister Rodrigo Hinzpeter im Juli 2019 übernimmt, eine Aktion, für die sich „Cómplices sediciosos/Fracción por la Venganza“ verantwortlich machte, sowie für den Doppelanschlag auf das Tánica-Gebäude am 27. Februar 2020, mitten in der Revolte, eine Aktion, für die sich „Afinidades Armadas en Revuelta“ verantwortlich machen.

(…) Im November 2017 hatten wir die Idee, aus den großen Städten, vor allem aus Santiago, wegzuziehen, weil dort das Leben so hektisch ist, und ein Projekt zu gründen, das selbsttragend ist. Obwohl ich mich für diese Lebensweise entschieden hatte, habe ich nie aufgehört zu denken, dass der Kampf gegen ein übermächtiges System, das auf Autorität und Ausbeutung beruht, am besten durch gewaltsame revolutionäre Aktionen geführt werden kann. Nur so ist es möglich, Momente der Destabilisierung zu erreichen, die, auch wenn sie flüchtig sind, die Verwundbarkeit der Macht offenbaren.

Mitte 2018 beschloss ich, diese Art von Aktionen zu starten (…) Nachdem ich diese Entscheidung getroffen hatte, begann ich, über ein Ziel nachzudenken, denn mir war klar, dass die Aktion, die ich durchführen wollte, schlagkräftig sein musste, wenn ich ein großes Risiko eingehen wollte. Ich dachte an eine Aktion als Antwort, als Rache gegen Personen, die mit der Repression und der Macht der Unternehmen verbunden sind. Beides wurde von Rodrigo Hinzpeter voll erfüllt, der 2019 Manager der Quiñenco-Gruppe war, deren Präsident Andronico Luksc ist, und davor war Hinzpeter Innenminister in der ersten Piñera-Regierung und hinterließ eine Spur der Repression, die schwer zu vergessen sein wird. Er unterdrückte soziale und studentische Mobilisierungen mit aller Härte und versuchte, ein von Verboten aller Art geprägtes Gesetz, das so genannte Hinzpeter-Gesetz, durchzusetzen. Als Innenminister war er politisch verantwortlich für die Ermordung des jungen Manuel Gutiérrez, er unterdrückte die sozialen Mobilisierungen in Aysén und Freirina mit aller Härte, er militarisierte das Mapuche-Gebiet, was Hunderte von Verletzten, darunter viele Kinder, und unzählige Gefangene zur Folge hatte.

Im August 2010 waren wir zusammen mit dreizehn anderen Personen den repressiven Wahnvorstellungen von Hinzpeter ausgesetzt, der in seinem Bestreben, den Bombenanschlägen, die sich seit 2005 vor allem im Ostteil der Hauptstadt ereignet hatten, ein Ende zu setzen, uns inhaftierte, indem er Beweise erfand und Gefangene anstellte, die bereit waren, die These der Staatsanwaltschaft zu bestätigen, die von der Existenz einer illegalen terroristischen Vereinigung sprach.

Aus diesen Gründen beschloss ich, Hinzpeter anzugreifen, da ich fand, dass er ein völlig legitimes Ziel darstellte. Ich begann, Hinzpeter zu untersuchen (…) ich ging zum Itaú-Gebäude, um die Menschenströme zu beobachten, die Leute, die dort ein- und ausgingen; ich versuchte, in den 14. Stock zu gelangen, wo sich die Büros der Quiñenco-Gruppe befanden, was mir wegen der strengen Kontrollen am Eingang nicht möglich war (…) also hielt ich es für das Beste, ein an das Büro von Rodrigo Hinzpeter adressiertes Sprengstoffpaket zu schicken, um sicherzugehen, dass er derjenige war, der das Paket öffnete.

An dieser Stelle ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass wahllose Angriffe noch nie Teil der anarchistischen Praxis waren, unsere Ziele sind klar definiert und richten sich gegen die Verantwortlichen für Unterdrückung und Repression. Da ich vorhatte, eine größere Aktion durchzuführen (…), beschloss ich, Dynamit zu verwenden.

Im Jahr 2018 und Anfang 2019 war der Kontext von Polizeigewalt gegen Schülerinnen geprägt, die gegen das Gesetz zum sicheren Klassenzimmer (Ley Aula Segura) und andere Forderungen demonstrierten. Immer wieder waren Bilder von Carabineros zu sehen, die Schülerinnen verprügelten, die ihnen in die Quere kamen, und sie sogar aus ihren Klassenzimmern holten, um sie auf die Polizeiwache zu bringen. Es ist wichtig festzuhalten, dass dieser Kampf gegen das Gesetz über sichere Klassenzimmer der direkte Vorläufer des Aufrufs zum Ausweichen war, den die Schüler*innen angesichts der Erhöhung der U-Bahn-Preise machten, die der Auslöser für den Aufstand war, der am 18. Oktober begann.

Ohne die Beharrlichkeit der Schüler*innen wäre vielleicht nichts von dem passiert, was nach diesem Datum geschah, und so beschloss ich, auf diese Polizeibrutalität zu reagieren, indem ich die Carabineros auf ihrem eigenen Gelände angriff; meine Idee war, sie als Institution anzugreifen, für das, was sie repräsentieren, für ihre Geschichte von Blut, Folter und Tod. Ich beschloss, die 54. Polizeiwache in Huechuraba anzugreifen, um mich für den Mord an meiner Gefährtin Claudia López im September 1998 zu rächen.

Obwohl mir klar ist, dass die Beamten, die 2019 in diesem Polizeirevier arbeiteten, nicht dieselben waren, die die Gefährtin ermordeten, diente dieser Ort damals als Einsatzort und tut dies auch heute noch an jedem Tag des Protests. Damit wollte ich ein Zeichen der Resonanz setzen, dass niemand und nichts vergessen ist.

Meine Absicht war es, nur einen Polizisten zu verletzen, den ranghöchsten, und das war Major Manuel Guzmán. Wenn ich also nur einen Polizisten verletzen wollte, durfte der Sprengstoff nicht sehr stark sein, also habe ich Schwarzpulver in einem Stahlnippel verwendet.

(….)

Die Absicht dieser Aktion, auf die Aggressionen sowohl der Carabineros als auch eines ehemaligen Innenministers, der für seine repressive Art bekannt ist und heute einen Wirtschaftskonzern leitet, dem praktisch ganz Chile gehört, zu reagieren, wurde vollständig erfüllt.

(…)

Bezüglich der so genannten Tat 2 (Tánica) kann ich zur Kontextualisierung darauf hinweisen. Der Aufstand, der am 18. Oktober 2019 begann, war in den letzten Monaten des Jahres 2019 und Anfang 2020 immer noch lebendig, viele Proteste fanden Tag für Tag statt, trotz der starken Unterdrückung durch die Polizei. Der März zeichnete sich als ein Schlüsselmonat ab, in dem viele Dinge passieren konnten, einschließlich des Rücktritts von Piñera, und in diesem Zusammenhang beschloss ich, mit der Platzierung von zwei Sprengsätzen zu diesem Aufstand beizutragen.

Der östliche Teil der Hauptstadt war Ziel einiger Demonstrationen, die die Ablehnung der dort lebenden Menschen hervorriefen, da sie befürchteten, bedroht zu werden und sogar ihre Privilegien zu verlieren. Es war zu beobachten, wie Menschen, die in La Dehesa friedlich demonstrierten, beleidigt und sogar angegriffen wurden, und wie die Armee und die Polizei diese Viertel in einer eindeutigen Komplizenschaft zwischen der repressiven Gewalt und der wohlhabenden Klasse schützten. Deshalb beschloss ich, diese Gemeinden zu treffen, aber speziell ein Viertel in ihnen, das Viertel Santa María de Manquehue, wo die Zeitung El Mercurio, historisches Sprachrohr der konservativsten Sektoren dieses Landes, ihren Sitz hat. Ich betone nachdrücklich, dass es nicht meine Absicht war, Menschen zu verletzen, sondern dass es meine Absicht war, die Normalität dieses Viertels zu verändern. Ein Beweis dafür ist, dass ich zunächst daran dachte, die Sprengsätze in den Toiletten des Café Kant im Tanica-Gebäude zu platzieren, aber wegen der Gefahr, Menschen zu verletzen, habe ich das schließlich verworfen und beschlossen, einen Sprengsatz im Parkbereich der Tánica-Immobiliengesellschaft zu platzieren, und zwar unter einer Zementbank, die die Explosion dämpfen würde.

Bei diesem Anschlag wurde ein weiteres Ziel ins Auge gefasst, nämlich der Angriff auf die Carabineros GOPE durch die Explosion eines weiteren Sprengsatzes, der so angebracht werden sollte, dass er eine halbe Stunde nach dem ersten explodieren würde. (….), die zu einem Zeitpunkt explodieren sollten, zu dem das GOPE in der Nähe seine Arbeit verrichtete, mit dem einzigen Ziel, ihnen einen gehörigen Schrecken einzujagen.

(…)

Ich beschloss, die Carabineros anzugreifen, weil sie nicht nur historische Feinde von uns Anarchisten waren, sondern weil sie damals schon Hunderte von Augäpfeln[1] verstümmelt hatten (…) Ich beschloss, die Carabineros auch deshalb anzugreifen, weil sie gefoltert, geschlagen und Folterzentren eingerichtet hatten, wie das in der U-Bahn-Station Baquedano, was, obwohl die Justiz es geleugnet hat, wir alle wissen, dass dies der Fall war.

Von Beginn des Aufstandes an war ich bei den verschiedenen Demonstrationen dabei, die jeden Tag stattfanden, und ich konnte sehen, wie junge Menschen wenige Meter von mir entfernt durch die Kugeln und Tränengasbomben der Carabineros blutig geschlagen wurden. Aus diesem Grund hat der Aufstand die Carabineros als einen seiner Hauptfeinde identifiziert, weshalb ein Angriff auf sie unerlässlich und völlig gerechtfertigt war“.


[1] A.d.Ü., mittels Gummigeschosse und anderem.

Übernommen von der Soligruppe für Gefangene.