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Die Technopolizei von Google Maps und Co…

Ob es darum geht einen untergetauchten Mafiaboss zu finden, Schwarzbauten aufzuspüren oder die Bewegungen von Millionen Menschen während des Lockdowns zu analysieren… Google und Co. helfen immer gerne. 

07. Januar 2022 Nach 20 Jahren im Untergrund wird ein intalienischer Mafiaboss in Spanien verhaftet. Dem nach 13 Jahren Haft aus dem Knast entflohene Gioacchino Gammino, der sich in Madrid eine neue Existenz aufgebaut hatte, wurde Google Streetview zum Verhängnis. Die Bullen, die bereits vermuteten, dass er sich in Madrid aufhalte, erkannten ihn – trotz verpixeltem Gesicht – auf einem Bild von Google Streetview wieder.

August 2021 In einigen französischen Départements nutzt das Finanzamt Services der Hightech-Riesen Capgemini und Google, um Schwarzbauten aufzuspüren. Dazu wird ein künstlich intelligentes Programm genutzt, das Luftaufnahmen des französischen Vermessungsamtes nach Gartenhäusern, Veranden, Anbauten oder Swimmingpools absucht. Dieser Algorithmus, der mit der Technologie von Google entwickelt worden ist, erstellt eine Liste mit „Anomalien“, etwa Swimmingspools an Stellen, an denen keine sein sollten.

Ab 03. April 2020 veröffentlichte Google anonymisierte GPS-Daten von Google Maps-Nutzern auf Android-Geräten und IPhones, um „den Autoritäten dabei zu helfen zu verstehen, wie Social-Distancing-Maßnahmen wie das Home Office und den Lockdown dabei helfen können die Kurve der Corona-Epidemie flachzuhalten“, wie das amerikanische Unternehmen verkündete. Die Daten zeigen insbesondere, wie sehr das Aufsuchen gewisser Orte wie Geschäfte oder Touristenattraktionen in den letzten Wochen sich gewandelt hat. Dabei ist diese Funktion nicht neu: Google Maps benutzt sie bereits seit Jahren, um seinen Nutzern Staus anzuzeigen oder wie voll Geschäfte gerade sind. Diese Daten waren bisher aber nicht für eine ganze Region oder ein ganzes Land verfügbar gewesen.

Seit April 2020 hat übrigens auch das kanadische Gesundheitsamt die GPS-Daten von 33 Millionen Smartphone-Nutzern getrackt, um die Einhaltung der Anti-Corona-Maßnahmen zu überwachen, die Nutzung stark frequentierter Orte zu verfolgen und die Reaktionen der Bevölkerung während des Lockdowns besser nachvollziehen zu können. Im Dezember 2021, nachdem der alte Vertrag mit dem kanadischen Telekommunikations-Unternehmen Telus ausgelaufen ist, sucht die kanadische Regierung nun nach einem neuen Partner zur Überwachung der GPS-Daten bis Juni 2023, mit Option auf eine Verlängerung von drei Jahren. Die Regierung erklärt, dass „auch über die Pandemie hinaus die Mobilitätsdaten eine wichtige Rolle für das Verständnis der Auswirkungen der Bewegungen der Bevölkerung auf anderen Gefährdungen der öffentlichen Gesundheit spielen werden.“ Ottawa plane, „die erzielten Daten für eine zukünftige Nutzung zur Erhaltung der öffentlichen Gesundheit in einer gesicherten Umgebung zu speichern“. Außerdem plane die öffentliche Gesundheitsbehörde „auf Basis der Erfahrungen mit COVID-19 und den Lektionen, die aus den Erfahrungen anderer Länder gezogen werden konnten, eine langfristige mobile Datenspeicherung aus den Funkmasten, um die Initiativen voranzutreiben, die sich mit Fragen zur öffentlichen Gesundheit auseinandersetzen, etwa mit anderen Infektionskrankheiten, der Prävention chronischer Krankheiten und mit psychischer Gesundheit.“


Zusammengestellt aus verschiedenen Artikeln bei Sans Nom.

Kameras mit „smarten“ Ohren

Bisher können öffentliche Überwachungskameras nur sehen, aber nichts hören, weil das Aufzeichnen privater Gespräche (noch) verboten ist. Das passt den Sicherheitsfanatikern einer smarten Kontrollwelt natürlich nicht, und selbstverständlich gibt es bereits ein Start-Up, das eine Lösung parat hat. Das in der französischen Stadt Orléan ansässige Start-Ups Sensivic hat ein System mit „intelligenten“ Lauschern entwickelt. Die Idee: Die Kamera erkennt „unnormale“ Geräusche, wie einen Schrei, einen Schuss, das Splittern von Glas, sonstige Geräusche von Sachbeschädigungen oder Unfällen etc. Daraufhin sendet sie einen Alarm an den Hilfsbullen, der in der Überwachungszentrale hockt, und dreht sich automatisch in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Um das zu können, hört die Kamera permanent zu und erstellt eine „Geräuschlandschaft“ für ihren Standort. Daraus entwickelt sie ein Voraussagemodell, welche Geräusche zu welcher Uhrzeit als „normal“ gelten, und welche sich so sehr von diesem Modell unterscheiden, dass die Kamera sie als „unnormal“ einstuft. Das System soll auf ein bereits existierendes Netz an öffentlichen Überwachungskameras installiert und montiert werden können. Bereits 25 Orte insbesondere im Süden Frankreichs hat Sensivic mit seinen Spionen ausgestattet, auch in den öffentlichen Verkehrsmitteln mehrerer Städte, etwa Marseille und Rouen, gibt es lauschende Detektoren für „unsoziales Verhalten“.

In Deutschland ist die Überwachung des öffentlichen Raums bisher noch nicht so ausgebaut wie in Frankreich. Diverse „Smart-City“-Projekte in unterschiedlichen Städten zeigen allerdings auch in Deutschland die Entwicklung in Richtung einer smarten und transparenten Totalüberwachung.


Wer mehr zum Thema „Smartifizierung“ lesen will, dem sei die beim Maschinenstürmer Distro erhältliche Broschüre „Smart City. Von Paris bis München: Beiträge zur Zerstörung der urbanen Tech-Dystopie“ und das Buch „Die Smartifizierung der Macht“ von Edition Irreversibel ans Herz gelegt. 

Anarchie in der Spiegelwelt?

Warum das Internet als ein “Ort” für die anarchistische Debatte für den Zündlappen nur von mäßigem Interesse ist und worauf wir unseren Fokus richten, wenn wir an den dort stattfindenden Debatten dennoch teilnehmen

In unterschiedlichem Maße und von unterschiedlichen Standpunkten aus haben wir uns in den vergangenen Jahren an anarchistischen Diskussionen, die im Internet stattfanden, beteiligt, diese beobachtet und uns über unsere Erfahrungen mit dieser Art von Diskussion ausgetauscht. Dabei stellte sich für uns immer wieder die Sinnfrage, denn entgegen den oft viel fruchtbareren Diskussionen, die wir von Angesicht zu Angesicht führen, lässt sich von einem Austausch im Internet, wie er derzeit stattfindet, kaum erwarten, dass daraus Spannungen entstehen, aus denen Affinitäten, ebenso wie Feindschaften – wobei letztere vielleicht in einer sehr absonderlichen Social-Media-Gossip-Form schon – entstünden, dass eine*n diese Diskussionen irgendwie in der eigenen Analyse weiter brächten oder dass diese wenigstens Spaß machen würden. Und obwohl man dem Internet ja nachsagt, Menschen von überall auf der ganzen weiten Welt miteinander in Austausch zu bringen, so fällt doch – und wen überrascht das wirklich? – vielmehr auf, dass jene wenigen Beziehungen, die letztlich in einer durch das Internet vermittelten Annäherung ihren Anfang gefunden haben, ebensogut sich hätten in der realen Welt anbahnen können, weil man ihnen hier und dort – ohne es zu wissen – eh schon über den Weg gelaufen war.

Zugleich lässt sich jedoch auch beobachten, dass in den Tiefen des Internets, oft in jenen Tiefen, in die keine*r von uns je vorgedrungen ist, dann doch die eine oder andere auch für uns weniger fortschrittliche, der Technologie grundsätzlich feindlich gegenüberstehenden Spießer*innen spannende Diskussion abzulaufen scheint, die sich um die gleichen oder sehr ähnliche Themen dreht, die auch uns beschäftigen. Interessant dabei ist, dass diese Diskussionen oft in völliger Unkenntnis voneinander stattfinden. Teilweise entstehen im Internet Übersetzungen von Texten, die schon vor Jahren oder Jahrzehnten übersetzt wurden, die jedoch außer in den sehr realen anarchistischen Archiven kaum wo zu finden sind, teilweise entstehen sogar Übersetzungen von Texten, die in Print auch heute noch aktiv distributiert werden. Aber auch wenn die hier skizzierte Tendenz, dass nämlich das Internet und die darin stattfindenden Diskussionen vor allem diejenigen sind, die in Unkenntnis der Diskussionen eines Außerhalb stattfinden, mir durchaus dominant zu sein scheint, so gibt es umgekehrt schon auch eine Unkenntnis dessen, was da den lieben langen Tag so im Internet veröffentlicht und diskutiert wird und was bis auf die vereinzelten Ausdrucke derjenigen Weirdos, die zwar das Internet konsultieren, aber nicht am Bildschirm lesen, niemals die Druckpressen erreichen wird. Kurz gesagt: Es sind zwei Welten. Eine, in der sich von Angesicht zu Angesicht begegnet wird, in der Zeitungen, Broschüren und Bücher von Hand zu Hand gehen, in der Plakate geklebt und Graffiti gemalt werden, in der sich beleidigt wird, und in der man – und man sollte diesen Aspekt nicht unterschätzen – seinem Gegenüber in die Augen blicken muss, ebenso wie man sich statt der Worte oder ergänzend zu ihnen, eben auch anderer Mittel der Kommunikation bedienen kann. Und eine, in der Texte, Bilder und Videos vorrangig algorithmisch zu ihren Leser*innen und Betrachter*innen gelangen, in der immer potentiell alles zugleich verfügbar ist und daher schnell der Eindruck entsteht, eben auch alles zu kennen, eine in der vieles auf Memes und Slogans gebracht wird, in der es Taten nur in Form ihres videographischen Abbildes gibt, in der es zwar Beleidigungen gibt, aber man einander weder hinterher noch in die Augen sehen muss, noch die Möglichkeit hat, seinen Emotionen mit handfesteren Argumenten Ausdruck zu verleihen. Eine Welt, die einmal ein Spiegel der anderen gewesen sein mag, die nun jedoch ein Eigenleben entwickelt hat, sich von ihrem materiellen Ballast vielfach getrennt hat und in der dennoch rege auch über anarchistische Positionen diskutiert wird. Obwohl es viele Versuche gegeben hat, die Grenzen, die die eine Welt von der anderen trennen, zu verwischen und manche Projekte darin sicherlich auch gewisse Erfolge verzeichnen konnten, bleiben Diskussionen zunehmend in ihren jeweiligen Sphären. Sei es aus Bequemlichkeit – oder weil einen eben doch mehr trennt, als es manchmal vielleicht den Anschein hat. Ob es von einer Debatte im Internet ausgehend, nicht vielleicht auch Aufbruchmomente gegeben haben mag, gibt oder geben wird, die zu etwas Realem führen, das lässt sich aus unserer Sicht sicherlich nicht abschließend beurteilen, wir haben daran jedoch erhebliche Zweifel.

Zugleich bestätigte sich in der jüngeren Vergangenheit zweifellos das, was irgendwo immer schon gewiss war: Das Internet zu nutzen, um seine Ideen zu verbreiten eröffnet den diversen Formen der Repression viele neue Einfalls-Möglichkeiten. Weil unterschiedslos jede*r, nicht zuletzt auch unabhängig vom eigenen Standort, an das dort veröffentlichte gelangen kann, von der Anarchistin bis zur Bullin, vom linken bis zum rechten Feind, vom Journalist bis zur Hobby-Detektivin, von der Geheimagentin bis zum sozialen Gerechtigkeitskrieger, und all das ohne auch nur den Mut aufbringen zu müssen, den Fuß über die Schwelle eines jener Räume zu setzen, in denen man waschechten Anarchist*innen begegnet, lassen sich die im Internet veröffentlichten Texte eben auch sehr viel leichter auf alle erdenklichen Arten und Weisen analysieren, einordnen, bewerten und im Anschluss diffamieren, verfolgen, (scheinbar) distinkten Millieus und Personen zuordnen, usw., während zugleich auch die Hemmschwellen zu sinken scheinen, haltlose Anschuldigungen vorzubringen oder gar Denunziation in Form von (nur scheinbar informierten) Spekulationen oder auch den aus dem im Internet noch zunehmenden Gossip bestimmter Subkulturen gewonnenen Informationen zu betreiben, bzw. diese Hemmschwellen sowieso niemals bei allen erreichten Personen existiert haben. Aber auch wenn jene eindeutig negativen Aspekte einer Verlagerung der anarchistischen Diskussion ins Netz sicherlich eine Rolle dabei spielen, wenn wir das Interesse daran verloren haben, so sollen diese Überlegungen hier nicht weiter verfolgt werden. Wer sich für dieses Thema interessiert, wird vielleicht im ebenfalls hier veröffentlichten Artikel Snitch-Technologie fündig.

Wir jedenfalls haben erhebliche Zweifel daran, dass sich das kybernetische Netz für unsere Ziele, nämlich den Kampf gegen die Herrschaft zu intensivieren und dabei Beziehungen zu knüpfen, die uns darin bestärken, uns Kraft geben und einander auffangen lassen, in jenen Momenten, in denen uns die eigene Kraft verlässt, nutzen lässt. Ja selbst zu einer Entwicklung unserer Analysen haben die Diskussionen des Internets in all den Jahren nur wenig beigetragen. Es ist nicht unsere Welt, die da durch die Glasfaserleitungen flimmert und wir haben deshalb nur wenig Interesse, unsere Ideen selbst zu einem matten Flackern am Ende der Leitung verkommen zu lassen.

Und doch: Die Realität ist … digital? Kybernetisch? Nein, noch nicht. Noch begegnen wir realen Menschen und nicht bloß Robortern und Drohnen, wenn wir unsere Ideen als Zeitungen und Flyer auf den Straßen in den Städten verteilen, noch blickt die eine oder andere von ihrem Smartphone auf, wenn wir Plakate kleistern, hält für einen Moment inne, um zu lesen, was da steht, noch führen wir Diskussionen nicht ausschließlich im Kreis der wenigen verbliebenen Technologieverweigerer. Aber wenn man realistisch bleiben will, so ist es auch Teil der Realität, dass viele potentielle Gefährt*innen das was jenseits des kybernetischen Netzes stattfindet, gar nicht mehr mitbekommen, während wir selbst – nicht dass wir daran etwas ändern wollen würden – deren Diskussionen dort immer nur aus den Erzählungen derer erfahren, die das Internet auf der (verzweifelten) Suche nach anderen Anarchist*innen enthusiastisch durchforsten.

Wenn wir also heute, wie in Zukunft das Internet nicht mit letzter Konsequenz meiden werden, so nur deshalb, weil wir darauf hoffen, in diesem technologischen Minenfeld doch noch die eine oder andere Gefährt*in zu finden oder von ihr*ihm gefunden zu werden. Wobei für uns unmissverständlich klar ist: Anarchie bleibt etwas Reales, Anarchie lässt sich nicht digitalisieren und schon gar nicht virtualisieren.

Deshalb gibt es den Zündlappen mit Ausnahme dieser Ausgabe auch ausschließlich gedruckt. Weitergegeben von Hand zu Hand, von Gefährt*in zu Gefährt*in und manchmal vielleicht auch über den Umweg durch die Hand des Postboten. Allerdings werden wir einzelne Artikel, von denen wir denken, dass sie zu jenen Diskussionen passen, die wir in den Untiefen des kybernetischen Netzes aufspüren, auch auf einem Blog veröffentlichen. Denn wer weiß, manchmal entspringen doch einige der größten Spannungen hin zur Revolte aus dem Unerwarteten …

Warum ich zwei Funkmasten auf dem Mont Poupet abgefackelt habe

Ein Brief von Boris aus dem Gefängnis

Hallo, ich heiße Boris. Ich bin jetzt seit neun Monaten in der Strafvollzugsanstalt von Nancy-Maxéville für das Abfackeln von zwei Funkmasten im Jura im April 2020 eingesperrt.

Wenn ich mich erst jetzt dazu entscheide einige öffentliche Worte rund um meine Sache zu veröffentlichen, dann liegt das besonders daran, dass der Staat mich gerade verurteilt hat und mir erscheint es wichtig, meine Eindrücke und meine Wut gegen den Techno-Totalitarismus auf Papier zu bringen, die sich, seitdem ich eingesperrt bin, sicher nicht verflüchtigt hat. Ganz im Gegenteil.

Während die Staaten sich abstimmten um der Bevölkerung einen Maulkorb anzulegen, indem sie ihr unter dem Vorwand die Covid-19-Pandemie einzudämmen befahlen, brav zuhause zu bleiben, verbreiteten sich Sabotagewellen in Frankreich und Europa (Niederlande, Großbritannien, Italien,…) gegen die Infrastruktur der technologischen Herrschaft (Funkmasten, unterirdische Glasfasernetze, Kraftwerke…). Im Osten und Westen, im Süden und Norden Frankreichs wurden Masten gefällt, ihre Kabel durchgeschnitten und in den meisten Fällen dutzendweise in Schutt und Asche gelegt und so die Telekommunikation unterbrochen, die Geolokalisation der Handys und die Spionage jener, die sich im Visier der Repression befinden.

Während ich diese paar Zeilen schreibe, setzen sich diese Sabotagen gegen das Telekommunikationsnetz munter fort, auch wenn die Herrschaft großes Interesse daran hat, diese zu verheimlichen oder sie kleinzureden. Manchmal ist das Ausmaß der Zerstörung derart, dass es unmöglich ist sie zu verschweigen, wie die Brandstiftung an einem TDF-Mast in den Bouches-du-Rhône Anfang Dezember 2020 oder auch die Brandsabotagen in der Nähe von Limoges, zu denen sich auch bekannt wurde, um das Jahr 2021 mit guten Vorsätzen zu starten.

Das technologische Netz, das das gesamte Territorium bedeckt, breitet sich in rasender Geschwindigkeit aus und perfektioniert seine Funktion mit dem neuen 5G-Netz, und es erlaubt einen ganzen Haufen neuer sozialer Normen zu akzeptieren, die vom Staat mit der Empfehlung und dem Segen von Ärzten und Wissenschaftlern auferlegt wurden. Auf gleicher Ebene wie ein ganzer Haufen Produkte und Drogen, die die Bevölkerung brav und fügsam halten, spielen die Bildschirme eine primäre Rolle, damit der Lockdown von einer großen Mehrheit akzeptiert wird: Home-Office, Home-Party, Home-Schooling, Home-… Wie hätte die Herrschaft diesen landesweiten Hausarrest ohne diese ganze Technostruktur durchgesetzt?
Es ist die Stunde der Beschleunigung der Flüsse und der Daten, die Stunde der Konnektivität der Alltagsgegenstände um immer mehr zu kontrollieren, zuzuhören, zu tracken und zu spionieren, ohne Ende den Menschen mehr zum Sklaven der Maschine zu machen. All das ist das, was die Herrschaft „Fortschritt“, „Zivilisation“ nennt. In Wirklichkeit ist dieses Gesellschaftsprojekt durch und durch dystopisch. Angesichts dieses Gitters des Digitalen gibt es keine 36 000 Lösungen. Mir scheint es notwendig, das Stadium der Kritik hinter sich zu lassen und hier und jetzt zu handeln und die Ideen mit Handlungen zu verbinden, und dabei die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen um zu verhindern sich in den Maschen der Repression zu verheddern. Und leider weiß ich, wovon ich rede.
Diese ganze Sache geht von einem augenscheinlich neuen, blauen Plastikdeckel aus, von einer öligen Substanz bedeckt, am Fuß einer der beiden Masten des Mont Poupet, auf dem meine DNA gefunden wird. Da ich bereits registriert bin, finde ich mich im Visier der Richter und Bullen wieder, die große personelle und finanzielle Mittel aufbringen werden, um meinen Alltag (meine Gewohnheiten, meine Bekanntschaften) im Sommer 2020 auszuspähen (IMSI-Catcher, Kameras vor Wohnhäusern, GPS-Sender unter den Autos jener, die mir nahe stehen, TKÜ und Ortung, Zivis des GIGN [Groupe d’intervention de la Gendarmerie nationale, vergleichbar der GSG9] (aus Versailles) für Beschattung und Beobachtung…)

Was den Gewahrsam angeht, muss ich echt sagen, dass ich „verkackt“ habe, als ich geredet habe (auch wenn es nur mich betraf). Da habe ich vorher schon zahlreiche Ingewahrsamnahmen hinter mich gebracht ohne jemals geredet zu haben, doch an diesem Tag habe ich diesen fatalen Fehler begangen, der, einmal gemacht, unmöglich repariert oder gar rückgängig gemacht werden kann. Es bleibt das Risiko sich weiter reinzureiten, sich in Erklärungen zu verstricken, die für den Angeklagten nur nachteilig sein können.
Ich habe mir deswegen Vorwürfe gemacht und ich tue es auch heute noch, der Repression Informationen gegeben zu haben, indem ich im Verhör diesen Inquisitoren der Macht geantwortet habe, wahre Perverslinge, die perfekt wissen, wie man sich in die psychologischen Schwachstellen eines Individuums hineinbohrt und einen bricht. Das wird nie wieder vorkommen.

Am 22. September in Besançon sind Gendarmen [Militärpolizisten] der Regionalsektion von Besançon (und andere der Oracle-Ermittlungsgruppe) in Begleitung der Kriminalpolizei von Dijon um 6h30 bei mir sowie bei zwei weiteren Häusern eingelaufen. Auf Rechtshilfeersuchen der Ermittlungsrichterin Lydia Pflug (Kopf der JIRS [Juridictions interrégionales spécialisées, Richter für komplexe interregionale und nationale Fälle wie Organisierte Kriminalität, Wirtschaftskriminalität u. a.] von Nancy) wegen „Zerstörung von Funkmasten mithilfe von Brandstiftung in organisierter Bande, Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und Zerstörung mithilfe von Brandstiftung in organisierter Bande“ in Besançon im Zeitraum vom 9. Januar bis 9. April 2020.
Während die anderen beiden Verfolgten am Ende des Tages gehen konnten, wurde ich nach Verstreichen meiner 48 Stunden in Gewahrsam im Büro der Richterin der Justiz überantwortet und es wurde Anklage gegen mich erhoben wegen Brandstifung an zwei Funkmasten auf dem Mont Poupet am 10. April 2020 im Jura, und ich galt als „verdächtiger Zeuge“ [témoin assisté; eine dringend tatverdächtige Person, wo es jedoch bislang keine eindeutigen Beweise gibt] für eine andere Brandstiftung an der SFR-Hauptverteiler-Anlage des TDF-Mastes auf dem Mont de Brégille über Besançon. Was gleichgestellt ist mit dem Versuch der Brandstiftung.
Am Ende der Ermittlung im März 2021 beantragt die Staatsanwalt die Einstellung der kriminellen Vereinigung und der versuchten Brandstiftung Ende März. Aber wiederholt die Eröffnung eines Gerichtsverfahrens für die Brandstiftung am 10. April 2020.

Während dieses nächtlichen Feuers im Lockdown wurde die Telekommunikation aller Mobilfunkanbieter (Bougues SFR Orange und Free) sowie die der staatlichen Repressionsorgane (Polizei und Gendarmerie) und des Elektrizitätswerks Enedis vorübergehend außer Betrieb gesetzt. Der Sachschaden wurde auf eine Summe zwischen 750 000 und eine Million Euro geschätzt. Für genau diese Fakten musste ich am 19. Mai vor dem Gericht in Nancy erscheinen. Trotz des Antrags auf Verschiebung meiner Anwältin, die nicht anwesend sein konnte, hat sich das Gericht nach einer Stunde Wartezeit dazu entschieden die Anhörung stattfinden zu lassen.
Die Maskerade konnte also fortfahren, ohne Publikum, aber mit einem Journalisten der Lokalpresse, der nur darauf wartete seinen Elan als Lakai der Herrschaft vorzuführen, um die Herrschaft noch etwas mehr zu festigen, dem Staat zu helfen seine feige und kalte Rache durchgehen zu lassen, gut geschützt vor den Blicken und Ohren derer, die zu meiner Unterstützung gekommen waren.

Die Vorsitzende, die sich von Anfang an über den Mangel an Anerkennung vonseiten ihres Ministers gegenüber der Richterkörperschaft* beschwerte (bringt das Murren der Cops etwa die Richterschaft auf Ideen?), stimmt man erneut den Refrain des armen Bürgers an, der nicht mehr das Krankenhaus anrufen kann, weit hinten auf dem Land, um sich behandeln zu lassen.

Ich antworte einfach, dass es Zeit ist zu lernen miteinander zu leben, was die Gesellschaft uns genommen hat, indem sie uns hinter Maschinen isolierte, mit Bildschirmen, die uns blind machen, und Kopfhörern, die uns taub machen angesichts der Gräuel dieser Welt, die alle Lebewesen, menschliche wie nicht-menschliche, ausbeutet, vergiftet und tötet. Ich gebe daraufhin ein persönliches Beispiel über den Umstand, dass ich ohne Handy aufgewachsen bin und dass es sicherlich mehr gegenseitige Hilfe und Unterstützung zwischen den Menschen gab, in einer Zeit, in der man keine App benötigte, um miteinander zu reden, sich zu treffen, sich zu küssen oder zu vögeln…

Ich komme gleich zum Urteil, das die Vorsitzende verkündete, das ich kaum gehört habe. Vier Jahre Knast, davon zwei auf Bewährung unter Auflagen plus mehrere zehntausend Euro Strafe (Ich kann mich nicht mehr an die exakte Summe erinnern).
Als ich das Gericht verließ, wurde mir die Freude zuteil eine große Gruppe meiner Freunde und Gefährten, die zu meiner Unterstützung gekommen waren, zu sehen, die für einen Moment die CRS [Bereitschaftsbullen] zerstreuten um mich mit „Freiheit! Freiheit!“-Rufen zu begrüßen. Das hat mir ziemlich viel Wärme und Kraft gegeben.
Meine Augen waren gleichzeitig voller Trauer, Freude und viel, viel Wut.
Einige Minuten nach der Urteilsverkündung wusste ich bereits, dass ich Berufung einlegen würde, was ich drei Tage später gemacht habe, als ich mich im Bunker wiederfand.

Ich würde gerne einige Punkte klarstellen über das, was in der Presse so erzählt wurde. Ich habe nicht nur gegen die 5G-Technologie gehandelt. Es sind alle Wellen (2G, 3G, 4G), gegen die ich kämpfe. Der Techno-Totalitarismus erlegt seine makabren Pläne in aller Geschwindigkeit auf und verstärkt und verbessert seine bereits existierende Infrastruktur. Natürlich wird 5G die Installation einer Vielfalt von Mini-Antennen überall erfordern, um den Fluss der Informationsdaten zu beschleunigen und so beispielsweise zu erlauben jedes Alltagsobjekt miteinander zu verbinden. Jede Autonomie der Individuen wegzunehmen, sie zu Sklaven der Maschine zu machen, während man sie für Werbe- oder andere Zwecke ausspioniert (Selbstisolation, Ausbeutung zuhause mithilfe von Home-Office, Aufgabe des Hautkontakts unter uns, Omnipräsenz der kleinen und großen Bildschirme in unserem Leben), das ist die nahe Zukunft, die sich abzeichnet, die Dystopie, die gerade ihren Gang nimmt.

Übrigens, an jene, die immer noch an die sogenannten „grünen“ Energien glauben, an die Pseudo-Energiewende, die in Wahrheit nur eine Akkumulation der Ressourcen ist, an den Abbau von einem ganzen Haufen Metallen überall auf der Welt, deren benötigte Menge um ihre Elektrokarren, ihre Kilometer an Kabeln (unter- oder überirdisch) zu produzieren, konstant steigt und die Krebs, Zerstörung und Tod verbreitet: das Problem ist nicht nur der Ausstoß von Treibhausgasen. Das macht nur einen Bruchteil aus. Das „elektrische Ganze“ ist genauso zerstörerisch und tödlich. Der Abbau all dieser Metalle lässt sich nur durch den Gebrauch ultra-schädlicher und verschmutzende Säuren bewerkstelligen, die die Böden und die Wasserläufe verderben und vergiften und dabei unheilbare Krankheiten verursachen, wenn sie nicht direkt zu einem schnellen und sicheren Tod führen. Das ist die Realität des digitalen Ganzen, von dem sie versuchen es als ökologisch darzustellen, als Alternative zur Luftverschmutzung.

So viele Gründe, weshalb ich zu jenen gehöre, die sich beim ersten Widerhall der staatlichen und sanitären Ordnung geweigert haben sich zuhause einzusperren und hinausgegangen sind um direkt einen der Pfeiler der Herrschaft anzugreifen.

Erhobenen Hauptes, mit feurigem Herzen!
Es lebe die Anarchie!

Boris

Anmerkungen

* ihrer Meinung zufolge sind die Gefangenen die Privilegierten des Ministers, da sie (vor den Richtern) als erste eine Impfung erhalten würden, was natürlich vollkommen falsch ist.

Um seine Gefangenennummer zu erfahren und ihm zu schreiben: besakattak at riseup.net

Auf Indymedia Nantes erschienener Brief, 16. Juni 2021, gefunden auf Sans Nom

Entnommen aus Zündlumpen #084.