Die Politiker aus dem Kampf gegen Umweltzerstörung verjagen

Es scheint gerade en vogue zu sein unter Politikern, Wissenschaftlerinnen, Industriellen und allen die es noch werden wollen, auf der Welle der Proteste gegen Umweltzerstörung und vor allem Klimawandel mitzuschwimmen und vor allem, sich hier und dort als deren Sprecher*innen aufzuspielen, sich mit medial in Szene gesetzten, symbolischen Aktionen ebenso wie mit einem in den Medien geäußerten Verbalradikalismus rücksichtslos und auf dem Rücken anderer zu inszenieren und vor allem dann, wenn sich Leute entscheiden, dieses lächerliche Politikspiel nicht mitzuspielen und stattdessen dort anzugreifen, wo die Umweltzerstörung tatsächlich stattfindet, dort wo sich der Angriff nicht bloß gegen ein paar einfache Feindbilder richtet, sondern auch all die Heuchler*innen trifft, die es verstehen, sich als “klimafreundlich” zu inszenieren, während sie die Umwelt härter abfucken, als jemals zuvor, bereitwillig in die Bresche springen und diese Angriffe verurteilen, als fehlgerichtet erklären oder sich gar in Denunziation üben.Das jüngste Beispiel, ereignete sich vor wenigen Tagen rund um den “Forst Kasten” in München. Bereits früher war es im Umfeld dieses Waldes, der für den Kiesabbau gerodet werden soll(te) zu Protesten gekommen. Lokale Bürgerinitiativen, eine vorrangig von Aktivist*innen der linken Szene inszenierte Waldbesetzung, die jeweils kurz nach dem Beklettern von Bäumen spektakulär vom SEK wieder geräumt wurde (was auch das Interesse der Aktivist*innen gewesen zu sein schien), aber auch als im Frühsommer 2021 im Münchner Osten der Strom ausfiel erklärten die Angreifer*innen dazu, dass neben anderen Gründen wie der Sabotage des Rüstungskonzerns Rohde und Schwarz, mitunter auch der Stadtratsbeschluss den Forst Kasten zu roden sie zur Handlung drängten. Zudem brannte im August 2021 bereits ein Förderband in genau jener Kiesgrube, die dem Forst Kasten schon heute Quadratmeter um Quadratmeter buchstäblich den Boden weggräbt. Zufall? Sowohl als der Strom im Münchner Osten ausfiel, als auch nachdem ein Millionenschaden entstand, als das Förderband in der Kiesgrube brannte, beeilten sich einige derjenigen Aktivist*innen und Politiker*innen, die sich zuvor bei Waldbesetzungen und Demonstrationen ins Rampenlicht gestellt hatten, in der Presse zu erklären, dass sie selbst selbstverständlich nichts mit derlei Angriffen zu tun hätten, sondern für friedlichen Protest stünden. Anfang Januar wurde in der Presse von einem weiteren Angriff im Forst Kasten berichtet. Rund 20.000 Euro Sachschaden seien entstanden, als an einem dort eingesetzten und abgestellten Forstfahrzeug (Rückezug) die Reifen zerstochen, dieses mit Parolen wie “Den Wald verteidigen” und “verpisst euch” besprüht wurde und mit Montageschaum der Auspuff verstopft wurde. Das Gefährt ist Eigentum der städtischen Forstverwaltung. Während sich die Stadt beeilt, zu betonen, dass diese Maschine der “alljährlichen winterlichen [Baum]pflege” dient, überschlagen sich in Presse und in den sozialen Medien die Verurteilungen solcher Angriffe durch eben jene Politclowns, von denen ich hier sprechen möchte: Eine gewisse Lisa Poettinger etwa, ihres Zeichens “Studierende Klimagerechtigkeitsaktivistin” schreibt “Sabotage ja, aber nur wenn sie Sinn ergibt […] Im Forst Kasten ist nun BaumPFLEGEinfrastruktur angegriffen worden und Kristina Frank (CSU) zögert keinen Moment, uns damit in Verbindung zu bringen. Aber: Sabotage heißt nicht wahllos irgendetwas zu zerstören. Es bedeutet, diejenigen Dinge lahmzulegen, die überproportional zur Zerstörung unserer Lebensgrundlagen beitragen. Das ist bei Baumpflegegeräten nicht der Fall. Wir können aber davon ausgehen, dass es für Klimaschutzleugner*innen geradezu gefundenes Fressen ist, uns damit zu diskreditieren.” Sabotage ist also dann in Ordnung, wenn die liebe Lisa Poettinger es erlaubt, verstehe ich das richtig? Und ihr springt bei: Tadzio Müller, der bei Twitter schreibt: “Zeitdruck in der Klimakrise zu verspüren und für friedliche Sabotage zu sein, heißt auch, sich sehr genau zu überlegen, wo die härtere Gangart eingelegt wird und wo nicht. Bei Baumpflegeinfrastruktur…? Es gilt: Je militanter die Aktion, desto größer muss die Vorsicht sein.” Seltsame Worte von eben jenem Tadzio Müller, der kürzlich mit einem Interview im Spiegel Aufmerksamkeit erregte, in dem er gewissermaßen eine “grüne RAF” ankündigte und damit ohne jede Rücksicht auf die Folgen, die ein solcher Verbalradikalismus, bei dem ein Angehöriger einer Szene davon spricht, dass es entsprechende Stimmen in seiner Szene gäbe, mit sich bringt, sich selbst in Szene setzte. Ja, wer würde nicht gerne beispielsweise den RWE-Vorstand oder diverse Atomlobbyisten im Kofferraum sehen? Aber die Maschinerie anzugreifen, die dazu dient den Wald sowohl zu durchforsten, als auch zu roden, das geht zu weit? Und auch jener Umweltverein, bei dem man noch immer rätselt, ob er nun faschistisch oder links sei, Extinction Rebellion, die etwa damit bekannt geworden sind, Farbe in Gewässer zu schütten, um Aufmerksamkeit zu erregen, weiß seinen Senf dazu zu geben: “Extinction Rebellion München distanziert sich von der sinnlosen Aktion, Baumpflegegeräte zu beschädigen, zumal fernab der Rodungssaison [Häh? Rodungssaison ist in Deutschland stets in den Wintermonaten; Anm. d. Autors] und bei einem noch nicht abgeschlossenen Entscheidungsverfahren. Demgegenüber haben wir die Befürchtung, dass Konservative und Neoliberale versuchen werden, uns mit dieser unüberlegten Aktion zu diskreditieren. – Objekte der Sabotage können nach unserer Überzeugung nur Dinge sein, die wie eine Bombe im eigenen Haus unser Leben bedrohen.” Was bei Extinction Rebellion, Lisa Poettinger ebenso wie Tadzio Müller auffällt: Sie übernehmen unkritisch das Vokabular von städtischer Forstverwaltung und Medien: “Baumpflege”. Dabei existieren sogar mehrere Fotos, die überdeutlich zeigen, um welche Art der “Pflege” es sich bei diesem Gerät handelt und hier und dort wird in den Medien das beschädigte Gefährt sogar als “Rückezug” näher bezeichnet, während anhand eines entsprechenden Warnsymbols auf den Fotos eines ebenfalls beschädigten Anhängers direkt ersichtlich wird, dass es sich dabei um einen Treibstofftank auf Rädern handelt. Nun es mag der Tatsache geschuldet sein, dass Lisa Poettinger und Tadzio Müllers Klimaaktivismus – ganz zu schweigen von dem, von Extinction Rebellion – weniger daher rührt, dass diese irgendeinen Bezug zu ihrer Umwelt besitzen würden und folglich eine Ahnung davon hätten, wie man sich diese Form der “Baumpflege” vorzustellen hat, sondern vielleicht vielmehr aus irgendwelchen Zahlen und Diagrammen, die über ihre Bildschirme flimmern, motiviert ist, aber dass “Baumpflege” hier ein Euphemismus für Baumfällung ist, hätte ja selbst ihnen auffallen können.

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Was ist von solchen Idioten zu halten, die sich mit (teils) radikalen Parolen zunächst einen Namen innerhalb einer Szene von Umwelt- und Klimaaktivist*innen gemacht haben, nur um dann, dort angekommen, zum Rückzug zu blasen und jeden unkontrollierten Angriff auf die Akteur*innen der Umweltzerstörung zu verurteilen und zu diffamieren? Ja schlimmer noch, die sich an dem uralten Manöver der Aufstandsbekämpfung versuchen, eine Bewegung in die gute Klimaaktivistin und den bösen, angeblich unüberlegt und ziellos handelnden, gemeinschädlichen Vandalen zu unterteilen. Können sie als unsere Verbündeten gelten? Und wenn nicht, können wir ihre Anwesenheit in einer Bewegung dulden, die zunehmend mehr den von ihnen vorgeschlagenen Kurs eines Verbalradikalismus bei gleichzeitiger politischer Taktiererei und einem beinahe offenen Bündnis mit bestimmten Industriebranchen wie der Windkraft- oder der Solarenergie-Industrie einzuschlagen scheint? Können wir, die wir es Ernst damit meinen, den Kampf gegen die Zerstörung der Biosphäre aufzunehmen, mit einer solchen Bewegung überhaupt etwas anfangen? Ich denke anstatt sich dem von Andreas Malm in einer ähnlichen Absicht vorgeschlagenen Kurs (als Alternative dazu, Pipelines in die Luft zu sprengen, wie der Titel seines Buches lautet) irgendwelcher Pseudo-Sabotagen gegen SUVs (die Luft der Reifen ablassen) anzuschließen, wäre es vielleicht an der Zeit lieber über diese Fragen zu diskutieren und entweder konsequent alle Politiker*innen, seien es jene des Parlaments oder eben jene außerparlamentarischen Wichtigtuer, von denen hier die Rede ist, aus den Klimakämpfen zu verjagen, oder wenigstens offen damit umzugehen, dass Sabotagen nicht zum Arsenal jener gehören, die bloß einer neuen Industrie den Weg bereiten wollen.


Übernommen von de.indymedia.org.

[München] Abriss-Stopp im Eggarten nach Brandstiftung an Baggern

Für den Bau einer Neubausiedlung haben in der Münchner Eggartensiedlung vor rund drei Wochen die Abrissarbeiten begonnen. Das idyllische Areal beheimatete zuvor nicht nur Fledermäuse und einen alten Baumbestand, sondern es bot auch Obdachlosen Unterschlupf und war bei den Anwohner*innen beliebt.

Nachdem bereits sechs Häuser der Siedlung platt gemacht wurden, war am Donnerstag, den 10. Februar 2022 ersteinmal ungeplanter Abriss-Stopp: gegen 03:40 Uhr bemerkten Bullen, dass zwei zum Abriss eingesetzte Bagger brannten. Die Feuerwehr rückte an und löschte die Brände, dennoch wurde der eine Bagger schwer beschädigt, der andere ist vollkommen zerstört und muss nun mit einem Kran entfernt werden. Es sei ein Sachschaden von rund 150.000 Euro entstanden und wann der Abriss weitergehe, das könne man auch nicht genau sagen.

[Leipzig] Thyssen-Krupp und Obermeyer Sitz angegriffen

In der Nacht auf den 10. Feb haben wir das Bürohaus in der Kantstraße 2 mit Farbe und Steinen angegriffen. Hier haben gleich zwei Schweinekonzerne ihren Sitz. Thyssen Krupp und Obermeyer Gruppe.

Mit diesem Angriff wollen wir Aufmerksamkeit für die Bombadierungen der Türkei in Kurdistan schaffen. Vor wenigen Tagen flog die türkische Luftwaffe unter dem faschistischen AKP-Regime Luftangriffe auf das Geflüchtetenlager Mexmûr, im Gebiet Şengal, sowie in Dêrik in Rojava. Dabei gab es zahlreiche Tote und Verletzte.

Thyssen-Krupp verdient durch Rüstungsgeschäfte mit und in der Türkei sein Geld und ist deshalb zu unserem Angriffsziel geworden.
Als deutscher Industriekonzern mit dem Schwerpunkt der Stahlverarbeitung produziert das Unternehmen unter anderem Hochöfen, Rolltreppen und Aufzüge. Neben dieser Produktion verdient Thysenkrupp, durch die Konzerntochter „ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS)“, mehrstellige Milliardenbeträge mit dem Bau von Kriegsschiffen aller Art. Die türkische Marine ist seit über 50 Jahren Treuer Kunde von TKMS und gehört zu den Hauptabnehmern.
Ein weiterer Zweig des Unternehmens ist eine Produktionsstätte für Stahl im Nordwesten der Türkei. In der Provinz Kocaeli etablierte das Unternehmen die Tochterfirma „Thyssenkrupp Materials Turkey“.

Die Ingenieurgesellschaft Obermeyer ist eine international agierende Ingenieurgesellschaft, die u.a. für den Entwurf des Neubau der Justizvollzugsanstalt Rottweil-Esch verantwortlich war und zudem an der Planung von Infrastruktur für die Bundeswehr beteiligt ist.

Die europäischen Regierungen machen sich mitschuldig im Krieg gegen die Revolution in Kurdistan und Unternehmen wie Thyssen-Krupp oder Obermayer profitieren davon. Die Staaten und Konzerne Europas stützen Erdogans Kriegsmaschine wirtschaftlich und politisch.

Wir dagegen stehen an der Seite des Befreiungskampfes in Kurdistan!

Revolutionäre Grüße an die Kämpfenden in Rojava!


Übernommen von de.indymedia.org

Krieg beginnt hier: Legen wir seine Infrastruktur lahm, wo wir nur können

Es fällt schwer, die aktuelle Lage in der Ukraine aus politischer Sicht zu beurteilen. Ist das Ganze bloß der altbekannte Schwanzvergleich, irgendwelcher größenwahnsinniger und kriegslustiger Militärs und Politiker oder wird es tatsächlich zum Krieg kommen? Dieser Text lässt solche Fragen außen vor und widmet sich stattdessen jenen Fragen, die aus unserer Sicht sehr viel mehr Sinn ergeben: Wie lässt sich ein militärischer Konflikt, ein Krieg, ein potenzieller NATO-Krieg sabotieren? Es entspricht der Natur der Sache, dass dieser Text höchstens ein paar Anregungen zu geben vermag und wir wollen auch alles andere, als fertige Lösungen präsentieren, sondern schlicht ein paar Ideen in den Raum stellen.

Wir veröffentlichen diesen Text im Internet, weil wir diese Gedanken mit möglichst vielen Gleichgesinnten teilen wollen, mit denen es uns unmöglich wäre, persönlich in Kontakt zu treten und diese Fragen zu diskutieren. Wir denken aber, dass jede (strategische) Vertiefung dieser Debatte vor allem deshalb nicht im Internet stattfinden sollte, weil dies bloß der Repression nützt, aber kaum einen Mehrwert für jene haben dürfte, die ebenfalls entschlossen sind, ihre kreative Energie dazu zu nutzen, einige der hier aufgeworfenen Gedanken weiter zu verfolgen.

Manch einer werden die hier präsentierten Informationen auch kaum neu sein. Letztlich ist das meiste klar und altbekannt. Wir denken dennoch, dass es sich lohnt, sich einiger Details der militärischen Logistik wieder zu erinnern, die in den Debatten um weit entfernte Kriege vielleicht ein wenig in den Hintergrund gerückt sind.

Ach ja: Und nur um eines vorwegzunehmen: Die Infrastruktur des Krieges anzugreifen bedeutet keineswegs eine Seite, in diesem Falle die von Russland, zu wählen. Wer nicht vollständig verblödet ist, weiß, dass Krieg immer die Bevölkerung trifft und so gut wie niemals die Herrschenden, die sie vom Zaun brechen. Als Antimilitarist*innen sind wir gegen jeden Krieg und alle Akteure, die ihn vom Zaun brechen wollen und als Antiautoritäre streben wir nach nichts weniger als der vollständigen Zerstörung aller Staaten!

Vor einigen Monaten haben wir mit einigem Interesse den Text „Fragmente für einen aufständischen Kampf gegen den Militarismus und die Welt, die ihn benötigt“ in Zündlumpen #083 (https://ia803402.us.archive.org/4/items/awb_nr083_web/awb_nr083_web.pdf, S. 30) gelesen. Unter der Überschrift „(ii) Die Infrastruktur des Krieges“ werden darin einige altbekannte Punkte aufgeworfen, etwa dass das einrückende Militrä sich Straßen, Schienen, Brücken, usw. bedient, ebenso wie Kartographieungen des Geländes und (auch zivile) Kommunikationsinfrastruktur dem Militär eine große Hilfe sind. Was dieser Punkt unserer Auffassung nach ein wenig vernachlässigt ist die Logistik der Nachschublinien. Zwar wird zuvor eifrig die Sabotage von Rüstungsproduktion diskutiert, allerdings bleibt der wohl wichtigste Rohstoff des Krieges mehr oder minder außen vor: Erdöl bzw. Energie im Allgemeinen. Gerade zu Beginn eines Krieges ist der zur Truppenverschiebung nötige Energiebedarf gigantisch, aber im Grund muss während des gesamten Krieges Treibstoff von irgendwelchen Vorratsstätten und/oder Rafinerien bis an die Front, wo er gebraucht wird, um die Motoren des Kriegsgeräts zu befeuern, transportiert werden. Und gerade wenn ein Krieg nicht unmittelbar im eigenen Territorium stattfindet, die Logistik der Energieversorgung der Truppen jedoch durch dieses Territorium verläuft, könnte es sich lohnen mit dieser Infrastruktur näher zu beschäftigen.

Wo derzeit sowohl Medienberichten, als auch diverser Beobachtungen aus der Bevölkerung zufolge, Truppen überall in Europa in Bereitschaft versetzt werden und Kriegsgerät mehr oder weniger fleißig bereits an strategisch günstige Standorte verschoben wird, ist natürlich auch damit zu rechnen, dass bereits der Transport von Erdölreserven in die jeweiligen Regionen in vollem Gange ist. Es erscheint uns daher keinen Grund zu geben, auf einen möglichen Ausbruch des Krieges zu warten, sondern alle im folgenden angestellten Überlegungen könnten bereits jetzt, im Vorfeld einer möglichen militärischen Auseinandersetzung einen großen Effekt verzeichnen. Und natürlich lässt sich just in diesem Moment auch die Verlegung von Kriegsgerät auf die ein oder andere Weise bereits im Voraus sabotieren.

NATO-Pipelinesystem

Die NATO betreibt zum Zwecke der Versorgung ihrer Truppen innerhalb einiger europäischer Bündnisländer ein aus 10 Pipelinenetzen bestehendes Pipelinesystem. Dieses verbindet im Grunde militärisch genutzte/nutzbare Häfen mit diversen (teilweise geheimen, teilweise zivilen) Öllagerstädten (Tanklagern) in ganz Europa, sowie mit Umschlagbahnhöfen, (zivilen und militärischen) Flughäfen und bestimmten Truppenstandorten. In Deutschland sind dabei vor allem zwei dieser Pipelinenetze von Bedeutung: Das Central Europe Pipeline System (CEPS), das sich durch Teile Belgiens, Frankreichs, Deutschlands, den Niederlanden und Luxemburg erstreckt und auf einer Streckenlänge von 5300 Kilometern 29 NATO-Depots, sechs nicht-Militärische Depots, militärische und zivile Flughäfen, Rafinerien und Seehäfen im Nordseeraum miteinander verbindet und das North European Pipeline System (NEPS), das im Grunde Frederikshavn in Dänemark mit der deutschen Grenze verbindet.

Mitte der 80er Jahre verübten übrigens zahlreiche Gruppen der RZ, RAF und weitere Sprengstoffanschläge auf vorwiegend Pumpstationen des CEPS.

Das CEPS wird vor allem auch zivil genutzt, im Falle einer Militäroperation sind jedoch die dafür erforderlichen Kapazitäten dem Militär zugesichert. Dank diverser ziviler Akteur*innen ergeben sich jedoch zum Teil bessere Einblicke in die Infrastruktur. Stand 2018 sind auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland noch folgende Einrichtungen des CEPS in Betrieb:

  • 14 Tanklager
  • 22 Hochdruckpumpen
  • 1765 Kilometer unterirdische Leitungen, deren Verlauf anhand der typischen oberirdischen Vermessungsspunkte recherchierbar/abschätzbar ist, sowie daugehörige Pumpstationen und Schieberschächte
  • 11 Tankkraftwagen-Befüllanlagen
  • 2 Eisenbahnkesselwagen-Befüllanlagen

Schienennetze

Einige Tanklager sind nicht durch Pipelines oder zumindest zusätzlich auch über den Schienenweg erreichbar. Generell bieten die europäischen Schinennetze den Militärkräften der Nato eine gute Infrastruktur um schnell und effizient große Mengen an Treibstoff und/oder Kriegsgerät zu verschieben. Das Ganze lässt sich jedoch auch entsprechend leicht lahmlegen. Egal ob durch Blockaden der Gleise, kleine unauffällig und nur vorrübergehende Sabotagen, wie etwa kürzlich in Kanada umgesetzt und vorgeschlagen wurde, oder indem Schienen gewaltsam zerstört, Stromversorgung (allerdings gibt es auch Diesellokomotiven) unterbrochen und wichtige Signalinfrastruktur zerstört wird.

Gleisanlagen sind eigentlich grundsätzlich auf sämtlichem verfügbaren Kartenmaterial eingezeichnet. Von besonderem Interesse sind in diesem Fall möglicherweise nicht nur die stark frequentierten Hauptstrecken, sondern vor allem auch jene Strecken, die Tanklager ansteuern, sowie jene, die die Grenzen des Landes in Richtung Ukraine passieren, aber auch die Verbindungsstrecken zu Häfen und/oder Tankkraftwagen-Befüllanlagen, wo der Transport von den Schienen auf die Straßen gebracht werden kann.

Weitere Anregungen liefert hier möglicherweise die Broschüre TRAINSTOPPING.

Straßen & Häfen

Natürlich lassen sich auch Straßen und Häfen blockieren. Hier wäre es jedoch möglicherweise von Vorteil zuvor sehr konkret herauszufinden, wann und wo damit auch entsprechende militärische Nachschublieferungen blockiert werden, weil derartige Blockaden in der Regel nicht von langer Dauer sind. Für jene, die lieber zivilen Ungehorsam leisten, anstatt im Schutz der Dunkelheit anzugreifen, wäre das jedoch möglicherweise ein interessanterer Ansatzpunkt.

 

Der mögliche Krieg in der Ukraine, er beginnt hier und jetzt. Lasst ihn uns gemeinsam hier und jetzt stoppen!


Dieser Beitrag wurde von de.indymedia.org übernommen.

Die Technopolizei von Google Maps und Co…

Ob es darum geht einen untergetauchten Mafiaboss zu finden, Schwarzbauten aufzuspüren oder die Bewegungen von Millionen Menschen während des Lockdowns zu analysieren… Google und Co. helfen immer gerne. 

07. Januar 2022 Nach 20 Jahren im Untergrund wird ein intalienischer Mafiaboss in Spanien verhaftet. Dem nach 13 Jahren Haft aus dem Knast entflohene Gioacchino Gammino, der sich in Madrid eine neue Existenz aufgebaut hatte, wurde Google Streetview zum Verhängnis. Die Bullen, die bereits vermuteten, dass er sich in Madrid aufhalte, erkannten ihn – trotz verpixeltem Gesicht – auf einem Bild von Google Streetview wieder.

August 2021 In einigen französischen Départements nutzt das Finanzamt Services der Hightech-Riesen Capgemini und Google, um Schwarzbauten aufzuspüren. Dazu wird ein künstlich intelligentes Programm genutzt, das Luftaufnahmen des französischen Vermessungsamtes nach Gartenhäusern, Veranden, Anbauten oder Swimmingpools absucht. Dieser Algorithmus, der mit der Technologie von Google entwickelt worden ist, erstellt eine Liste mit „Anomalien“, etwa Swimmingspools an Stellen, an denen keine sein sollten.

Ab 03. April 2020 veröffentlichte Google anonymisierte GPS-Daten von Google Maps-Nutzern auf Android-Geräten und IPhones, um „den Autoritäten dabei zu helfen zu verstehen, wie Social-Distancing-Maßnahmen wie das Home Office und den Lockdown dabei helfen können die Kurve der Corona-Epidemie flachzuhalten“, wie das amerikanische Unternehmen verkündete. Die Daten zeigen insbesondere, wie sehr das Aufsuchen gewisser Orte wie Geschäfte oder Touristenattraktionen in den letzten Wochen sich gewandelt hat. Dabei ist diese Funktion nicht neu: Google Maps benutzt sie bereits seit Jahren, um seinen Nutzern Staus anzuzeigen oder wie voll Geschäfte gerade sind. Diese Daten waren bisher aber nicht für eine ganze Region oder ein ganzes Land verfügbar gewesen.

Seit April 2020 hat übrigens auch das kanadische Gesundheitsamt die GPS-Daten von 33 Millionen Smartphone-Nutzern getrackt, um die Einhaltung der Anti-Corona-Maßnahmen zu überwachen, die Nutzung stark frequentierter Orte zu verfolgen und die Reaktionen der Bevölkerung während des Lockdowns besser nachvollziehen zu können. Im Dezember 2021, nachdem der alte Vertrag mit dem kanadischen Telekommunikations-Unternehmen Telus ausgelaufen ist, sucht die kanadische Regierung nun nach einem neuen Partner zur Überwachung der GPS-Daten bis Juni 2023, mit Option auf eine Verlängerung von drei Jahren. Die Regierung erklärt, dass „auch über die Pandemie hinaus die Mobilitätsdaten eine wichtige Rolle für das Verständnis der Auswirkungen der Bewegungen der Bevölkerung auf anderen Gefährdungen der öffentlichen Gesundheit spielen werden.“ Ottawa plane, „die erzielten Daten für eine zukünftige Nutzung zur Erhaltung der öffentlichen Gesundheit in einer gesicherten Umgebung zu speichern“. Außerdem plane die öffentliche Gesundheitsbehörde „auf Basis der Erfahrungen mit COVID-19 und den Lektionen, die aus den Erfahrungen anderer Länder gezogen werden konnten, eine langfristige mobile Datenspeicherung aus den Funkmasten, um die Initiativen voranzutreiben, die sich mit Fragen zur öffentlichen Gesundheit auseinandersetzen, etwa mit anderen Infektionskrankheiten, der Prävention chronischer Krankheiten und mit psychischer Gesundheit.“


Zusammengestellt aus verschiedenen Artikeln bei Sans Nom.

Kameras mit „smarten“ Ohren

Bisher können öffentliche Überwachungskameras nur sehen, aber nichts hören, weil das Aufzeichnen privater Gespräche (noch) verboten ist. Das passt den Sicherheitsfanatikern einer smarten Kontrollwelt natürlich nicht, und selbstverständlich gibt es bereits ein Start-Up, das eine Lösung parat hat. Das in der französischen Stadt Orléan ansässige Start-Ups Sensivic hat ein System mit „intelligenten“ Lauschern entwickelt. Die Idee: Die Kamera erkennt „unnormale“ Geräusche, wie einen Schrei, einen Schuss, das Splittern von Glas, sonstige Geräusche von Sachbeschädigungen oder Unfällen etc. Daraufhin sendet sie einen Alarm an den Hilfsbullen, der in der Überwachungszentrale hockt, und dreht sich automatisch in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Um das zu können, hört die Kamera permanent zu und erstellt eine „Geräuschlandschaft“ für ihren Standort. Daraus entwickelt sie ein Voraussagemodell, welche Geräusche zu welcher Uhrzeit als „normal“ gelten, und welche sich so sehr von diesem Modell unterscheiden, dass die Kamera sie als „unnormal“ einstuft. Das System soll auf ein bereits existierendes Netz an öffentlichen Überwachungskameras installiert und montiert werden können. Bereits 25 Orte insbesondere im Süden Frankreichs hat Sensivic mit seinen Spionen ausgestattet, auch in den öffentlichen Verkehrsmitteln mehrerer Städte, etwa Marseille und Rouen, gibt es lauschende Detektoren für „unsoziales Verhalten“.

In Deutschland ist die Überwachung des öffentlichen Raums bisher noch nicht so ausgebaut wie in Frankreich. Diverse „Smart-City“-Projekte in unterschiedlichen Städten zeigen allerdings auch in Deutschland die Entwicklung in Richtung einer smarten und transparenten Totalüberwachung.


Wer mehr zum Thema „Smartifizierung“ lesen will, dem sei die beim Maschinenstürmer Distro erhältliche Broschüre „Smart City. Von Paris bis München: Beiträge zur Zerstörung der urbanen Tech-Dystopie“ und das Buch „Die Smartifizierung der Macht“ von Edition Irreversibel ans Herz gelegt. 

Ein Buch, um damit die weiße Vorherrschaft zu erschlagen

Eine Rezension von »Schwarze Saat – Gesammelte Schriften zum Schwarzen und Indigenen Anarchismus«

Wer sich wie ich aufgrund des Titels ein Buch über etwas wie beispielsweise die Maroon-Gemeinschaften oder auch anarchistischere Spielarten einer Art Rainbow Coalition erwartet hat, die*der wird zunächst ein wenig enttäuscht sein, wenn sie einen Blick in das Inhaltsverzeichnis von Schwarze Saat wagt. Nein, bei dem Buch handelt es sich tatsächlich um eine Textsammlung mit Texten zu verschiedensten Themen, geschrieben von Anarchist*innen, die entlang der Identitäten “Schwarz” und “Indigen” verortet werden (können). Von der vielzitierten Lucy Parsons über die spätere anarchistische Fraktion der Gefangenen der Black Panther-Bewegung, den nigerianischen (syndikalistischen) Anarchist Sam Mbah nicht vergessend, bis hin zu einigen der indigenen und schwarzen Anarchist*innen und anarchistischen/autonomen Organisationen der heutigen Bewegung in Nordamerika, sind alle bekannten und ein paar weniger bekannte schwarze und indigene Anarchist*innen mit Texten vertreten. Dass sich dabei viele Stimmen offen widersprechen, scheint vorprogrammiert. [1] Herausgeberin, Übersetzerin und Autorin Elany begründet die Zusammenstellung im Vorwort des Buches so auch damit, der Erzählung des Anarchismus als weiße, eurozentrische Bewegung, die Stimmen schwarzer und indigener Anarchist*innen gegenüberstellen zu wollen. Dagegen habe ich nichts einzuwenden, allerdings scheint mir das Problem, mit dem man in diesem Unterfangen konfrontiert ist, dass es im heutigen Spektrum deutschsprachiger Anarchisten ganz verschiedene Erzählungen von der anarchistischen Bewegung gibt. Während sich die organisationsfixierten Anarchist*innen auf die mehr als gewagte Hypothese festgelegt zu haben scheinen, der Anarchismus sei das Erbe des antiautoritären Flügels der Ersten Internationale und entsprechend gemäß ihrem autoritären Gegenflügel neben (ihrem eigentlichen Kontrahenten) Marx vorrangig die Schriften von Proudhon, Kropotkin und gelegentlich einmal Bakunin studieren (jaja, ich polemisiere und ja, es gibt auch noch Malatesta, Rocker, Goldman, Landauer, ja sogar die bereits erwähnte schwarze Anarchistin Lucy Parsons usw., deren Namen man in diesen Kreisen wenigstens kennt …), ist es in Abwesenheit eines zwar nach Verwesung stinkenden, aber immerhin doch die Zeiten überdauernden Kadavers einer anarchistischen Einheitsorganisation, schwierig, eine klare Kontinuität anarchistischer Geschichte zu entwickeln – und nicht alle wollen das überhaupt – und so beziehen sich die formloseren oder auch informell organisierten Anarchisten zumeist eher auf nur lose miteinander in Verbindung stehende Ereignisse, Publikationen und soziale Milieus und gar nicht so selten sind es auch die etwas weniger theoretisierten, volkstümlicheren Bewegungen, auf die sich seitens der organisationsfeindlicheren Anarchist*innen bezogen wird. Maroon-Gemeinschaften mögen vielleicht nicht zu einem Anarchismus der Internationalen passen, aber ich beispielsweise fand Russell Maroon Shoatz‘ “The Dragon and the Hydra: A Historical Study of Organizational Methods” (eine deutsche Übersetzung kann etwa über die anarchistischebibliothek.org heruntergeladen werden), ebenso wie auch die Beschäftigung mit diversen millenaristischen Sekten oder den Ludditen immer schon interessanter, als mir die parlamentarischen Rededuelle zwischen Marx und Bakunin zu Gemüte zu führen oder mir die sterbenslangweiligen und fortschrittsgläubigen Revolutions-Verwaltungspläne eines Kropotkin reinzuziehen (aber ob selbst diese “weißen Anarchist*innen” “nur philosophiert haben”, das würde ich einmal so dahingestellt lassen [2]). Schwarze Saat legt sich hier nicht fest, versucht vielleicht gewissermaßen verschiedensten Erzählungen schwarze und indigene Stimmen hinzuzufügen, ohne dass diese Erzählungen jedoch voneinander unterschieden werden, und verpasst dabei einerseits vielleicht die Gelegenheit, zur einen oder anderen Erzählung wirklich eine neue, schwarze oder indigene Perspektive beizutragen oder etwa gänzlich neue Erzählungen dem anarchistischen Fundus (wobei ich schon sehr gut verstehe, dass gerade viele Indigene, aber auch Schwarze sich immer geweigert hatten, die Geschichten ihrer Ahnen einer Anarchistischen Geschichtsschreibung, wie sie von manch einer Organisation oder auch einzelnen Individuen betrieben wird, hinzufügen zu lassen, aber zumindest wenn ich von einem Fundus anarchistischer Erzählungen spreche, dann meine ich etwas anderes) hinzuzufügen, während es mir andererseits, ob intendiert oder nicht, eine Steilvorlage zu liefern scheint, eine allgemeine Identität des*der schwarzen/indigenen Anarchist*in zu begründen und/oder zu verteidigen. Aber was würde ein “wir, schwarze/indigene [3] Anarchist*innen” bringen, außer dem Potential separatistischer Organisierung?

Der anhaltende Reiz des Schwarzen Nationalismus

Ein in mehreren Texten in Schwarze Saat wiederkehrendes, zwar oft kritisch, aber meinem Geschmack nach viel zu wenig feindselig diskutiertes Konzept, mit dem ich wirklich ein Problem habe, ist das des Schwarzen Nationalismus. Lorenzo Kom’boa Ervin, die Black Autonomy Federation, Ashanti Alston, Saint Andrew und weitere Autor*innen beziehen sich letztlich positiv auf einige Aspekte des Nationalismus, die ich anhand der Texte “Nationale Befreiung & Anarchismus” von Saint Andrew und “Jenseits des Nationalismus, aber nicht ohne ihn” von Ashanti Alston kritisch diskutieren will. Auch auf die Gefahr hin, dass es manch “schwarzer Anarchist […] satt [haben wird], dass vor allem weiße Anarchist*innen den Nationalismus einfach abweisen” (Ashanti Alston, S. 195). Ein Totschlagargument, wenn man mich fragt und gewiss könnte ich in einem Anflug von Tokenizing nun im Gegenzug mindestens ein Dutzend schwarzer Kritiken am Nationalismus droppen, aber dieses Spiel ist mir beileibe zu blöde. Ashanti Alston beschreibt zunächst seine Erfahrungen mit Schwarzen Nationalismen als Teenager, die ihm “das Leben gerettet” haben. Dass man “in erster Linie auf [sich] selbst schauen muss, um [sich] zu befreien”, dass es nicht “notwendig war, bei dem weißen Mann – vom Herrscher bis zum Revolutionär – ‘einzuchecken’, um zu sehen, ob es in Ordnung war” (S. 196), das klingt erst einmal nach einer mit (meinem) anarchistischem Denken nur allzu resonierenden Kritik an Führungspersönlichkeiten und kollektiven Zwangsverhältnissen, dass dieses Gefühl, das Ashanti Alston als eine Erkenntnis, die ihm vom Schwarzen Nationalismus von Malcolm X, der Black Power Bewegung und den Black Panthers vermittelt wurde, jedoch unter anderem in dem Slogan “WIR MÜSSEN UNSERE EIGENEN GEMEINSCHAFTEN KONTROLLIEREN” gipfelt, das resoniert dann schon erheblich weniger mit meinen Ideen. Es stimmt, vieles von dem, was die Black Panther an ihrer Basis taten, ist mit (meinen) anarchistischen Vorstellungen von Selbstorganisation vereinbar und ganz gewiss kann man nicht alle Anhänger*innen dieser Partei oder gar Bewegung über einen Kamm scheren, wie die zahlreichen kritischen Stimmen später anarchistischer Mitglieder, darunter auch Ashanti Alston, durchaus beweisen, aber ist das ein Argument dafür, dass der Nationalismus (nicht nur der der Black Panther) deshalb mit anarchistischen Ideen vereinbar wäre? Nur weil an der Basis zahllose Initiativen gegenseitiger Hilfe entstanden sind, wird das doch nichts an der Tatsache ändern, dass genau jener Nationalismus, dem Ashanti Alston diese Entwicklung zuschreibt, eben auch polizeiartige Strukturen zur “Kontrolle eigener Gemeinschaften” hervorbrachte, mit den autoritären Ideologien und Praxen der Parteiführung harmonierte und Solidarität mit angeblich revolutionären, nationalstaatlichen Bewegungen hervorrief. Dass es “selbst beim Nationalismus eines Louis Farrakhan [4] um die Rettung meines Volkes” geht, wie Ashanti Alston schreibt, will ich ja gar nicht bezweifeln, ebensowenig wie ich bezweifle, dass Anarchist*innen, ja sogar “die spezifischen anarchistischen Bewegungen innerhalb eines bestimmten Landes rassistisch sind”, aber ist das wirklich ein Argument für den Schwarzen Nationalismus?

“Es ist einfach, sich zurückzulehnen und über unseren Nationalismus aus dem modernistischen eurozentrischen Rahmen rationaler, wissenschaftlicher, materialistischer Modelle zu intellektualisieren. Während man das tut, ist es unser Nationalismus, der unser Volk ständig dazu bringt, zusammenzukommen, sich an unsere Geschichte zu erinnern, uns selbst zu lieben, weiterzuträumen und zurückzuschlagen. Schwarze Anarchist*innen und antiautoritäre Revolutionär*innen verstehen die Grenzen des Nationalismus in Bezug auf seinen historischen Sexismus, die Hierarchie oder seine modernistischen Züge im Allgemeinen. Aber wir erkennen auch die modernistischen Fallen des Anarchismus in Form des amerikanischen Rassismus/Klassenprivilegs, wenn es um People of Color geht.”

schreibt Ashanti Alston in seinem Text (S. 197 f.). Fredy Perlman, der versucht zu verstehen, wie eine Familienangehörige, nachdem sie vor dem nationalsozialistischen Genozid an den Juden, in dem ein anderer Teil seiner Familie vernichtet wurde, geflohen war, den Quechuas, an deren Seite er aufwuchs mit derart rassistischer Feindseligkeit gegenüberstehen konnte, beschreibt eine eher gegenteilige Erfahrung:

“Die Verachtung meiner Verwandten war meine erste Erfahrung mit Rassismus, der dieser Verwandten eine Ähnlichkeit mit den Pogromist*innen, vor denen sie geflohen war, verlieh; dass sie ihnen nur knapp entkommen war, machte sie nicht zu einer Kritikerin von Pogromist*innen; die Erfahrung trug möglicherweise gar nichts zu ihrer Persönlichkeit bei, nicht einmal hinischtlich ihrer Identifikation mit den Konquisitadoren, da diese mit Europäer*innen geteilt wurde, die nicht die Erfahrung meiner Verwandten teilten, nur knapp dem Konzentrationslager entgangen zu sein. Unterdrückte europäische Bauern hatten sich mit den Konquisitadoren identifiziert, die bereits lange vor der Erfahrung meiner Verwandten eine noch grausamere Unterdrückung gegen Nicht-Europäer*innen durchführten.

Meine Verwandte bediente sich ihrer Erfahrung Jahre später, als sie entschied, eine Fürsprecherin für den Staat Israel zu werden; zu dieser Zeit hatte sie ihre Verachtung der Quechuas nicht aufgegeben, im Gegenteil, sie richtete ihre Verachtung vielmehr gegen Menschen in anderen Teilen der Welt, gegen Menschen, die sie niemals getroffen hatte oder unter ihnen gelebt hatte. Aber damals interessierte ich mich nicht für ihre Entscheidung diesbezüglich; vielmehr interessierte ich mich für die Schokolade, die sie mir mitbrachte.”

– Fredy Perlman. Anti-Semitism and the Beirut Pogrom.

Kurze Zeit später formuliert er seine Gedanken diesbezüglich, ebenso wie hinsichtlich revolutionärer Bewegungen, die sich nationalistische Mobilisierungsstrategien zu eigen machen, in Der anhaltende Reiz des Nationalismus prägnanter:

“Industrialisierte Nationen haben ihr ursprüngliches Kapital durch Enteignung, Deportation, Verfolgung und Segregation, wenn nicht gar immer durch Vernichtung von Menschen, die als legitime Beute bestimmt werden, beschafft. Sippschaften wurden gebrochen, Umgebungen wurden zerstört, kulturelle Orientierungen und Gepflogenheiten wurden ausgerottet.

Nachkommen der Überlebenden solcher Angriffe haben Glück, wenn sie auch nur das kleinste Relikt bewahren können, den fliehendsten Schatten der Kulturen ihrer Vorfahren. Viele der Nachfahren behalten nicht einmal Schatten; sie sind vollkommen entleert; sie gehen arbeiten; sie vergrößern weiterhin den Apparat, der die Kultur ihrer Vorfahren zerstört hat. Und in der Welt der Arbeit sind sie an den Rand verbannt, zu den unangenehmsten und am schlechtesten bezahlten Jobs. Das macht sie wahnsinnig. Ein Supermarktpacker beispielsweise kann mehr über das Lager und die Bestellungen wissen als der Manager, kann wissen, dass Rassismus der einzige Grund dafür ist, dass nicht er der Manager ist und der Manager kein Packer. Ein Security kann wissen, dass Rassismus der einzige Grund dafür ist, dass er kein Polizeichef ist. Es ist unter Menschen, die all ihre Wurzeln verloren haben, die davon träumen Supermarktmanager und Polizeichef zu werden, wo die nationale Befreiung ihre Wurzeln schlägt; das ist der Ort, an dem Anführer und Generalstab geformt werden.

Der Nationalismus übt weiterhin seinen Reiz auf die Entleerten aus, weil andere Aussichten trostloser erscheinen. Die Kultur der Vorfahren wurde zerstört, daraus lässt sich schließen, anhand pragmatischer Standards gemessen, dass sie versagt hat; die einzigen Vorfahren, die überlebt haben, waren jene, die sich an das System der Invasoren angepasst haben, und sie überlebten an den Rändern von Mülldeponien. Die unterschiedlichen Utopien der Dichter und Träumer und die zahlreichen ‘Mythologien des Proletariats’ haben auch versagt, sie haben sich in der Praxis nicht bewährt, sie sind nichts gewesen als heiße Luft, Tagträume, Luftschlösser; das aktuelle Proletariat ist genauso rassistisch gewesen, wie die Bosse und die Polizei.

Der Packer und der Security haben den Kontakt zur alten Kultur verloren; Tagträume und Utopien interessieren sie nicht, sind tatsächlich abgewehrt durch die Geringschätzung des Geschäftsmannes gegenüber Dichtern, Herumtreibern und Träumern. Der Nationalismus bietet ihnen etwas Konkretes, etwas, das seit langem erprobt ist und von dem bekannt ist, dass es funktioniert. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund für die Nachfahren der Verfolgten verfolgt zu bleiben, wenn der Nationalismus ihnen die Aussicht bietet, Verfolger zu werden. Nahe und entfernte Verwandte von Opfern können ein rassistischer Nationalstaat werden; sie können selbst Menschen in Konzentrationslager pferchen, andere Menschen nach Lust und Laune herumschubsen, genozidalen Krieg gegen sie führen, ursprüngliches Kapital beschaffen, indem sie diese enteignen. Und wenn rassistische Verwandte von Hitlers Opfern das tun können, so können das auch nahe und entfernte Verwandte der Opfer von Washington, Jackson, Reagan oder Begin.

Jede unterdrückte Bevölkerung kann eine Nation werden, ein fotografisches Negativ der Unterdrückernation, ein Platz, wo der ehemalige Packer der Supermarktmanager ist, wo der ehemalige Security Polizeichef ist. Indem man die korrekte Strategie anwendet, kann jeder Security dem Beispiel der prätorianischen Wachen des antiken Rom folgen. Die Sicherheitspolizei eines ausländischen Minenkartells kann sich als Republik ausrufen, das Volk befreien, bis ihm nichts anderes übrig bleibt, als zu beten, dass die Befreiung irgendwann enden möge. Sogar vor der Machtergreifung kann eine Gang sich eine Front nennen und heftig besteuerten und konstant kontrollierten armen Menschen etwas anbieten, das ihnen noch fehlt: eine tributeintreibende Organisation und ein Mordkommando, genauer zusätzliche Steuerpächter und eine Polizei, eine, die diesen Menschen gehört. Auf diese Weise können Menschen von den Zügen ihrer viktimisierten Vorfahren befreit werden; all die Relikte, die immer noch aus präindustriellen Zeiten und nicht-kapitalistischen Kulturen überlebten, können endlich permanent ausgerottet werden.

Die Vorstellung, dass ein Verständnis des Genozids, eine Erinnerung an die Holocauste, Menschen nur dazu bringen kann, das System niederzureißen, ist irrtümlich. Der anhaltende Reiz des Nationalismus legt nahe, dass das Gegenteil wahrer ist, nämlich dass ein Verständnis der Genozide Menschen dazu gebracht hat, genozidale Armeen zu mobilisieren, dass die Erinnerung an Holocauste Menschen dazu gebracht hat, Holocauste zu begehen. Die sensiblen Dichter, die sich der Verluste erinnerten, die Forscher, die diese dokumentiert haben, sind wie die reinen Wissenschaftler gewesen, die die Struktur des Atoms entdeckt haben. Angewandte Wissenschaftler verwendeten die Entdeckung wie man den Atomkern spaltet, dazu Waffen zu produzieren, die jeden Atomkern spalten konnten; Nationalisten verwendeten die Poesie, um menschliche Bevölkerungen zu spalten und zu fusionieren, genozidale Armeen zu mobilisieren, neue Holocauste zu begehen.”

Flower Bomb drückt einen im Grunde ähnlichen Gedanken in dem Text “Really though, not all “black” people give a fuck about “white” dreads”, von dem auch eine deutschsprachige Übersetzung als hübsche Broschüre kursiert, etwas anders aus:

“Die geteilte Erfahrung im Kapitalismus “schwarz” zu sein, ist nur auf die Identität beschränkt. Nur weil Menschen die gleiche(n) institutionalisierte(n) Form(en) der Unterdrückung teilen, bedeutet das nicht automatisch, dass sie die gleichen Visionen und Absichten teilen, wie sie zu zerstören sind. Dies sind wichtige Unterschiede, die nicht abgeflacht werden sollten. Während diese Gruppen ihre betäubenden Versuche fortsetzen, ein neues System des Rassenessentialismus in der Schale des alten zu erschaffen, haben einige von uns Spaß daran, alle Systeme zu zerstören. Meine Anarchie ist eine existenzielle Erweiterung der Individualität jenseits der Grenzen rassenbasierter (und geschlechtsspezifischer) sozialer Konstrukte. Wenn sie von “schwarzer und brauner” Einheit gegen Rassismus und Faschismus sprechen, dann sagen einige von uns: Alle gegen Rassismus und Faschismus und auch gegen die festen Identitäten, die letztere funktionsfähig machen. Wo das Chaos mit der Emanzipation und dem grenzenlosen Potenzial, das sich daraus ergibt, blüht, wird Individualität zu einer Kriegswaffe gegen Kontrolle und kategorischer Enge. […]”

Eine meiner Meinung nach differenziertere Auseinandersetzung mit Nationalismus, die nicht einfach die sehr realen Erfahrungen, dass die Black Panthers autoritäre Nationalstaaten unter schwarzer Führung unterstützten, die im Endeffekt die koloniale Ausbeutung ihrer Bevölkerung beinahe unvermindert fortsetzte, mit dem meiner Meinung nach schwachen Argument beiseitewischt, dass die nationalistische Propaganda vielen Schwarzen dabei half, sich nicht als minderwertige Existenzen zu begreifen, liefert das Essay “Nationale Befreiung & Anarchismus – Reaktionär oder Revolutionär” von Saint Andrew (S. 173).

Saint Andrew definiert eine Nation als “eine imaginäre Gemeinschaft von Menschen, die sich auf der Grundlage einer gemeinsamen Sprache, Geschichte, Abstammung, Gesellschaft oder Kultur bildet und sich ihrer Autonomie bewusst ist.” Daher ist der “nationale Befreiungskampf” für ihn ein Kampf gegen das einer solchen Nation auferlegte Verhältnis von Ausbeutung und Unterdrückung. Also ein Kampf einer Nation gegen ihre Unterdrückung durch eine andere und das kann unterschiedlichste Formen annehmen, wobei eine bestimmte Form, nämlich die des Nationalismus von ihm als diejenige Form definiert wird, bei der in der Regel durch die Angehörigen der Nation bzw. eben diejenigen, welche sich anmaßen in ihrem Namen zu sprechen, ein unabhängiger Staat geformt werden soll. Eigentlich ist damit klar, dass Anarchist*innen mit Nationalismus nichts zu tun haben können. Saint Andrew scheut sich jedoch vor dieser Absolutheit und bringt den Revolutionären Schwarzen Nationalismus ins Spiel, dem er seinen Platz im Kampf gegen Patriarchat, den Kapitalismus und den Staat attestiert. Zudem führt er den kurdischen nationalen Befreiungskampf der PKK als ein Beispiel für nationale Befreiung an, bei der man sich zugleich gegen einen Staat gestellt hätte.

Ich denke, dass, obwohl Saint Andrew versucht, auseinanderzuklauben, was an nationalen Befreiungskämpfen mit anarchistischem Denken vereinbar ist und was nicht, er vor allem an dem Ballast dessen, was er zuvor als Nation definiert hat, scheitert, scheitern muss, eine anarchistische Perspektive zu entwickeln. Wenn man eine Nation als eine “imaginäre Gemeinschaft” definiert, dann zeigt dies meiner Meinung nach zugleich auch das Problem an diesem Konstrukt auf: Es handelt sich hier eben um eine “imaginäre Gemeinschaft”, also eine Konstruktion, die geschaffen wurde, um über dem Individuum zu stehen und die folglich immer auch ein Instrument sein wird, Autorität zu rechtfertigen. Vielleicht wird das besonders anhand seines Beispiels des kurdischen nationalen Befreiungskampfes sichtbar. Man kann sich sicherlich trefflich darüber streiten, ab wann etwas ein Staat ist. Ob nur weil es keine formelle Bindung diverser parlamentarischer, polizeilicher und juristischer Institutionen – die es in Rojava allesamt gibt – an eine Verfassung oder etwas ähnliches gibt (dafür aber durchaus eine gewisse “Parteitreue”), und nur weil es teilweise konkurrierende Polizeien, Parlamente, Justizen gibt, eine Konstellation wie die in Rojava kein Staat ist, würde ich persönlich ja in Frage stellen. Nichtsdestotrotz ist diese Frage für mich irrelevant, denn nur weil es keinen (formellen) Staat gibt, ist etwas noch lange nicht anarchistisch, d.h. ohne Herrschaft. Das Problem dabei kann man durchaus an der konstruierten kurdischen Nation festmachen. Denn es ist eben bloß eine imaginäre Gemeinschaft. In Wahrheit jedoch sind es hunderte, ja sogar tausende reale kurdische Gemeinschaften, die hier unter der Flagge einer Nation vereint werden (und das gleiche gilt auch für die afroamerikanischen Gemeinschaften, die im Schwarzen Nationalismus als eine Nation betrachtet werden). Und wenn eine bestimmte Gemeinschaft (die PKK, bzw. ihre entsprechenden bewaffneten und unbewaffneten Arme) nun mehr oder minder beansprucht, für diese imaginäre kurdische Gemeinschaft zu sprechen, Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen, usw., dann werden am Ende wiederum Gemeinschaften und Individuen unterdrückt.

Bei all dem stimme ich natürlich sowohl Saint Andrew als auch Ashanti Alston zu, wenn diese den Kampf der schwarzen Bevölkerung gegen ihre Unterdrückung als einen Kampf von Bedeutung ansehen. Das tue ich auch. Aber muss man deshalb die Probleme nationalen/nationalistischen Denkens und ihre Widersprüchlichkeit mit dem Anarchismus unter den Teppich kehren?

Ist die Anarchie demokratisch?

Der meiner Meinung nach von manchen Anarchist*innen (inklusive der Black Autonomy Federation) nur halbherzig vollzogene Bruch mit dem (schwarzen) Nationalismus, er ist möglicherweise auch im Text “Die kommunale Kontrolle der schwarzen Gemeinschaft” (S. 52 ff.) der Black Autonomy Federation prägend dafür, dass meiner Meinung nach äußerst unappetitliche Vorschläge eines polizeiartigen Parastaates Teil dieser Perspektive sind, in deren Zentrum die Bildung autonomer, aber föderierter, schwarzer Kommunen steht, die dank einer verwirrenden Wortverdrehung, die finanzielle staatliche Einflussnahmen, die schon seit den 1960er Jahren schwarze Befreiungsbewegungen befriedet, zersetzt und unschädlich gemacht haben, zu einer Art Bankraub verklärt (anstatt einfach den Bankraub als Mittel der Finanzierung vorzuschlagen! Eine Praxis, die der schwarzen Befreiungsbewegung alles andere als fremd ist), sogar eine staatliche Finanzierung erhalten sollen. Nicht nur demokratisch gewählte Räte sieht diese Kommune vor, sondern nicht zuletzt auch einen schulischen Indoktrinationsapparat, während eine Föderation dieser Kommunen “mit einer Stimme in allen Angelegenheiten” sprechen solle. Während die Frage einer schwarzen Polizei innerhalb dieser Kommunen zwar schlicht unbehandelt bleibt, macht dieser Text vielmehr offensichtlich, dass es selbstverständlich auch die üblichen repressiven Institutionen eines Staates in dieser Kommune geben würde, wenn die Rede davon ist, “in Schulen, Gemeindezentren, Gefängnissen und in schwarzen Gemeinden in ganz Nordamerika Veranstaltungen zur Bewusstseinsbildung für Schwarze ab[zu]halten – die Kindern und Erwachsenen Schwarze Geschichte und Kultur, neue befreiende soziale Ideen und Werte sowie Beratungs- und Therapietechniken zur Lösung von Familien- und Eheproblemen beibringen würden […]”. Wer die Institution der Familie und Ehe mittels Therapie und Co. erhalten will, der wird schon wissen, warum man lieber einfach nichts zu Knästen und Polizei sagt.

Auch wenn ich persönlich finde, dass Texte wie dieser in einer anarchistischen Textsammlung nichts zu suchen haben, bilden solche demokratischen Ausfälligkeiten eher eine Ausnahme und bleiben auch nicht unwidersprochen. “Unterstützen Anarchist*innen die Demokratie?” (S. 167), fragt etwa ziq und kommt dabei zu dem Schluss:

“Die Demokratie ist seit jeher ein Synonym für klassenbasierte Gesellschaften. Sie hat ganze Länder in zwei kaum unterscheidbare politische Parteien (konservativ und “progressiv”) gespalten, die sich dennoch ständig an die Gurgel gehen. Selbst in ihren libertärfreundlichsten Formen hat es immer wieder versagt, Hierarchie, Zwang und die autoritären Machenschaften von Mehrheitsgruppen zu verhindern. Du kannst nicht versuchen, ein künstliches System, das so brutal hierarchisch ist wie die Demokratie, durch eine vermeintlich egalitärere Version desselben Systems zu ersetzen und es Anarchie nennen. Du musst das ganze verrottete System über Bord werfen” (S. 172).

Wenn womöglich der von der Black Rose Anarchist Federation herausgegebene Reader “Black Anarchism” eine der ursprünglichen Inspirationen für die Textsammlung Schwarze Saat gewesen sein mag, so lässt sich generalisierend, aber dennoch eine gewisse Wahrheit beanspruchend, behaupten, dass es gerade jene Beiträge sind, die im englischen Vorbild nicht enthalten sind und die zudem mit der auf anarchistische Organisationen fixierten Perspektive brechen, die dieses Vorbild aus naheliegenden Gründen hochhält, die meiner Meinung nach die spannendsten Perspektiven in Schwarze Saat ausmachen.

Die Revolte beginnt bei uns selbst

Dass die Umwälzung aller Verhältnisse bei einer*m selbst beginnt, ist nun wirklich zu einer Binsenweisheit geworden, die viel zu oft wie ein Mantra wiederholt und ihres eigentliches Inhalts beraubt von einigen ewiggleichen Nörgler*innen (häufig in Form eines Privilegiendiskurses) gegen jene gewendet wird, die ohne dies beständig vor sich hinzubeten den Angriff auf etwas anderes als ihre ewig “mangelnde Reflektiertheit” vorschlagen oder praktizieren. Umso erfreulicher ist es, wenn der Ruf nach mehr Auseinandersetzung mit der eigenen Domestizierung (und Vergeschlechtlichung – Geschlecht ist meiner Meinung nach, da schließe ich mich “Gegen den vergeschlechtlichten Albtraum” aus baedan Vol. 2 an, eine der – und zwar eine der grundsätzlicheren – Kategorien in die wir “hineindomestiziert” werden) eine klare Analyse vorzulegen vermag und den liberalen Reflex ablegt, als Gegenteil einer Revolte gegen die äußeren Zwangsverhältnisse daherzukommen.

In “Kindheit und die psychologische Dimension der Revolution” (S. 405) beschreibt Ashanti Alston den Domestizierungsprozess, in dem jedes Kind in dieser Gesellschaft gebrochen wird und die gesellschaftlichen Regeln indoktriniert bekommt. Ausgehend davon, dass das Kind durch die Familie und die innerhalb dieser stattfindende Erziehung gebrochen wird und lernt, zu GEHORCHEN, beschreibt Ashanti Alston, wie sich jedes Kind dabei eine Maske erschafft, durch die reaktiven Versuche mit den traumatischen Erfahrungen der 6.000 bis 10.000 Jahre alten Kultur, in die es hineingezwängt wird, umzugehen. Diese Maske “dient dazu, die gerechten Ströme der Lebensenergie zu binden und zu verzerren, um sie in sozial akzeptables, pathologisches Denken, Fühlen und handeln umzuwandeln … was eine Gesellschaft charakterisiert, die auf Rassismus, Klassismus, Sexismus, Imperialismus, Profithunger, Krieg und andere antihumanistische Tendenzen ausgerichtet ist.” Diese Maske abzustreifen, meint Ashanti Alston, “ist vorbereitend und unausweichlich, wenn wir unsere hohen verbal ausgedrückten Ziele erfolgreich verwirklichen wollen.” Aber wie lässt sich das erreichen?

“Zunächst durch die Erkenntnis, dass in der heutigen Phase des wissenschaftlichen Kapitalismus die repressive (psychische) Beherrschung und (soziale) Verwaltung der Gesellschaft zu einem fortgeschrittenen “1984” wird – wissenschaftlich, produktiv und total. Als Malcolm X von ihren Kräften sprach, uns zu manipulieren und uns denken zu lassen, dass unsere wahren Freund*innen unsere Feind*innen sind und umgekehrt, wusste er selbst, dass die Manipulation tief in unsere Seelen reicht. Sie ging tief genug, um uns glauben zu machen, dass wir unser eigenes Denken und Handeln tun. Und Malcolm hatte nur DIE SPITZE des Eisbergs durchdrungen.

Niemand ist immun gegen die psychische Beherrschung, die dieses unterdrückerische Monster, oder ‘Gott’, über uns hat. Die unsichtbare Maske hält diese Herrschaft aufrecht, diese blinde Sucht nach Autoritarismus. Sie unterdrückt die instinktiven Freiheitswünsche eines Menschen. Das gilt selbst dann, wenn man ALLEIN ist und KEINE SICHTBARE politische oder polizeiliche Kraft in der Nähe ist. Wie Sklav*innen, die nicht vom Meister wegrennen, wenn sie losgekettet werden und kein physisches Hindernis in Sicht ist. […]”

Also töte den Bullen in deinem Kopf? Nun, so einfach will eine*n Ashanti Alston wohl nicht davon kommen lassen.

“Jede*r dessen Einstellung ist, dass er*sie bereits revolutionär (oder menschlich) genug ist und keine weiteren Veränderungen mehr durchmachen muss, ist offensichtlich eine selbstversklavte Person, die damit zufrieden ist, in der gleichen alten Form stecken zu bleiben. Diese Art von Mensch kann sich nicht selbst helfen und wird sich wahrscheinlich auch nicht von anderen helfen lassen, wenn sich diese negative Anti-Freiheits-Haltung nicht in eine Haltung ändert, die ein Zeichen dafür ist, dass man sich der Welt der positiven “Reize”, des Guten in den Menschen, der bereichernden, befreienden Erfahrungen und dergleichen öffnet.

Ich würde ja dazu neigen zu sagen: Jede*r, der von sich denkt, sich in einem Idealzustand (sei es ein revolutionärer oder menschlicher oder irgendein anderer) zu befinden, der*die ist halt ein*e Dogmatiker*in und als solche*r gewissermaßen natürlich selbst versklavt. Ja, töte den Bullen in deinem Kopf, und töte auch gleich die Politikerin, den Virologen, den Rassist*in und den Patriarchen, ebenso wie die Sklavin, den Arbeiter, den*die Schönheitsprinz*essin, den Patienten und den Gläubigen, die sich dort ebenfalls befinden. Und ja, ein*e jede*r, die*der das jemals ernsthaft in Angriff genommen hat, weiß, dass das ein schmerzhafter und beständiger Prozess ist. Ich denke jedoch, dass es diesem Prozess niemals zuträglich ist, und das meine ich auch hier bei Ashanti Alston zu erkennen, wenn wir uns dabei gegenseitig be- und verurteilen, wenn wir einen Wettkampf daraus machen, wer die “aufrichtigsten” (und das heißt eigentlich selbstmitleidigsten) Reden über die eigenen Schwächen und Beschädigungen schwingt, wenn wir übersehen, dass in jedem aufrichtigen Handeln, das von der in unserem Herzen noch immer lodernden Flamme der Freiheit ausgeht, immer auch eben jener Versuch steckt, das “innere Ghetto” zu zerstören. Denn dann gefallen wir uns letztlich darin, mit unseren sogenannten Schwächen und Beschädigungen zu leben, anstatt sie in einem Akt der Stärke erst zu akzeptieren und dann als solche zu überwinden.

Überlegungen zum Rassismus

Was ich mich vielfach bei der Lektüre jener Texte gefragt habe, die ihre Analysen rund um eine Auseinandersetzung mit Rassismus entwickeln, ist, inwiefern dieser nordamerikanische Kontext tatsächlich 1:1 hierher, auf den deutschsprachigen Raum, ja auf den mitteleuropäischen Raum im Allgemeinen übertragen werden kann. Ich will nicht sagen, hier gäbe es keinen Rassismus, um Himmels Willen … Sicherlich nicht. Auch hier werden Schwarze und People of Color von Bullen ermordet, von Neonazi-Gruppen ermordet, sie üben oft die schlechtbezahltesten und gesundheitsschädlichsten Jobs aus, werden bei der Wohnungssuche diskriminiert, werden viel häufiger Opfer polizeilicher Kontrollen als Weiße, werden wenn sie keine Arbeit haben und keinen deutschen Pass besitzen, des Landes verwiesen, werden in Lagern eingepfercht und auf abertausende Arten und Weisen daran erinnert, dass sie nicht zur weißen Herrenrasse gehören und folglich all diese Schikanen zu erdulden hätten. Aber: Formal gilt der offen geäußerte und individuell ausgelebte Rassismus in weiten Teilen der Gesellschaft als unschicklich. Jedes Kind weiß heute, dass man nicht Neger sagt, Unternehmen stellen ihr fortschrittliches Denken unter Beweis, indem sie eine*n Quotenschwarze*n in ihren Aufsichtsrat aufnehmen, die NGO-getriebene und als Flüchtlingshilfe euphemisierte Verwaltung von Flüchtlingen boomt geradezu vor Ehrenamtlichen, reiche Bonzen gefallen sich darin, schwarze Bedienstete/Knechte einzustellen und ihnen trotzdem den vollen Hungerlohn zu bezahlen, den sie ihren weißen Vorgängern gezahlt haben, und es gehört im linken Bürgertum geradezu zum guten Ton, bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit seinen schwarzen Freund*innen anzugeben, während eine angeblich antirassistisch motivierte fairtrade-Bewegung unkritisch mit Kolonialwaren handelt und von “Kindern in Afrika” gefertigte, koloniale Kunst verkauft, um die Erlöse an jene NGOs zu spenden, die damit im globalen Süden ihre Bevölkerungspolitik finanzieren. Ändert das etwas an den rassistischen Verhältnissen? Gewiss nicht, vielmehr kaschiert es sie. Aber angenommen es würde, wie liberale antirassistische Aktivist*innen das vielleicht anstreben, gelingen, dass ein*e Schwarze*r hierzulande tatsächlich gleich behandelt wird, wie ein*e Weiße*r, wäre der Rassismus dann besiegt? Auch wenn ich persönlich bezweifle, dass sich so tief sitzende Ideologien wie der Rassismus in einer Gesellschaft einfach wegreformieren lassen, so denke ich, dass der derzeitige Fokus, der bei der Analyse von Rassismus auf Diskriminierungen und Privilegien innerhalb dieser (westlichen) Gesellschaft gelegt wird, von den sehr viel brutaleren, tödlicheren und stetig voranschreitenden rassistischen Prozessen ablenkt, die außerhalb der Mauern der Festung Europa vor sich gehen.

Das macht nicht ungültig, was Lorenzo Kom’boa Ervin, die Black Autonomy Federation und weitere in den in Schwarze Saat abgedruckten Texten im Großen und Ganzen als die Triebkraft des Rassismus analysieren, dass nämlich die Unterdrückung der Schwarzen und anderer PoC wie sie heute in Nordamerika verbreitet ist, noch immer die Reform der historischen Sklaverei darstellt und Schwarze nach wie vor jene tödlichen, gesundheitszerstörenden Jobs zu geringfügiger Entlohnung – oder, im Falle von Knastarbeit, so gut wie gar keiner – zu verrichten gezwungen sind, von denen einige weiße Bonzen auch weiterhin profitieren. Wenn man dies auf den hiesigen Kontext überträgt, so ist das auch nicht weniger wahr. Die antirassistische Bewegung hierzulande, ebenso wie in weiten Teilen Nordamerikas jedoch, blendet häufig den globalen Kontext dieser rassistischen Unterdrückung aus: Dass nämlich der Kolonialismus niemals aufgehört hat, dass die politische Administration von den weißen Kolonialherren vielfach an lokale, schwarze Despoten abgetreten wurde, die die ebenfalls schwarze Bevölkerung im Namen der weißen Kolonialherren weiter knechten, dass die Kredite der Weltbank und die vermeintlichen “Hilfsprogramme” verschiedener, sogenannter Philantropen diese nationalen Administrationen in eine Abhängigkeit gezungen haben, dass Bevölkerungspolitik, sei es mit Sterilisationsversuchen oder durch industrielle Landwirtschaft und patentiertes Saatgut induzierte Hungersnöte, dazu dient, die Bevölkerungen der einstigen Kolonien in die Rohstoffminen und auf die Plantagen zu treiben und dort festzuhalten, wo sie ein Dasein als Sklav*innen fristen, während um sie herum ein Krieg zwischen ihren nationalen Ausbeuter*innen darum entbrennt, wer von ihnen der Sklaventreiber sein darf; geführt mit Waffen aus dem Westen. Und wer vor dieser unsäglichen Vernichtung ganzer Lebensräume flieht, landet in den diversen Flüchtlingslagern, die dazu dienen, die Menschenströme weit vor der Festung Europa abzufangen und fernab der Augen der westlichen Bevölkerung verrecken zu lassen, während diejenigen, denen es gelingt, diesen Lagern zu entkommen entweder im Mittelmeer ersaufen, an den Grenzen Europas eingesperrt werden oder bei erstbester Gelegenheit dorthin zurück deportiert werden, von wo sie ihre Flucht begonnen haben.

Das gesamte kapitalistische System basiert auf dieser kolonialen, rassistischen Unterdrückung ganzer Bevölkerungen und der ökozidalen Vernichtung ihrer Lebensräume. Während die antirassistische Bewegung hier – und das gilt teilweise auch für die in Nordamerika – von kultureller Vielfalt spricht und daran arbeitet den Rassismus gegen Menschen, die bereits im Westen leben, hinter Sprachreformen und Quoten-Posten in Politik, Wirtschaft und Kultur zu verbergen, vernichtet dieses System weltweit die eigentliche Vielfalt von Lebensweisen zunehmend.

Es ist nicht so, dass nicht auch einige Beiträge in Schwarze Saat diese Kritik an kolonialer rassistischer Unterdrückung äußern würden, insbesondere die Texte von ziq, aber auch Elanys Text “Werkzeuge des Anarchismus Teil 2: Über Entkolonialisierung (und die technologische Komponente des Kolonialismus)” (S. 359) sind hier schonungslos. Angesichts der immer weiter voranschreitenden ökologischen Zerstörung im globalen Süden und der Involviertheit der kapitalistischen Akteur*innen hierzulande, steht die Entwicklung konkreter anarchistischer Perspektiven ebenso wie Strategien im Kampf gegen diese Form des kolonialen Rassismus weiter aus, aber wie Elany in ihrem Text nahelegt, könnten die Fäden dieser Kämpfe vielleicht dort wo antizivilisatorische Analysen die industrielle Todesmaschinerie enttarnt haben und antitechnologische Kämpfe damit begonnen haben, die Technologie zu zerstören, wiederaufgenommen werden.

Wer das Brot erobert, erobert und verteidigt die Industrie

Einer der bärtigen Propheten einer bestimmten Spielart des Anarchismus hatte damals eine Vision. Die Eroberung des Brotes sollte Wohlstand für Alle bringen. Kurz gesagt: Kostenloses Brot für alle. Und wer hätte da schon etwas dagegen? Nun, wozu das Brot erobern, wenn man auch Kuchen essen kann, mag einer dazu einfallen, aber ich fürchte der von ziq formulierte Einwand “Verbrennt das Brotbuch” (S. 515) wird auch die Kuchen-statt-Brot-Ernährungslehre entmystifizieren. Der Einwand ist geradezu banalen Charakters, aber doch unmittelbar einleuchtend: Um Brot zu backen bedarf es einerseits ausreichend Getreide und andererseits einer Menge Holz, um die Backöfen zu heizen. Heißt: Es ist erforderlich, Wälder zu roden, um die Öfen zu befeuern und das Getreide anzubauen, mit allen bekannten Folgen, dass nämlich die Böden vergiftet und weggespült werden und die einst auf dem Land lebenden Tiere größtenteils aussterben. Sprich: Man braucht gar nicht allzu viele Jahre Brot backen und wird schließlich merken, dass die Felder immer weniger Ertrag abwerfen. Man muss also noch mehr Wald roden, den auf dem Land seiner Nachbar*innen, denen man damit wiederum ihre Lebensgrundlage raubt, usw. Man zerstört also Stück für Stück die Natur, die einst in der Lage gewesen ist, alle Menschen zu ernähren und man wird nichteinmal mehr die eigentliche Ursache für diese Zerstörung erkennen.

Ob die Brotproduktion nun kapitalistisch ist, wie heute, oder kommunistisch, das ist für dieses Problem herzlich egal. Und weil es für die indigenen Nachbar*innen von jenen, die vielleicht Anarcho-Kommunist*innen mit den besten Absichten sein mögen, “egal [ist], dass die Bulldozer jetzt im kollektiven Besitz sind oder dass das Land, auf dem sie seit Jahrtausenden leben, jetzt “dem Volk” (der zivilisierten Mehrheit) gehört und nicht mehr dem Staat oder dem Kapital”, werden sich gewisse Konflikte einstellen, in denen es, um weiter Brot produzieren zu können unmöglich ist, nicht zu drastischen Maßnahmen zu greifen:

Wenn Menschen nicht damit einverstanden sind, von ihrem angestammten Land vertrieben zu werden, um in den Industriebetrieben und Fabriken zu arbeiten, die die Zerstörung ihrer Heimat vorantreiben, werden sie als “Kulaken”, “Konterrevolutionäre” und “Reaktionäre” abgestempelt und systemtisch ermordet, meist durch die Zerstörung ihrer Nahrungsquellen.

So anekdotisch und scheinbar banal ziqs Argument auch sein mag, es ist doch unmittelbar einleuchtend. Und ein klein wenig peinlich berührt muss man doch an all die vielen eigenen Worte denken, mit denen man die Industrie und ihre Verteidiger*innen immer angegriffen hatte. Dabei wäre es doch so einfach gewesen …

Und nun?

Schwarze Saat endet mit einem von Übersetzer*in Elany und ihrem Vater Samuel geschriebenen “Manifest” in Anführungszeichen, einem “Wildpunk-’Manifest’”. Zugegeben: Ich hasse Manifeste, Programme, usw. und es erinnert mich immer wieder an Tiqqun und das Unsichtbare Komitee, wenn autoritäre Begriffe in Anführungszeichen gesetzt werden, um der*dem Leser*in zu versichern, dass man sich des autoritären Charakters bewusst ist, nur um im weiteren Verlauf genau diesen autoritären Charakter anzupreisen. Nein, ein “Manifest” ist ebenso ein Manifest, wie auch eine imaginäre Partei eine Partei bleibt. Aber auch wenn ich mich entschieden dagegen wende, an diesem neokommunistischen, okkulten Spiel um althergebrachte Institutionen in Anführungszeichen, des Unsichtbaren oder der Einbildung teilzunehmen, will ich nicht unfair werden. Immerhin lautet der erste Punkt dieses “Wildpunk-’Manifests’”:

“Wildpunk entwickelt kein Programm für die Zukunft und hält nichts von vorgefertigten Bauplänen. […] Während du liest, denke darüber nach, was für dich persönlich mitschwingt und was nicht. Erschaffe dein eigenes Manifest. Wildpunk ist so wild wie die Anarchie selbst.”

Also schön, ein Programm in Anführungszeichen, das nicht nur sagt, dass es gar kein Programm ist, sondern auch dazu auffordert, Programme, inklusive es selbst abzulehnen und stattdessen selbst zu denken. Also doch nur ein literarischer Kunstgriff ohne autoritäre Absichten. Da könnte sich die imaginäre Partei ja noch eine Scheibe abschneiden.

Aber was sagt uns dieses Nicht-Programm nun? Eigentlich ziemlich viel sympathisches. Ich würde ein grundlegendes Uneinverständnis über die Bedeutung, die dem Werk “Desert” in dem gesamten Text verliehen wird (als “wahrscheinlich wichtigstes anarchistisches Werk der jüngeren Zeit”), bekunden, zumal es bloß ein paar alte Thesen wieder aufwärmt, ohne einen konkreten Kampf vorzuschlagen, aber davon abgesehen bereitet es mir Freude zu sehen, dass auch andere die Zerstörung der Industrie und die Sabotage an den (technologischen) Infrastrukturen der Herrschaft in den Mittelpunkt ihrer Perspektive stellen.

“Der zentrale Angriffspunkt der kapitalistischen Zivilisation ist die Industrie, welche die Erde und unsere Körper vergiftet hat. Wildpunk kämpft nicht dafür, die Produktionsmittel zu übernehmen, sondern die Mittel der Zerstörung zu ergreifen und sie verdammt nochmal zu sabotieren und niederzubrennen.”

Und auch all den Klimabewegten, die bisher noch einer der zentralen Lügen des grünen Kapitalismus aufgesessen sind, und jede Hoffnung auf eine Abwendung der Klimakrise bei gleichzeitiger Bewahrung der westlichen, zivilisierten Lebensweise in sie gesetzt haben, haben Elany und Samuel etwas wichtiges zu sagen:

“Wildpunk erkennt, dass vermeintlich grüne Energien nicht grün sind. Egal was die Herrschenden uns auch auftischen wollen, jede dieser Energien wurzelt in einem beispiellosen Ökozid. Energieinfrastrukturen, auch die angeblich grünen, sind weitere wunde Angriffspunkte der Herrschaft.”

***

Insgesamt ist Schwarze Saat ganz gewiss ein Buch zum stöbern, ein Buch in dem sich die eine oder andere Entdeckung machen lässt, ein Buch in dem sich definitiv viele spannende Texte finden, die erstmals ins Deutsche übersetzt wurden. Und ganz gewiss ist Schwarze Saat ein unbequemes Buch für alle Angehörigen des hiesigen Ally-Industriekomplexes, oder, wie ich vorziehe, sie zu nennen, Feiglinge (“Another word for white ally is coward”), die auf der Suche nach den Stimmen derjenigen Quoten-Schwarzen, die ihre befremdlichen “anarchistischen” Utopien, die sich im Wesentlichen kaum von der heutigen Realität westlicher Lebensweisen unterscheiden, bestätigen sollen, unweigerlich mit jenen Positionen konfrontiert werden, die Anarchist*innen immer schon von Indigenen und zahlreichen schwarzen Communities gelernt haben oder immerhin lernen hätten können: Dass die gesamte Zivilisation ein einziger Vormarsch der Herrschaft ist.

Schwarze Saat kann als PDF aus den Tiefen des Internets, unter anderem von der Webseite feralfire.noblogs.org gesaugt werden. Ob derzeit noch gedruckte Ausgaben verfügbar sind, ist mir aufgrund der Tatsache, dass der herausgebende Schwarze Pfeil aufgrund von staatlicher Repression eingestellt wurde, unklar. Gewisse, auf den Ausverkauf anarchistischer Szeneidentitäten und fair gehandelte Kolonialwaren (wie Bekleidung und Kaffee) spezialisierte Versandhändler listen das Buch jedoch weiterhin zum Kaufpreis von 13,12 Euro in ihrem Sortiment auf.


[1] Ob das Ganze unbedingt unter dem Namen Schwarze Saat firmieren musste, was den Anschein erweckt, es würde sich bei mehr als nur ein paar Texten um Übersetzungen aus Black Seed handeln (und ich denke mein Unbehagen besteht hier darin, dass es gerade der syndikalistische und fortschrittsorientierte Kram aus guten Gründen wohl kaum jemals in eine Black Seed Ausgabe geschafft hätte), sei einmal so dahingestellt.

[2] Also ja, ich verstehe das Ressentiment, das aus solchen Aussagen spricht, sehr gut, gerade angesichts bestimmter “Anarchist*innen” innerhalb dessen, was sich als der deutschsprachige Anarchismus zu inszenieren versteht, die außer einer Akademisierung des Anarchismus nicht gerade viel beizutragen haben, die sich aber immer wieder dennoch in die Kämpfe (schwarzer, ebenso wie weißer) Anarchist*innen einmischen und meinen, mit dieser oder jener philosophischen Haarspalterei die sehr realen Angriffe auf die Herrschaft als nicht-anarchistisch delegitimieren zu müssen. Es mag auch die Tendenz geben, dass Persönlichkeiten wie Kropotkin, Bakunin, Proudhon, usw. von jenen rezitiert werden, die solch große Worte schwingen, aber sich am Ende des Tages ganz gut in einer vermeintlich anarchistischen Nische des Akademiebetriebs eingerichtet haben werden und von diesem Elfenbeinturm herab meinen, die Kämpfe anderer entweder dirigieren zu können oder kommentieren zu müssen, allerdings sollte man jene Zeitgenoss*innen nicht mit Bakunin oder Kropotkin oder beinahe all ihren Vorbildern aus längst vergangenen Zeiten selbst verwechseln. Während Kropotkin zwar vielleicht viel philosophiert hat und möglicherweise wenig Steine geschmissen haben mag, so hat er sich doch auch soweit an subversiven (publizistischen und organisatorischen) Tätigkeiten beteiligt, dass er in den Knast gewandert ist, hat Unterstützung für andere Anarchist*innen organisiert und wie viele andere Anarchist*innen sein Leben ganz der Revolution verschrieben. Ich mag mit Kropotkins Positionen sehr häufig uneinverstanden sein, aber ich denke nicht, dass man deshalb sagen kann, er hätte nicht versucht das zu leben, was er verzapfte – auch entgegen aller Widrigkeiten, die das mit sich brachte. Und was selbst für einen Kropotkin gilt, das gilt für einen Bakunin, der buchstäblich den revolutionären Ereignissen nur so hinterherjagte, umso mehr …

[3] Und besonders wo eine Identität rund um Indigene Anarchist*innen geschaffen werden soll, stellen sich gewiss manch einer*m die Haare zu Berge. So stieß etwa der im Buch veröffentlichte Text “Einen indigenen Anarchismus anpeilen” von Aragorn! (übrigens erschien bereits kurz vor Veröffentlichung von Schwarze Saat, im Juni 2021, ebenfalls eine Übersetzung dieses Textes unter dem Titel “Ortung eines indigenen Anarchismus” gemeinsam mit dem Text “Ein nicht-Europäischer Anarchismus” in einer Broschüre), nachdem er in Black Seed Issue 8 erneut abgedruckt worden war, durchaus auf eine gewisse Kritik, die etwa in der sehr empfehlenswerten Broschüre UNKNOWABLE. Against an Indigenous Anarchist Theory von Klee Benally elaboriert wird und die sich vielleicht grob mit folgenden Auszügen umreißen lässt: “Wenn von Anarchismus die Rede ist, dann verorten wir darin eine Affinität hinsichtlich unserer Feindschaft gegenüber denjenigen, die sich uns aufgezwungen haben. Aber wir weigern uns, zu politischen Artefakten reduziert zu werden, also weckt das auch unsere Feindschaft gegenüber anarchistischer Identität, wenn nicht gegenüber dem Anarchismus insgesamt. Wenn gefragt wird ‘Wie können wir einen indigenen Anarchismus verorten’ und ‘Wie können wir heilen und unsere Leben frei von kolonialer Einschränkung leben?’, dann besteht unsere erste Reaktion in einer Ausweitung unserer Feindschaft; Es gibt keine indigene anarchistische Theorie und vielleicht sollte es niemals eine geben.” Und: “Die tiefere Erkundung eines indigenen Anarchismus könnte unserer Meinung nach im Wesentlichen zwei Wege einschlagen: Der eine wäre der der aktivistischen Akademiker*innen (sowohl indigene, als auch siedlerische) aus einer anthropologischen und philosophischen Perspektive, der absolut keine Berührungspunkte mit jenen hat, die sich näher an den Feuern der Autonomie in unseren Landen befinden (und gewiss lehnen wir diesen Weg entschieden ab), der andere Weg wäre chaotisch, mutig, leidenschaftlich, experimentell, voller Widersprüche. Er würde im Rauch um die Feuer geteilt werden und von Träumen sprechen. Er wird zwischen dem Stilllegen von Pipelines, dem Einschmeißen der Scheiben von Unternehmen und Zeremonien verlaufen. Er wäre in Hooghans und Trailerparks zu finden. Er wäre etwas, das sich all seinem Wesen nach nicht festlegen lassen würde, das sich niemals in die Gefilde des Erfassbaren bringen lassen würde, wo es eine Erweiterung der kolonialen Ordnung von Ideen und Existenzen wäre. Er würde sich selbst unbegreifbar machen.”

[4] Das derzeitige Oberhaupt der Nation of Islam, ein Nationalist, der für eine vollständige Rassentrennung eintritt und der auch den Antisemitismus als eine herkömmliche Triebkraft des Nationalismus für seinen Schwarzen Nationalismus einzusetzen weiß, wenn er die Juden als Schuldige der Unterdrückung seiner eigentlich überlegenen, jedoch unterdrückten Rasse ausgibt.

Kammmolche [1] fackeln Molchschule ab – Warum wir die ZAD angegriffen haben

Attaque, 29. Juli 2021

„Ich hatte ganz einfach nicht gesehen, wo diesmal, diskret, aber sicher, der Reformismus durchschlüpfen würde, da, wo man doch tausende Male von Aufstand und Autonomie spricht.“

Die Bewegung ist tot… Es lebe die Reform. 2017

Die Zad, sie war unser Piratenschiff, die Mutter aller Zads. Sie erschien in einer Epoche ohne Ausweg, und es war, als würde die Welt ein bisschen erträglicher werden. Wie ein kurzer Lichtschein, eine Möglichkeit, die den dicken und klebrigen Nebel unserer Zukunft durchbrach. Für uns, die ein bewegtes Leben außerhalb der Norm führen, war es die Gewissheit, dass es immer einen Ort geben wird, um uns im Falle einer Flucht aufzufangen. Ein Ort, wo der Staat nicht hineingehen würde um uns zu holen. Ein Ort, an dem wir immer Verbündete finden würden, um uns zu nähren, zu kleiden und uns in den Falten seiner Bocage-Landschaft zu verstecken.

Und eben diesem Staat, der uns erdrückt, uns tötet, uns jagt, wurde die Zad vor drei Jahren von einer Handvoll Opportunisten übergeben. Von jenen, die bis zum Vortag noch dieses Territorium als „vom Staat getrennt“ verkündet haben.

Dieser abscheuliche Verrat im Rücken derer, die auf den Barrikaden gegen die Bullen kämpften, wird nicht vergessen werden. Besonders nicht, wenn die lokale Komintern das Projekt einer Molchschule startet, um drei Jahre dessen zu feiern, was ihnen als Sieg herhalten muss.

Auf den Planchettes [2] wiederaufbauen?  Wie nicht angesichts dieser xten Provokation vor rasender Wut frohlocken? Wie nicht zur Rache für den zerstörten Osten aufrufen?

Und dieses langsame Abrutschen, das sich in der ZAD abgespielt hat, um in den Armen des Feindes zu landen? Wir müssen noch einmal diese schreckliche Geschichte zusammensetzen, uns wieder und wieder fragen, was hätte gemacht werden können, um dieses Fiasko zu verhindern. Seitdem finden wir nichts besonderes in den Kämpfen mehr, denen wir begegnen, als wären wir nach diesen Ereignissen blind geworden.

Das ist die Geschichte, wie wir sie erlebt haben.

Lange haben wir an die Erzählung der Einheit und der Diversität der Taktiken geglaubt, wie man sie in den seelenlosen Pamphleten von Mauvaise Troupe finden kann. Die Jahre vergehen, das Leben in der ZAD ist geprägt von Querelen, die uns anstrengen, und Räumungsgerüchten, die uns Sorgen bereiten. Für sie fahren wir in die südlichen Länder um zu trainieren, testen wir Molotow-Cocktail-Rezepte, vergraben wir Kisten voller Material im Wald von Rohanne.

Ja, die Jahre sind schnell vergangen seit César [3], die Geschichten der Auseinandersetzungen mit dem Hof von Saint-Jean-Du-Tertre werden immer hartnäckiger. Stück für Stück wird der visionäre Spitzname, den man Saint-Jean gegeben hat, Teil der Alltagssprache, und beendet damit wütende Tiraden.

Die Konflikte, die rund um die Aufspaltung in Klassen [innerhalb der ZAD][4] begonnen haben, vertiefen sich. Am Vortag der Räumungen distanziert sich eine ganze Reihe der privilegiertesten Besetzer.innen vom „Zadismus“ [5], verlässt das Bewohner.innen-Plenum um das Nutzungs-Plenum zu gründen: diese neue Entscheidungsinstanz spricht sich das Recht zu, über die Zukunft des Bodens zu entscheiden und integriert in diesem Prozess bürgerliche und Vereins-Orgas, die nichts mit der Besetzung zu tun haben.

Anfang 2018 verkündet die Macht die Aufgabe des Flughafenprojektes. Im Fernsehen kann man einige Gesichter bekannter Besetzer.innen sehen, die in der Vacherie feiern und vor den Kameras posieren. Dieselben Gesichter, die man in dieser Zeitung mit einer Cap des [zweitgrößten Gewerkschaftsbunds in Frankreich] CGT gesehen hat, in jenem Aufstand in schwarzer Regenjacke. Dieselben Gesichter, die willkürlich und im Namen der Bewegung versprechen, die D281 wieder aufzumachen [6], zentraler Strang des Nervenkriegs, der zum Sieg gegen die César-Operation geführt hat.

Am Tag nach der Ankündigung der Regierung werden wir Zeug.innen einer Farce eines Plenums, wo über das Schicksal der Route des Chicanes entschieden wird. Einer der neu eingesetzten Chefbürokraten bestimmt die Gesprächsgrundlagen: die Menschen, die die Zone nicht bewohnen, haben kein Mitspracherecht. All jenen, die seit zehn Jahren bei der kleinsten Krise, beim geringsten Fieber auf diesem Territorium zu Hilfe eilten, spricht man, nun, wo das Ganze vorbei ist, jedes Recht ab, Einfluss auf das Schicksal und die Rettung des Mutterschiffs zu nehmen.

Da die Versammlung zu keinem Konsens hinsichtlich der Route des Chicanes kommt, wird der abscheuliche Julien Durand dies mit der Unterstützung des CMDO [7] und aller aus der Schicht der Meistprivilegierten der Bewegung [8] mittels des gewaltsamen Abrisses entscheiden. In diesem bestürzenden Video [9], das von der Groupe G.R.O.I.X. gedreht worden ist, sieht man (5’29), wie das CMDO anstelle der Polizei eine Hütte räumt. In den Sekunden, die dem vorangehen, erklärt uns der abscheuliche Julien Durand die Strategie, die da umgesetzt wird.

Am 26. Januar erzählt die sympathische Camille den Kameras, dass der Abriss der D281 eine Entscheidung ist, die von der gesamten Bewegung getroffen worden ist. [10] Man wird sie einige Monate später mit der Präfektin Nicole Klein bei ihrem Besuch zur Begutachtung der Wiedereroberung [11] anstoßen sehen, begleitet von ihren Freunden von der Riotière und Saint-Jean-Du-Traitre.

Einen ganzen Zwangs- und Normalisierungsapparat setzt die Regierung nun in Gang, und das ohne einen einzigen Aufseher in die Zone gesetzt zu haben.

Diese progressive Übernahme, die in der ZAD stattgefunden hat, erzeugt in uns ein starkes Gefühl des Déjà-Vu:

Die Konstruktion eines Gründungsmythos, das sich vergangene Siege zuschreibt (Plogoff, Larzac), die Inkarnation einer Bewegung durch ein „Wir“, das die Erzählung von vorneherein ausrichtet, da diese nur die reformistischsten und vorzeigbarsten Ränder der Bewegung integriert, die Verwendung eines Neusprechs, das alles möglichst breit vereinen will: Squats werden Communs, das eisige „Kamerad“ hat die „copaines“ [Freund.innen] ersetzt. Eine ganze Literatur entfaltet sich, in der man von Nutzung statt von Eigentum spricht, von Befreiung der Böden statt von Grundbesitz.

Und dann dieses kalte und autoritäre Gesicht, das uns auf einmal bekannt vorkommt, das sich einige grobe Gesten erlaubt, vielleicht um wissen zu lassen, dass der Zwang nicht nur politische Umwege nimmt und sich auch bedrohlicher zeigen kann: im Oktober wird ein Besetzer, der gegen die Freiräumung der D281 war und einen Teil der Straße beschädigt hatte, zusammengeschlagen, in einen Kofferraum gepackt und vor einer Psychiatrie gefesselt liegen gelassen. [12] Anfang November zensiert das CMDO einen Text, der die Abreise von Radio Klaxon [13] von der ZAD erklärt.

All jene jedoch, die weit weg von all diesen Intrigen waren, sind trotzdem bei den ersten Kriegsvorzeichen in die Zone geeilt. Was für ein seltsames Gefühl, wieder in der ZAD zu kämpfen, sechs Jahre nach César, und nur noch eine immobile, gleichförmige und kriegerische Masse vorzufinden, die sich hinter einem Frontzug einreiht und machtlos vor den Barrikaden steht. Wo sind die Clowns? Wo die Ungehorsamen? Und die alte Dame, die weiße Rüben auf die Baggerlader warf? Ein ästhetischer Reichtum ist verloren gegangen.

Doch das ist nicht alles, der „Support“ wird in gewisse Sektoren einquartiert und in absoluter Unwissenheit über die laufenden Verhandlungen gehalten. Auf den Barrikaden ist das CMDO zu beschäftigt, um anwesend zu sein, und Mauvaise Troupe scheint sogar so beschäftigt damit zu sein „die ZAD zu verteidigen“, dass sie eine touristische Reise ins Baskenland unternimmt [14]. Aus dem Westen erreicht uns per Hörensagen, dass eine sehr wichtige Gruppe von Freund.innen, die gekommen waren um zu kämpfen, von den Bewohner.innen weggeschickt worden sind.

Nicht nötig Bürokrat.in der Politikwissenschaften zu sein um zu verstehen, dass da etwas faul ist. Am 20. April 2018, während hunderte Personen aus ganz Europa herbeiströmen um die ZAD zu verteidigen und seit zwei Wochen Gas und Granatenexplosionen ausgesetzt sind, verrät das CMDO den Kampf und übergibt der Präfektur die Normalisierungsdossiers, die vom Staat verlangt wurden und die ausschließlich die festen Bauwerke beinhalten. [15]

Die Mitglieder des CMDO erklären alsdann den Medien, einen Schritt auf den Staat zugegangen zu sein, und dass sie im Gegenzug einen Gegenschritt in ihre Richtung von ihm erwarten würden. Auf dieses antwortet die Präfektin Nicole Klein folgendes: „Wenn Sie wollen, habe ich mir gedacht, dass sie das viel früher hätten machen können. Sie haben eine beachtliche Arbeit geleistet, sie haben uns Tabellen, Namen, Projekte präsentiert, also haben sie die Arbeit gemacht. Das heißt, dass sie immerhin fast so weit waren.“ Sich davon ausgehend vorzustellen, dass einige Orte ihre Bewahrung vor der Räumung verhandelt haben, würde eine Verschwörung aufdecken, nicht wahr?

In diesem toxischen Klima, in dem die Masken Stück für Stück fallen, verdient der Schriftsteller Alessi Dell’Umbria den Orden fürs Überlaufen, der mittels des Mediums Lundi Matin am 19. April erklärt: „Die Bewohner der ZAD werden sich also vollständig gefesselt den Verwaltungsbehörden ausliefern müssen, die genau damit beauftragt sind, die Zerstörung der bäuerlichen Welt voranzutreiben; sich ihren Normen und ihren absurden Prozeduren unterwerfen, die dazu gemacht sind nur die Agro-Industrie überleben zu lassen.“ [16] Dann, am 1. Mai, zitiert er ohne rot zu werden einen historischen Bauern des Kampfes: „In jedem Krieg verhandeln die Feinde… Das ist offensichtlich.“ [17] Offensichtlich! Wir haben hier die perfekte Illustration der Reversibilität der französischen Autonomie.

Am 14. Mai verkündet die Regierung, dass von 40 Dossiers, die bei der Präfektur eingereicht worden sind, 15 für einen befristeten Pachtvertrag geeignet sind. Am 14. September macht der französische Staat seine Wiedereroberung des verlorenen Territoriums der Republik offiziell. [11]

In der Folge wird das CMDO und Konsorten die Seile zum aufständischen Erbe kappen, mithilfe dessen sie sich bereichert haben.

Mauvaise troupe wird ein grobes Storytelling über den Sieg in Notre-Dame-des-Landes auffahren, das auf ein aus Ökos bestehendes Publikum abzielt, die sich im letzten Moment auf die Seite der ZAD geschlagen haben, und Mitgliedern der wohlhabenderen Klassen. Publikum, das sogar die Kohle locker macht, das „die Erde befreien wird“, indem man Grund kauft. [18] Zufällig entdecken wir in einem Magazin eines Bioladens eine Fotoreportage, in der Besetzer.innen, ohne sich auch nur ein bisschen zu schämen, vermummt vor einer Barrikade posieren und Geige spielen. [19] Einige Wochen nach der Räumung wird das inzwischen bettlägerige „Maison de la Grève“ [Streikhaus] sogar die Dreistigkeit haben, die Zone als „kommunistische Kriegsmaschine“ [20] zu bezeichnen.

Wir wissen, dass der Organisationsmodus und die Ideen, die am Ursprung des Kompromisseschließens mit Staat und Wirtschaft stehen, im „appelistischen“ Milieu wurzeln. Trotzdem denken wir, dass es absurd wäre, diese Praktiken heute auf dieses historische Netzwerk zu beschränken. Wenn auch die vorherrschenden Ideen innerhalb der Autonomie auf gewisse Art zutiefst von den Imaginären des Unsichtbaren Komitees beeinflusst sind, so hat man die letzten Jahre beobachten können, wie sich diese mit einem feministischen und ökologischen Lack überzogen haben, um die Rekrutierung attraktiver zu machen.

Als Sahnehäubchen dieses authentischen Fiaskos, das die Verteidigung der ZAD gewesen ist, verkündet das CMDO, zum 3. Geburtstag seines Sieges eine Molchschule auf einem der historischen Orte, die während der Räumung zerstört worden sind, zu errichten: Les Planchettes.

In der Schlacht, die sich dort abgespielt hat und die sich anderswo in jedem Moment unseres Lebens abspielt, versuchen wir eine Realität zu weben, um leben zu können.

Während der Kapitalismus und alle Herrschaftssysteme auf ihrer Seite einen allgemeinen Rahmen gestalten und auferlegen, der uns zwingt, von dieser Realität aus zu handeln, erschien die Zad wie eine gastfreundliche Insel.

Es stimmt, dass, wollen wir uns von der Tyrannei dieser Bestie befreien, die alle anderen Realitäten auffrisst, man zweifelsohne ein Universum gestalten muss, das uns eigen ist und das mithilfe unserer List und unserer Entschlossenheit nicht verschlungen werden wird.

Was wir hauptsächlich in der Zad wiederentdeckt haben, auf den Zads, ist der Wald. Da, wo einige nur Nutzung und eine klingende und wohlgewichtete Summe an Ressourcen gesehen haben, um die Autonomie aufzubauen, haben wir auf unserer Seite die Möglichkeit eines radikal anderen Lebens wiederentdeckt. Dieses Leben ist für uns ein Erlernen der Freiheit gewesen. Die Zad ist für uns vor allem die Geschichte eines Teils der westlichen Welt, der die Möglichkeit eines Lebens außerhalb der Prinzipien der Zivilisation wiederentdeckt.

Ein bisschen weiter von der Stadt entfernt, von den familiären Verpflichtungen getrennt, den aktivistischen Pflichten, der produktivistischen Logiken, die man bis weit in unsere sogenannten befreiten Zonen mit ihren Märschen voller Fantastereien und messianischen Figuren wiederfindet, haben wir wieder angefangen ein volles und komplexes Leben zu führen.

Dort haben wir Möglichkeiten erhaschen können, um zu entfliehen und bescheiden unsere kleinen Hüttenwelten neu zu erlernen und zu erfinden, die Prämissen einer neuen Magie zu gestalten und uns vor den Blicken derer zu verstecken, die ihre Gesetze auferlegen, um besser wiederaufzutauchen und anzugreifen.

Andere wiederum haben im Gegenteil vor allem die Möglichkeit gesehen neue Räume zu restaurieren und Kalorien aus dem Boden zu ziehen. Der Kampf hat sich bald in eine Buchhalterlogik eingefügt, in eine Logik zu rettender Orte und zu nutzender Ackerböden. Wieder einmal hat die aktivistische und materialistische Planifizierung über die poetische und feinfühlige Dimension gesiegt, welche aus einer Revolte mehr als nur einen Haufen an Techniken macht, die man der Welt entgegenstellt, nämlich gut und gern eine Lebensart.

Jene, die kalt strategisieren und an unserer statt ihre Kämpfe planen, werden uns immer was von Sentimentalität, Neugestaltung der Welten und von Allianzen erzählen. Ihr Blick auf die Natur ist nur das, was hinsichtlich der vorherrschenden Ökobewegung am vorteilhaftesten ist: eine Verschiebung des reformistischen Standpunkts, der in diesen Zeiten ausreichend Resonanz findet, um Orte zu besetzen und sich als neues System der Gouvernementalität zu etablieren.

Es stimmt, dass die Herrschaft in Zeiten der Antiglobalisierungsbewegung weiterhin fortgeschritten ist, indem sie sich neu konstituiert hat. Dieser ruhige kleine Kampf, unter dem Deckmantel der Inklusivität, der gegenseitigen Anerkennung von Vermittlung und Dialog, scheint die moderne Strategie zu sein um sich dem anzunähern, was bisher vollkommen verschieden war, um es besser zu erreichen und zu assimilieren. Die Allianz nützt einem jeden, die Rekonstituierung absorbiert und erodiert auch das Zerbrechlichste.

Schnell hat sich der herrschende Rand der Zad, der sich in der Politik des CMDO verkörpert, welche der Partisanenlogik seiner hochrangigsten Mitglieder treu ist, als politische Walze etabliert.

Diese Realität, nach dem Vorbild der unterschiedlichen Herrschaftssysteme, will unaufhörlich das, was ihr nicht ähnelt, absorbieren, verschlingen, verdauen und auflösen.

Wenn eine Welt um jeden Preis ihren Aufschwung strategisiert, ihr Wachstum optimiert und ausrichtet, ohne die Ethik, die doch die Nahrung ihrer Revolte gewesen ist, mit einzubeziehen, dann gesellt sie sich zum Marsch der Welten des Todes und der Vernichtung, die es zu bekämpfen gilt.

Ihr könnt uns viel von Kohlmeisen und japanischem Staudenknöterich erzählen. Ihr erwartet von den Pflanzen und den Vögeln, dass sie eure eigenen Pläne umsetzen, von deren Legitimität ihr überzeugt seid. So steuert ihr die materialistische Entfremdung der sozialen und Arbeiterkämpfe bis in die wilden Gebiete, indem ihr gemeinsame Absichten mit dem vorgebt, was euch nicht ähnelt, um es besser zu assimilieren. Doch es gibt Dinge, die weder ihr noch die, die nach herrschaftlicher Kontrolle lechzen, jemals kontrollieren werdet. Umso besser.

Es wurde alles getan, damit von der unglaublichen Vielseitigkeit der Verhältnisse zur Welt, die auf der Zad vorhanden waren, nur die triumphierende Vitrine der Sieger übrig bleibt.

Diejenigen, die das Monopol ihrer Anwesenheit organisiert haben, indem sie mit dem Staat verhandelt haben, diejenigen, die aus der Ferne zugesehen haben, als die Hütten von den Bullen dem Erdboden gleicht gemacht wurden, haben in ihrem Größenwahnsinn ein Ensemble von Zeichen, Praxen und eines Glaubens erschaffen, um die Arbeit der Kolonisierung unserer Vorstellungskraft fortzusetzen.

Bald hat die Forstverwaltung unsere Biwaks im Wald ersetzt.

Da, wo wir versucht haben, direkte Beziehungen bei Konflikten zwischen Individuen oder kollektiven Konflikten neu zu erlernen, sprachen sie von gemeinschaftlicher Mediation [médiation communautaire].

Grundstückskäufe wurden in ihrem Mund Landnahmen.

Der Nicht-Utilitarismus des Lebendigen wurde dadurch ersetzt, in den Versammlungen zu entscheiden, welche Bäume sie fällen wollen.

Die Stämme derjenigen ohne Boden, ohne Eigentumsrecht wurden letztlich von den Bauernkollektiven niedergestreckt.

Die sogenannte kommunale Horizontalität [horizontalité communale] hat die individuelle freie Assoziation gesprengt.

Was uns betrifft, wählen wir lieber das Feuer als ihren falschen Frieden.

Ihr Museumsökologismus ist eine Lüge.  Einige der befreiten Leben haben mehr zwischen den Hecken und den Hochwäldern dieser Zone gelernt, als man jemals auf den selbstgebauten Bänken dieser Schule unterrichten wird.

Die wahren Räume zum Lernen haben sie zum Tode verurteilt. Eure Schule, wie der Rest, ist nur ein weiteres Räderwerk um eine Welt nach eurem Bilde herzustellen.

Auf unserer Seite haben wir gelernt, dass viele Fallen und Schwierigkeiten sich auf den Wegen zur Emanzipation verstecken können, dass das, was sich uns entgegenstellt, unterschiedlichste Formen annehmen kann und dass es nie zu spät ist, um sich zu rächen. Die Schutzrunen auf dem Dachstuhl werden daran nichts ändern.

Zapatistische Compas, hört und seht jene, die euch aufnehmen.

Ihr werdet zweifelsohne trotz der heuchlerischen Masken die Kälte und das Kalkül jener lesen können, die von sich behaupten, dem willkürlichen Terror der Herrschaft entkommen zu sein, um diese nach ihren Vorstellungen neu zu lenken.

Im Bild der indianischen Kriege gesprochen verbünden sich einige Stämme mit dem Eroberer. Auch wenn das Überleben eines Volkes unter bestimmten Umständen eine solche Entscheidung aufzwingen kann und es kompliziert wäre hier darüber zu debattieren, ging es auf der Zone nur um ein bisschen Land.

Kein Weg ist perfekt. Einige haben ein Herz. Andere sind nur ein Hauch von Arroganz und Kalkül.

Aus all diesen Gründen haben wir uns entschieden, ins Herz dieser Expansionslogik zu schlagen, die inzwischen die Zad beherrscht, und jener, die sich mit ihr verbünden. Der Bau einer Schule der Erde im Herzen des Ostens, der von der Aufgabe des Kampfes verwüstet wurde, hat eine klare Antwort verdient.

In der Nacht vom 5. auf den 6. Juli haben wir uns im Morgengrauen in die Planchettes geschlichen, wo sich die Baustelle des zukünftigen Bauwerks befindet. Während wir erwarteten, ein Werk vorzufinden, das am Rande seiner Vollendung steht, sind wir auf einen nackten Dachstuhl getroffen, der in eine Betonplatte eingelassen war. Da wir nicht die Mittel hatten, das Ganze vollständig abzufackeln, haben wir die Hauptbalken durchgesägt, ehe wir zu ihren Füßen Bauholz aufgeschichtet haben, das wir angezündet haben. Außerdem haben wir alle Zelte und Baustellenstrukturen sorgfältig aufgeschlitzt, die vor Ort zu finden waren.

Während unserer Operation befand sich eine Person nur wenige Meter entfernt in einer Behausung. Das hat uns weder daran gehindert in ihre Kompostklos zu scheißen noch unsere Rache zu vollenden. Wir haben geduldig gewartet, dass ihre Stirnlampe ausgeht, und mehrere Brände gelegt, ehe wir wieder mit der Nacht verschmolzen.

Wir widmen diese Aktion allen Personen, die die toxische und repressive Logik erlitten haben, die vom CMDO und seiner Welt auferlegt worden ist.

Einige Geister


[1]  Anm. d. Übers: Die Gegend rund um die Zad von Notre-Dame-des-Landes ist das Habitat des „triton crêté“, des Kammmolchs, eine vom Aussterben bedrohte Salamanderart. Über die Jahre sind die „tritons crêté“ (das französische Wort crêté bezeichnet auch den Irokesenschnitt und ist auch ein Wort für „Punks“) eine ironische Bezeichnung für Personen geworden, die die ZAD verteidigen.

[2] Anm. d. Übers.: Les Planchettes war ein historisches Zentrum auf der ZAD gewesen, das 2012 zerstört und dann wieder besetzt worden war. Später war es Teil des „Osten“-Viertels, und grenzte direkt an die Route des Chicanes/D281, was die Gegend war, die am meisten von den Räumungen 2018 zerstört wurde.

[3] Anm. d. Übs.:  Am 16. Oktober 2012 haben die französische Bereitschafts- und Militärpolizei die ZAD angegriffen, um sie zu räumen. Die starke Verteidigung vor Ort und die massive Mobilisierung in ganz Frankreich (mit vielen Solidaritätsangriffen – siehe „Avé César, adieu! Chronologie des actions en solidarité avec la ZAD sous expulsion“) war erfolgreich darin, diesen Räumungsversuch zu stoppen.

[4] „A propos de mépris de classe“: https://zad.nadir.org/spip.php?article1798

[5] „Le mouvement est mort Vive la… réforme!“: https://infokiosques.net/spip.php?article1530

[6] Pressekonferenz über die ZAD – 17. Januar 2018

[7] Definition aus Zadissidences 2: „Comité pour le Maintien De l’Occupation“ [Komitee zur Aufrechterhaltung der Besetzung] ist eine Gruppierung von Besetzer-innen unterschiedlicher Orte in der ZAD, deren Initiativen hauptsächlich darauf abzielen, sich mit den „Komponenten der Bewegung“ zu spektakulären Ereignissen gegen den Flughafen zu organisieren und sich „eine Zukunft ohne Flughafen“ auszumalen. Diese anfangs geheime Gruppe hat sich mit der Zeit vom Rest der Besetzung „autonomisiert“, da sie die Kritiken – nämlich mit den anderen „Komponenten“ die Entscheidungen der Bewegung zu privatisieren – nicht akzeptierte, die, sobald ihre Existenz bekannt wurde, wegen ihrer Methoden gegen sie vorgebracht wurde.

[8] Zadissidences 1, s. den Artikel „Contre l’aéroport – et pour son monde, ou quoi?“ [„Gegen den Fluhafen – aber für seine Welt, oder was?“]
https://infokiosques.net/lire.php?id_article=1549

[9] https://www.youtube.com/watch?v=TMw1dpEeSEE

[10] NDDL: die ehemalige „Route des Chicanes“ freigeräumt

[11] France 3 TV, „Notre Dame des Landes: La reconquête [Die Wiedereroberung]“: https://www.youtube.com/watch?v=NTDygyO5jBU

[12] ZAD von Notre-Dame-des-Landes: Perquisitions en cours [Laufende Ermittlungen]

ZAD de Notre-Dame-des-Landes : Perquisitions en cours (MAJ du 25/01)

[13] Notre-Dame-des-Landes: Silence Radio. Radio Klaxon est morte… vivent les radios pirates! [Radio Ruhe. Radio Klaxon ist tot… es leben die Piratensender!]
https://fr.squat.net/2018/11/04/notre-dame-des-landes-silence-radio/

[14] 15. Mai 2018 „Découvrir Errekaleor. Un quartier intégralement squatté au Pays basque nouvelle brochure de la Mauvaise troupe“ [Errekaleor entdecken: Ein vollständig besetztes Viertel im Baskenland neue Broschüre von Mauvaise troupe]: https://zad.nadir.org/spip.php?article5813

[15] Notre-Dame-des-Landes: 40 projets nominatifs ont été déposés [40 namentliche Projekte beantragt] – https://youtu.be/XjUU1s8rKyo

[16] https://lundi.am/ZAD-pour-l-autodefense-et-la-communalite-par-Alessi-Dell-Umbria

[17] https://lundi.am/ETRE-SUR-ZONE-Par-Alessi-Dell-Umbria

[18] https://encommun.eco/

[19] Magazin Kaizen Nr. 52

[20] Lundi Matin, la Zad est morte, vive la Zad. [Die Zad ist tot, es lebe die Zad.]

[Montreal, Kanada] Erneute störende Aktionen in Solidarität mit den Wet’suwet’en nehmen (wieder) die Filialen der Royal Bank of Canada ins Visier

In der Nacht des 06. Februar 2022 haben nicht-indigene Allies in Montreal (Tio’Tia:Ke) ihre Solidarität mit dem Gidimt’en Stamm der Wet’suwet’en Nation gezeigt. Sie antworten damit auf einen Aufruf der Ältesten der Wet’suwet’en, Kanada in Reaktion auf die Invasion ihres Gebietes, des Yintah durch die RCMP [Bundespolizeieinheit] im dritten Jahr in Folge, lahmzulegen.

Wir haben uns vieler verschiedener Taktiken bedient: Eingeworfene Fensterscheiben, verklebte Schlösser und Kartenlesegeräte und angesprühte Einrichtung mit dem Schriftzug „Fuck RBC“ versehen, damit alle Kunden der Royal Bank of Canada (RBC) wissen, warum ihre Bank in den letzten 5 Monaten beständig angegriffen wurde.

Die Wet’suwet’en leisten gerade Widerstand gegen den Bau einer Ölpipeline durch Costal GasLink, ein Unternehmen von TransCanada Energy – das in Kanada bekannt dafür ist, die Energy East Pipeline bauen zu wollen –, auf ihrem Stammesgebiet. Unter anderem gefährdet der Bau der Pipeline den Wedzin Kwa River, da die Pipeline unter ihm hindurch laufen soll. Dieser Fluss dient als eine Quelle für Wasser und Fisch und ist für die traditionellen Praktiken der Wet’suwet’en von zentraler Bedeutung.

Es waren kleine und einfache Aktionen und wir ermutigen alle, mit ihren vertrauten Freund*innen zusammenzukommen und all die unterschiedlichen Wege auszuprobieren, auf die wir die RBC abfucken können. Tatsächlich haben verschiedene Solidaritätsaktionen an verschiedenen Orten im sogenannten Kanada in den letzten Wochen stattgefunden. Der Aufruf zu Solidaritätsaktionen gilt weiterhin: „Der Gidimt’en Stamm lädt dich dazu ein, Demonstrationen und Aktionen in deiner Region zu organisieren. Er ruft außerdem dazu auf, den Druck auf die Regierung, die Banken und Investoren zu erhöhen, […] zu Spenden […] und in das Camp zu kommen.“

Solidarität mit allen Menschen, die Widerstand leisten! Nein zu Coastal GasLink!


Übersetzung eines Textes bei Montreal Counter-info.

KURZSCHLUSS Nr. 5

Hello Again, da sind wir wieder!

Habt ihr uns vermisst?

Pünktlich zur anstehenden Invasion unserer Körper durch die staatlich verordnete nanotechnologische Spritze haben wir wieder einmal etwas Senf produziert, den wir nur allzu gerne ungefragt und ohne jedes Erbarmen der Debatte hinzu geben.

Wo der Corona-Pass uns nun beinahe überall einteilt in „gesund“ und „ungesund“, wo Solidarität bedeutet sich eine Spritze geben zu lassen, während ein paar hundert Kilometer entfernt Flüchtlinge an den Grenzen verrecken und Aufständische von Bullen erschossen werden, wo bei allem Gesundheitswahn sowie der sich überall geradezu aufdrängenden, aber keineswegs neuen Erkenntnis, dass eine zerstörte Biosphäre in ihrem Todeskampf wohl auch uns Menschen verschlingen und mit in den Tod reißen wird, ernsthaft die Atomkraft ihr Comeback feiert, da bleibt wie immer nur eines zu tun:

Erzeugen wir einen Kurzschluss im Netzwerk der Herrschaft! Jenseits jeder Politik und Ideologie!

Das PDF ist wie immer zum hundert-, tausend- und hunderttausendfachen ausdrucken und verteilen gedacht.

Aus dem Inhalt:

  • Einlass nur mit Corona-Pass??? Fickt euch!
  • Bleibt gesund! Ein guter Witz
  • Willkommen in der Zukunft
  • Impfpflicht? Natürlich dagegen!

… sowie zahlreiche Nachrichten von Kurzschlüssen in der industriellen Todesmaschinerie der letzten Monate.


Übernommen von Indymedia.