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[Bristol, UK] Toby Shone erklärt seinen Fall aus den Kerkern des Gefängnisses von Bristol

Hallo, mein Name ist Toby Shone. Ich bin Anarchist und derzeit im Gefängnis von Bristol inhaftiert, nachdem ich von einer Antiterroreinheit mit vorgehaltener Waffe im Rahmen der Operation Adream im UK gekidnapt wurde. Die Repression zielte auf das (in Worten und Taten) anarchistische 325 Kollektiv und die Webseite 325.nostate.net (die aufgrund einer Serverbeschlagnahme seitdem nicht mehr erreichbar ist; Anm. d. Übers.) ab. Die Operation Adream ist ein gemeinsamer Angriff des Britischen Staates und weiteren Europäischen Partnerstaaten gegen anarchistische Aktionsgruppen, Gegeninformationsprojekte, Gefangenensolidaritätsinitiativen und die neue anarchistische Kritik an der technologischen Singularität und der Vierten und Fünften Industriellen Revolution. Die Operation Andream ist die erste, bei der die Antiterrorgesetze des UK gegen die hiesige anarchistische Bewegung eingesetzt werden.

Ich wurde vom Regime am 18. November 2020 als Geisel genommen; durch ein mit Strumgewehren bewaffnetesTeam der Cops, nach einer Jagd durch den abgelegenen Forst von Dean, der sich an der Grenze zu South Wales befindet, eine Stunde in nördlicher Richtung von Bristol entfernt. Zeitgleich fanden koordinierte Razzien an fünf Adressen im Forst von Dean gegen kollektive Hausprojekte, Treffpunkte und einen Lagerraum statt. Ich wurde von bewaffneten Bullen auf eine nahegelegene Polizeiwache gebracht, wo ich in Isolation gesteckt wurde und viele viele Male verhört wurde. Ich weigerte mich während der Verhöre zu sprechen und ich habe mit den Mördern in Uniform nicht kooperiert.

Mir wurden vier Akte des Terrorismus vorgeworfen. Einer davon fiel unter Paragraph 2, die Verbreitung terroristischer Publikationen als ein verdächtigter Administrator von 325.nostate.net. Zwei fielen unter Paragraph 58, den Besitz von Informationen, die den Zwecken des Terrorismus dienlich sind. Dabei handelt es sich um zwei Videos. Eines zeigt, wie sich ein Sprengsatz improvisieren lässt. Und das andere demonstriert, wie ein Mobilfunkmast abgefackelt werden kann. Ich wurde außerdem beschuldigt, nach Paragraph 15 den Terrorismus finanziert zu haben, was mit den Cryptowährungskonten, die auf der 325.nostate.net Webseite angegeben waren und die der Unterstützung anarchistischer Gefangener und Publikationen dienten. Ich habe all diese Vorwürfe bestritten.

Ich wurde während der Verhöre auch der Mitgliedschaft in der FAI/IRF, der Informellen Anarchistischen Föderation/Internationale Revolutionäre Front, bezichtigt. Ich wurde angeklagt, fünf Dokumente verfasst zu haben und zahlreiche Aktionen in der Region von Bristol durchgeführt zu haben, zu denen sich die Zellen der FAI bekannten, ebenso wie diejenigen, zu denen sich Earth- und Animal-Liberation Fronts bekannt haben. Das umfasste unter anderem einen Brandanschlag gegen die Polizeiwache, das Abfackeln eines Mobilfunkmasts und die Befreiung von Tieren.

Bristol ist eine Region des UK, in der es während der letzten beiden Dekaden zahllose anarchistische Sabotageakte und Direkte Aktionen gegeben hat, die von der Polizei nicht aufgeklärt werden konnten, obwohl millionenschwere Ermitlungen angestellt wurden und gemeinsam mit der Presse regelrechte Hexenjagden gegen Anarchist*innen in der Stadt veranstaltet wurden.

Aus den kollektiven Räumen und Treffpunkten, die im Zuge der Operation Adream gerazzt wurden, beschlagnahmten die Cops hunderte Exemplare des 325-Magazins #12, sowie dutzende anarchistische Broschüren, Bücher, Sticker, Plakate und Flyer, Laptops, Mobiltelefone, Drucker, Festplatten, Kameras, Jammer, GPS-Einheiten, Rauch-, Knall- und Blitz-Täuschkörper, Nachbildungen von Feuerwaffen und Bargeld. Das gegen mich erhobene Beweismaterial umfasste zahlreiche anarchistische Publikationen, darunter das 325-Magazin #12, das sich um die vierte und fünfte Industrielle Revolution dreht, das Pamphlet „Incendiary Dialogues“ von Gustavo Rodríguez, Gabriel Pombo da Silva und Alfredo Cospito, das von Black International Editions veröffentlicht wurde. Außerdem den Text „Was ist Anarchismus“ von Alfredo Bonnano, den Dark Nights Newsletter, das kleine Büchlein „Anarchy, civil or subversive?“ von 325 und Dark Matter publications, einen Flyer in Solidarität mit den anarchistischen Gefangenen Alfredo Cospito und Nicola Gai, einen Flyer gegen Covid-19-Lockdowns namens „Face the fear, fight the future“, sowie viele andere Texte und Publikationen in Solidarität mit anarchistischen Gefangenen und Revolutionären Organisationen wie den CCF (Conspiracy of Cells of Fire).

Ich wurde in das Gefängnis von Wandsworh in London überstellt, nachdem ich dem Westminster Magistrates Gericht vorgeführt worden war und dort unter anti-terror Bedingungen gefangen gehalten. Zehn Tage lang wurde mir verweigert zu telefonieren und für meine Briefe galt eine ähnliche Restriktion. Sechs Wochen lang verweigerte man mir den Kontakt zu einem Anwalt. 23,5 Stunden Isolationshaft, manchmal sogar 48 Stunden ohne Möglichkeit meine Zelle zu verlassen, außer um mir etwas zu essen zu holen. Die ersten drei Wochen ohne Hofgang und dann bloß einmal alle vierzehn Tage für 35 Minuten. Kein Fitnessraum, keine Bibliothek, keine Bildung, keine Aktivitäten. Ich wurde in einer Kerkerähnlichen Zelle nur mit künstlichem Licht gefangen gehalten und war ohrenbetäubend lautem Baulärm ausgesetzt, als ich in die Antiterroreinheit verlegt wurde, neben der ein neuer Gefängnistrakt gebaut wurde. Meine Briefe, Telefonate und Treffen wurden alle routinemäßig überwacht und mein Zugang zu Anwälten, Post und Büchern konstant blockiert. Viele Monate lang bekam ich die vollständige Anklage gegen mich nicht zu Gesicht.

Die Operation Adream ist eine Konstruktion, die seperate, nicht miteinander verbundene Elemente miteinander in Verbindung bringt, wie es für repressive Operationen in Südeuropa typisch ist. Diese Strategie wird nun auch von der britischen Polizei angewandt. Die Operation Adream versucht die Conspiracy of Cells of Fire als eine Nachfolgeorganisation der bewaffneten Marxistisch-Leninistischen revolutionären Organisation 17. November darzustellen. Das ist eine wichtige Konstruktion für die Repression, weil die Gruppe 17. November im UK verboten ist. Im wesentlichen versucht die Operation Adream die ganze Bandbreite anarchistischer Gruppen, Publikationsprojekte und Gefangenensolidaritätsprojekten als eine Reihe organisatorischer Knotenpunkte für die Ausübung und Verherrlichung von Terrorismus darzustellen.

Der Fall wurde von dem Leiter der Staatsanwaltschaft Max Hill QC geleitet. Die Ermittlungen enthüllten schließlich die Beteiligung niederländischer und deutscher Bullen, die verborgene Hand des Geheimdienstes und eine internationale Dimension der Operation basierend auf vorangegangenen Wellen der Repression in Spanien, Italien und Griechenland. Während meiner Verhöre wurde mir beispielsweise eine vorgefertigte, schriftliche Liste an Fragen gestellt, deren Sinn nichteinmal die Beamten zu verstehen schienen, was zeigt, dass die gesamte Operation ein Vorwand war, um einen politischen Zweck zu erreichen. Dazu kann ich nur den ermordeten Anarchisten Bartholomew Vanzetti zitieren, der bemerkte, „Je höher sie sind, desto größere Trottel sind sie.“ Es ist gewiss angebracht, dass ich am 6. Oktober 2021 von dem Bristol Crown Court für nicht schuldig befunden wurde. Nichtsdestotrotz wurde ich für den Besitz und den Handel mit Betäubungsmitteln der Klasse A und B verurteilt: den psychodelischen Substanzen LSD, DMT, Psilocybin, MDMA und Marijuana, da diese alle in den kollektiven Räumen beschlagnahmt worden waren. Ich wurde zu drei Jahren und neun Monaten verurteilt.

Ich kämpfe außerdem gegen eine Serious Organised Crime Prevention Order, die von der Antiterroreinheit und der Staatsanwaltschaft gefordert wird. Diese Anordnung würde mich für bis zu fünf Jahre unter eine Form von Hausarrest stellen, nachdem ich entlassen werde und wenn ich gegen diesen Hausarrest verstoßen würde, müsste ich mit einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen. Die Anordnung würde meine täglichen Bewegungen kontrollieren und überwachen, meinen Kontakt zu anderen, meinen Aufenthaltsort, die Verwendung von Geld, Geräten, internationalen Reisen, usw. Sie erfordert, dass den Cops präzise Informationen über all meine Freund*innen, Kontakte und Geliebte gegeben würden und ist schlicht ein Mittel meine Freundschaften und Lebensumgebungen zu überwachen und zu kriminalisieren. Mein Verfahren darüber, das nicht vor dem 15, Januar stattfinden wird und die Ermittlungen gegen mich, gehen ebenso weiter wie die Operation Adream, die gegen das 325-Kollektiv gerichtet ist.

Ich will allen danken, die mich unterstützt haben. Mein Herz ist offen und entschlossen und ich bin Entschlossen. Ich schicke euch allen eine feste Umarmung und ein Lächeln.

Toby Shone A7645EP
HMP Bristol
19 Cambridge Road
Bishopston
Bristol
BS7 8PS
UK

Übernommen von Act For Freedom Now!

[Wuppertal] Sodexo Transporter stillgelegt

„Es sind Firmen wie Spie, WISAG, Massak, Sodexo […], die durch ihre Zuarbeit die staatliche Herrschaft am Leben halten.“

In der Dunkelheit des 03.01. haben wir in der Espenstraße in Wuppertal an einem Sodexo Firmenwagen die Reifen zerstochen und eine ölhaltige Flüssigkeit in die Lüftungsschlitze verkippt.

Sodexo gehört zu den Profiteur*innen der Knastindustrie.

Seit der Privatisierung der britischen Justiz betreibt die französische Firma fünf Knäste in Großbritannien mit über 5000 Inhaftierten in Eigenverantwortung. In weiteren Ländern wie zum Beispiel Frankreich oder Chile werden Dienstleistungen in Teilbereichen verschiedener Gefängnisse von Sodexo erbracht. Sodexo beliefert Knäste mit völlig überteuerten Lebensmittel und hält das Angebot möglichst gering, sodass den Gefangenen keine andere Wahl bleibt, als ihr weniges Geld für den Profit dieser Firma auszugeben.

Bereits Anfang 2015 hieß es in einem Bekenner*innenschreiben nach einer Aktion gegen Sodexo in Berlin:
„Zum anderen steht Sodexo in Belgien auf einer schwarzen Liste wegen ihrer Beteiligung an Abschiebeknästen und versorgt in Deutschland Abschiebelager mit Dienstleistungen. Das Unternehmen gehört zur Zehnacker Gruppe, welches sich wie folgt darstellt:

„Als Partner von Streitkräften begleiten wir diese in ihre Einsatzgebiete im In- und Ausland. Unsere Mission ist es, sowohl bei der Truppe als auch bei ihrer Führung für eine bessere Lebensqualität zu sorgen. Unter der Aufsicht des Justizministeriums konzipiert und bietet Sodexo Lösungen, die zu reibungslosen Abläufen in den Justizvollzugseinrichtungen beitragen. Bei all unseren Tätigkeiten achten wir unsere Werte und unsere ethischen Grundsätze. Unsere Arbeit in diesem Bereich ist ein weiterer Beleg für unser starkes gesellschaftliches Engagement.““ [https://chronik.blackblogs.org/?p=572]

In Bayern bot Sodexo zusammen mit Wirecard, bis zu deren Insolvenz, eine „Bezahlkarte“ für geflüchtete Menschen an [https://www.sueddeutsche.de/muenchen/erding/erding-ersatz-fuer-den-kommunal-pass-gesucht-1.5040997 / https://www.merkur.de/lokales/erding/erding-ort28651/erding-nach-wirecard-insolvenz-funktioniert-erdinger-kommunalpass-nicht-mehr-13815364.html].

Weil das Unternehmen in Sachsen-Anhalt als Dienstleister von einem Gutscheinsytem als Sanktionsmittel für Geflüchtete profitiert, wurde Sodexo im April 2018 in Halle angegriffen [https://chronik.blackblogs.org/?p=7932].

Weltweit wird das Unternehmen immer wieder angegriffen, so z.B. in Kanada [https://ausdemherzenderfestung.noblogs.org/post/2019/04/05/quebec-kanada-angriffe-gegen-die-welt-der-knaeste-und-ihre-kollaborateure/] oder in Chile [https://www.anarchistfederation.net/attack-against-sodexo/].

Sodexo steht für ein Knastsystem in dem immer wieder Menschen sterben. Knastleitung, Justiz, Polizei und Medien sprechen dann häufig reflexartig von „Suizid“ und die Verantwortung des Knastes wird zurückgewiesen.
Doch Knäste sind seit ihrer Existenz dafür da, um diejenigen, welche nicht in die herrschende Logik passen oder sich dieser widersetzen, mundtot zu machen. Knäste isolieren die Menschen von der Gesellschaft. Durch Abschottung von der Außenwelt. Durch Ausbeutung. Sie machen die Gefangenen regelrecht kaputt. Sie foltern und töten. Unter Knastumständen kann niemals vom sogenannten Suizid die Rede sein.

Im Dezember starb ein 42-jähriger im Knast in Wuppertal-Vohwinkel und im Jugendknast in Wuppertal-Ronsdorf ein 17-jähriger. Am 1. November starb Georgios nach einer brutalen Festnahme in Polizeigewahrsam im Wuppertaler Landgericht.

Jeder Tod im Knast, Gewahrsam oder durch Polizei ist einer zu viel.
Wir werden diese Morde nicht unbeantwortet lassen!

Für die Revolte gegen den Staat, seine Gesellschaftsordnung und Knäste!
Freiheit und Glück den Gefangenen!

Solidarische Grüße an die, die gegen diese Knastgesellschaft kämpfen.
Solidarische Grüße an die Besetzer*innen im Osterholz!

Für ein subversives 2022 voller Überraschungen.
Es lebe die Anarchie (A)

Anarchie in der Spiegelwelt?

Warum das Internet als ein “Ort” für die anarchistische Debatte für den Zündlappen nur von mäßigem Interesse ist und worauf wir unseren Fokus richten, wenn wir an den dort stattfindenden Debatten dennoch teilnehmen

In unterschiedlichem Maße und von unterschiedlichen Standpunkten aus haben wir uns in den vergangenen Jahren an anarchistischen Diskussionen, die im Internet stattfanden, beteiligt, diese beobachtet und uns über unsere Erfahrungen mit dieser Art von Diskussion ausgetauscht. Dabei stellte sich für uns immer wieder die Sinnfrage, denn entgegen den oft viel fruchtbareren Diskussionen, die wir von Angesicht zu Angesicht führen, lässt sich von einem Austausch im Internet, wie er derzeit stattfindet, kaum erwarten, dass daraus Spannungen entstehen, aus denen Affinitäten, ebenso wie Feindschaften – wobei letztere vielleicht in einer sehr absonderlichen Social-Media-Gossip-Form schon – entstünden, dass eine*n diese Diskussionen irgendwie in der eigenen Analyse weiter brächten oder dass diese wenigstens Spaß machen würden. Und obwohl man dem Internet ja nachsagt, Menschen von überall auf der ganzen weiten Welt miteinander in Austausch zu bringen, so fällt doch – und wen überrascht das wirklich? – vielmehr auf, dass jene wenigen Beziehungen, die letztlich in einer durch das Internet vermittelten Annäherung ihren Anfang gefunden haben, ebensogut sich hätten in der realen Welt anbahnen können, weil man ihnen hier und dort – ohne es zu wissen – eh schon über den Weg gelaufen war.

Zugleich lässt sich jedoch auch beobachten, dass in den Tiefen des Internets, oft in jenen Tiefen, in die keine*r von uns je vorgedrungen ist, dann doch die eine oder andere auch für uns weniger fortschrittliche, der Technologie grundsätzlich feindlich gegenüberstehenden Spießer*innen spannende Diskussion abzulaufen scheint, die sich um die gleichen oder sehr ähnliche Themen dreht, die auch uns beschäftigen. Interessant dabei ist, dass diese Diskussionen oft in völliger Unkenntnis voneinander stattfinden. Teilweise entstehen im Internet Übersetzungen von Texten, die schon vor Jahren oder Jahrzehnten übersetzt wurden, die jedoch außer in den sehr realen anarchistischen Archiven kaum wo zu finden sind, teilweise entstehen sogar Übersetzungen von Texten, die in Print auch heute noch aktiv distributiert werden. Aber auch wenn die hier skizzierte Tendenz, dass nämlich das Internet und die darin stattfindenden Diskussionen vor allem diejenigen sind, die in Unkenntnis der Diskussionen eines Außerhalb stattfinden, mir durchaus dominant zu sein scheint, so gibt es umgekehrt schon auch eine Unkenntnis dessen, was da den lieben langen Tag so im Internet veröffentlicht und diskutiert wird und was bis auf die vereinzelten Ausdrucke derjenigen Weirdos, die zwar das Internet konsultieren, aber nicht am Bildschirm lesen, niemals die Druckpressen erreichen wird. Kurz gesagt: Es sind zwei Welten. Eine, in der sich von Angesicht zu Angesicht begegnet wird, in der Zeitungen, Broschüren und Bücher von Hand zu Hand gehen, in der Plakate geklebt und Graffiti gemalt werden, in der sich beleidigt wird, und in der man – und man sollte diesen Aspekt nicht unterschätzen – seinem Gegenüber in die Augen blicken muss, ebenso wie man sich statt der Worte oder ergänzend zu ihnen, eben auch anderer Mittel der Kommunikation bedienen kann. Und eine, in der Texte, Bilder und Videos vorrangig algorithmisch zu ihren Leser*innen und Betrachter*innen gelangen, in der immer potentiell alles zugleich verfügbar ist und daher schnell der Eindruck entsteht, eben auch alles zu kennen, eine in der vieles auf Memes und Slogans gebracht wird, in der es Taten nur in Form ihres videographischen Abbildes gibt, in der es zwar Beleidigungen gibt, aber man einander weder hinterher noch in die Augen sehen muss, noch die Möglichkeit hat, seinen Emotionen mit handfesteren Argumenten Ausdruck zu verleihen. Eine Welt, die einmal ein Spiegel der anderen gewesen sein mag, die nun jedoch ein Eigenleben entwickelt hat, sich von ihrem materiellen Ballast vielfach getrennt hat und in der dennoch rege auch über anarchistische Positionen diskutiert wird. Obwohl es viele Versuche gegeben hat, die Grenzen, die die eine Welt von der anderen trennen, zu verwischen und manche Projekte darin sicherlich auch gewisse Erfolge verzeichnen konnten, bleiben Diskussionen zunehmend in ihren jeweiligen Sphären. Sei es aus Bequemlichkeit – oder weil einen eben doch mehr trennt, als es manchmal vielleicht den Anschein hat. Ob es von einer Debatte im Internet ausgehend, nicht vielleicht auch Aufbruchmomente gegeben haben mag, gibt oder geben wird, die zu etwas Realem führen, das lässt sich aus unserer Sicht sicherlich nicht abschließend beurteilen, wir haben daran jedoch erhebliche Zweifel.

Zugleich bestätigte sich in der jüngeren Vergangenheit zweifellos das, was irgendwo immer schon gewiss war: Das Internet zu nutzen, um seine Ideen zu verbreiten eröffnet den diversen Formen der Repression viele neue Einfalls-Möglichkeiten. Weil unterschiedslos jede*r, nicht zuletzt auch unabhängig vom eigenen Standort, an das dort veröffentlichte gelangen kann, von der Anarchistin bis zur Bullin, vom linken bis zum rechten Feind, vom Journalist bis zur Hobby-Detektivin, von der Geheimagentin bis zum sozialen Gerechtigkeitskrieger, und all das ohne auch nur den Mut aufbringen zu müssen, den Fuß über die Schwelle eines jener Räume zu setzen, in denen man waschechten Anarchist*innen begegnet, lassen sich die im Internet veröffentlichten Texte eben auch sehr viel leichter auf alle erdenklichen Arten und Weisen analysieren, einordnen, bewerten und im Anschluss diffamieren, verfolgen, (scheinbar) distinkten Millieus und Personen zuordnen, usw., während zugleich auch die Hemmschwellen zu sinken scheinen, haltlose Anschuldigungen vorzubringen oder gar Denunziation in Form von (nur scheinbar informierten) Spekulationen oder auch den aus dem im Internet noch zunehmenden Gossip bestimmter Subkulturen gewonnenen Informationen zu betreiben, bzw. diese Hemmschwellen sowieso niemals bei allen erreichten Personen existiert haben. Aber auch wenn jene eindeutig negativen Aspekte einer Verlagerung der anarchistischen Diskussion ins Netz sicherlich eine Rolle dabei spielen, wenn wir das Interesse daran verloren haben, so sollen diese Überlegungen hier nicht weiter verfolgt werden. Wer sich für dieses Thema interessiert, wird vielleicht im ebenfalls hier veröffentlichten Artikel Snitch-Technologie fündig.

Wir jedenfalls haben erhebliche Zweifel daran, dass sich das kybernetische Netz für unsere Ziele, nämlich den Kampf gegen die Herrschaft zu intensivieren und dabei Beziehungen zu knüpfen, die uns darin bestärken, uns Kraft geben und einander auffangen lassen, in jenen Momenten, in denen uns die eigene Kraft verlässt, nutzen lässt. Ja selbst zu einer Entwicklung unserer Analysen haben die Diskussionen des Internets in all den Jahren nur wenig beigetragen. Es ist nicht unsere Welt, die da durch die Glasfaserleitungen flimmert und wir haben deshalb nur wenig Interesse, unsere Ideen selbst zu einem matten Flackern am Ende der Leitung verkommen zu lassen.

Und doch: Die Realität ist … digital? Kybernetisch? Nein, noch nicht. Noch begegnen wir realen Menschen und nicht bloß Robortern und Drohnen, wenn wir unsere Ideen als Zeitungen und Flyer auf den Straßen in den Städten verteilen, noch blickt die eine oder andere von ihrem Smartphone auf, wenn wir Plakate kleistern, hält für einen Moment inne, um zu lesen, was da steht, noch führen wir Diskussionen nicht ausschließlich im Kreis der wenigen verbliebenen Technologieverweigerer. Aber wenn man realistisch bleiben will, so ist es auch Teil der Realität, dass viele potentielle Gefährt*innen das was jenseits des kybernetischen Netzes stattfindet, gar nicht mehr mitbekommen, während wir selbst – nicht dass wir daran etwas ändern wollen würden – deren Diskussionen dort immer nur aus den Erzählungen derer erfahren, die das Internet auf der (verzweifelten) Suche nach anderen Anarchist*innen enthusiastisch durchforsten.

Wenn wir also heute, wie in Zukunft das Internet nicht mit letzter Konsequenz meiden werden, so nur deshalb, weil wir darauf hoffen, in diesem technologischen Minenfeld doch noch die eine oder andere Gefährt*in zu finden oder von ihr*ihm gefunden zu werden. Wobei für uns unmissverständlich klar ist: Anarchie bleibt etwas Reales, Anarchie lässt sich nicht digitalisieren und schon gar nicht virtualisieren.

Deshalb gibt es den Zündlappen mit Ausnahme dieser Ausgabe auch ausschließlich gedruckt. Weitergegeben von Hand zu Hand, von Gefährt*in zu Gefährt*in und manchmal vielleicht auch über den Umweg durch die Hand des Postboten. Allerdings werden wir einzelne Artikel, von denen wir denken, dass sie zu jenen Diskussionen passen, die wir in den Untiefen des kybernetischen Netzes aufspüren, auch auf einem Blog veröffentlichen. Denn wer weiß, manchmal entspringen doch einige der größten Spannungen hin zur Revolte aus dem Unerwarteten …

In Bayern wie anderswo…

Wenn man in einem kleinen bayerischen Dorf wie Höchberg (in der Nähe von Würzburg) bei der freiwilligen Feuerwehr ist, dann engagiert man sich dort nicht wirklich, um kleine Katzen von Bäumen zu retten oder vom Kühbach überflutete Keller infolge der städtischen Zubetonierung zu leeren. Auch wenn es häufig das ist, was zu tun ist. Nein, wenn man – in Höchberg oder anderswo – bei der freiwilligen Feuerwehr ist, will man gefährliche Feuer im Namen der Ordnung und der Sicherheit bekämpfen. Man will bösartige Flammen löschen, um die staatliche Kontrolle und den Wohlstand des Handels zu verteidigen.

Tja, endlich mal, kann man sagen, haben sie das tun können. Zumindest jene, die Bereitschaft hatten, während sie noch die letzten Überreste ihres Rausches auskurierten, denn es ist der 2. Januar gegen 3h50, als der Alarm schließlich in der Bereitschaftskaserne ertönt. Als sie sich an den Dorfrand auf der Seite des Zeller Forstes begaben, wurden sie nicht enttäuscht, denn sie sahen einen großen Funkmast, der mit seinen Flammen die Nacht erhellte. Und während viele aufrechte Bürger, die den Schlaf der Gerechten schliefen, bis dahin keine Ahnung von dessen Anwesenheit inmitten der majestätischen Bäume hatten, während dieser ihnen doch treue Dienste leistete, um ihre leere Existenz mit einem Sinn auszufüllen, dann ist das sicherlich nicht mehr der Fall, seitdem sie kein Netz mehr haben.

Was die Ursache dieser Entflammung ist, die immerhin von den unteren Kabeln startete, um entlang des Mastes hinaufzuwandern, ehe die kleinen Feuersoldaten ihre Wanderung stoppte, bleibt natürlich der Polizei zufolge „unbekannt“. Aber Freiwillige-Feuerwehren-Ehrenwort, die Masche mit der nächtlichen und spontanen Selbstentzündung werden wir nicht bringen! Dann wenn einmal etwas Interessantes in Höchberg passiert, dann wäre das wirklich der Gipfel…

(Zusammenfassung der lokalen Presse, 11. Januar 2022)


Übernommen von Sans Nom.

So nicht!

Editorial zur Nullnummer des Zündlappens

Zuerst überrascht, dann mehr und mehr verärgert haben wir jüngst den Abgesang der Zündlumpen-Redaktion zur Kenntnis genommen. 85 Ausgaben lang haben diese Opfer ausgeteilt, um dann nicht einmal ein bisschen Gehetze irgendwelcher dahergelaufenen linken Wirrköpfe auszuhalten und unfähig jenen Leuten, die sich als Snitches hervortun, die passende Ansage zu machen? Wir hätten mehr erwartet!

Aber wenn sich auch die einstige Redaktion des Zündlumpens nachhaltig als untauglich erwiesen hat, so stimmen wir mit ihr doch darin überein, dass 85 Ausgaben Zündlumpen noch nicht genug sind, dass es noch das eine oder andere zu sagen gibt, bevor dieses Projekt den Rubikon endgültig überschritten haben wird. Und nur weil die Schiffscrew beschlossen hat, sich kopfüber vom Schiff zu stürzen, so wäre es doch gelacht, wenn wir deshalb nicht damit fortfahren würden, den Schiffsrumpf zu zerstören. Reißt vom Kadaver los, was ihr könnt, so sagt man doch. Also übernimmt jetzt die Chaoscrew! Und weil sich nach diesem Abgang kein vernünftiger Mensch jemals wieder wird positiv auf den Zündlumpen beziehen können, taufen wir unsere Reise eben auf den Namen Zündlappen. Da müssen wir immerhin nur zwei neue Buchstaben malen.

Verändern wird sich aber so einiges. Ihr werdet schon sehen. Nachdem die Feiglinge über Bord gegangen sind, wird hier nun ein rauerer Wind wehen. Und wir fangen gleich damit an, klarzustellen, was die Redaktion des Zündlumpens hätte besser gleich tun sollen: Wer auch immer meint jenseits des Kreises vertrauter Gefährt*innen – und es ist das Resultat dieses Vertrauens, an dem ihr euch messen lassen müsst, jaja, haha –, Spekulationen darüber anstellen zu müssen, wer den Zündlappen herausgebe, der ist ein*e Snitch [1] und wird von uns als solche*r behandelt werden! Und auch wenn man meinen sollte, man müsste es nicht erwähnen, sei hier gleich klargestellt, dass das auch für alle gilt, die sich in dieser Sache dem kybernetischen Netz anvertrauen, sei es in den „sozialen“ Netzwerken oder anderswo. Und wer in Anlehnung an das, was einst dem Zündlumpen vorgeworfen wurde, nun auch den Zündlappen als „sozialdarwinistisch“ und „nazi“ diffamieren zu gedenkt, die*der denke sich besser vorher ein gutes Argument dafür aus. Denn entweder hat man triftige Argumente für derlei Behauptungen oder es gibt bei der erstbesten Gelegenheit und ohne weitere Ankündigung/Vorwarnung eins mitten in die Fresse rein [2].

Ach ja. Es ist im übrigen nicht unser Anliegen, mit dem Zündlappen ein Blatt um seiner selbst willen, also der Nostalgie wegen, über seinen Zenit hinaus fortzuführen. Wir werden das mit dem Zündlumpen begonnene Projekt nur zu seinem unausweichlichen Ende bringen, danach treten wir ab oder es ist an euch zu meutern!

Aber bevor wir nun Kurs nehmen auf dieses unausweichliche Ende – und wir legen uns da jetzt nicht fest, wo wir selbiges vermuten –, da wollen wir einen Blick zurück werfen. Um zu sehen, wo wir stehen, drucken wir in dieser Nullnummer des Zündlappens neben einigen Übersetzungen vor allem jene Artikel aus den 85 Ausgaben Zündlumpen ab, von denen aus wir unsere Fahrt in Richtung Abgrund beginnen werden. Manchmal mit, manchmal ohne Kommentar.


[1] Nun, dieser Aspekt wurde von manch eine*m für unklar befunden und wir machen uns selbstverständlich gerne die Mühe das weiter auszuführen und eventuelle Unklarheiten auszuräumen: Gemeint sind hier selbstverständlich alle Spekulationen darüber, die darauf abzielen, eine*n andere*n persönlich in die Herausgabe des Zündlappens involvierte Person zu benennen, als unsere ehrenwerte, „presserechtlich verantwortliche“ B. Anke Nraub. Spekulationen darüber ob es olle Egoisten seien, die den Zündlappen machen oder „die Insus“ sind uns einerlei, soetwas finden wir je nach Stimmungslage entweder gähnend langweilig oder aber ziemlich amüsant; es ist uns vielmehr daran gelegen, die Anonymität der Herausgeber*innen zu wahren, bzw. eben selbst zu entscheiden, wem wir uns möglicherweise offenbaren und wem nicht. Und ganz gewiss geht es etwa Linke nichts an, wer wir sein könnten, so wie wir mal annehmen, dass auch ohne jede Willensbekundung unsererseits ein gewisser Konsens darüber herrschen würde, dass man Rechten und Bullen nicht an seinen Spekulationen und seinem (möglichen) Wissen über die Urheber*innenschaft anarchistischer Zeitungen teilhaben ließe. Und bei dieser Gelegenheit lohnt es sich vielleicht auch, daran zu erinnern, dass es für die Repression oft einerlei ist, ob etwas ein gesichertes Faktum ist, oder aber ob irgendjemand, dem man eine gewisse „Szenekundigkeit“ unterstellt (und sei es auch nur, weil es eben praktisch ist), etwas vermutet. Und dank abgehörten Räumen, Telefonen, etc. ist es oft auch gar nicht unbedingt notwendig, dass eine solche Unterstellung direkt an die Repression herangetragen wird. Ja wollt ihr uns nun das tratschen verbieten, oder was? Ja und Nein. Verbote provozieren dazu, gebrochen zu werden, das weiß jedes Kind und außerdem wollen wir kein Klima der Angst schaffen, in dem keine*r mehr weiß was sie*er sagen darf und was nicht und deshalb keine*r mehr etwas sagt. Es ist ja wohl klar, dass man hier und dort ein bisschen neugierig ist und auch wenn es vielleicht ein Unding ist, dass Klatsch und Tratsch zuweilen zur Tugend geworden zu sein scheinen, können wir sehr wohl zwischen jenen unterscheiden, die im Wesentlichen wissen, mit wem sie da tratschen und jenen, die sich einfach aus Ignoranz („Ist mir doch scheiß egal, ob Leute wegen meinem Gelaber in den Knast kommen, ist ja deren Problem und Sache“, „Ich rede worüber ich will, mit wem ich will“) oder sogar in der Absicht Repression zu begünstigen  das Maul zerreißen. Und eben letztere nennen wir Snitches und wenn wir von euch erfahren, werden wir alles daran setzen, euch das Handwerk zu legen!

[2] Von wem? Nun, von allen, die Lust haben, die Ehre  des Zündlappens zu verteidigen, möchte man meinen …

 

[Bremen] Brandanschlag auf Büroräume des Raumfahrt- und Rüstungskonzerns OHB

In der Silvesternacht zum Jahr 2022 hat es kurz nach Mitternacht in den Räumlichkeiten des Raumfahrt- und Rüstungskonzerns OHB in Bremen gebrannt. Zum Feuer sei es gekommen, weil Unbekannte Brandsätze auf/in das Gebäude geworfen hätten. Der dabei entstandene Sachschaden ist beträchtlich.

Update (05.01.2022):

Mittlerweile ist ein Communiqué aufgetaucht:

Die Feinde der Freiheit sind die unseren! Büroräume des Rüstungskonzerns OHB System AG in Flammen

Wir leiten das neue Jahr ein mit unruhigen Nächten für Marco R. Fuchs und sein Milliarden Schweren Raumfahrt- und Rüstungskonzern Orbitale Hochtechnologie Bremen (OHB System AG). Mit Hämmern schlugen wir mehrere Scheiben eines Gebäudes von OHB ein und setzten dann die Büroräume in Brand.

Der Imageschaden ist gewiss. Happy new fear!

OHB System AG gilt als angesehener Raumfahrt- und Hochtechnologiekonzern. Seit den 1950ern baut OHB hauptsächlich satellitengestützte Systeme, die für militärische Interessen verwendet werden. Durch die direkten Aufträge der Bundeswehr kann OHB nicht einmal mehr versuchen, das Feigenblatt Dual-use, also die Verwendung ihrer Satelliten für sowohl zivile als auch militärische Zwecke, zu bemühen. OHB ist ein Rüstungskonzern.

Rüstungskonzerne sind Krisengewinner: Trotz Pandemie expandiert OHB nicht nur sichtbar mittels neuer Gebäude im Technologiepark Bremen, sondern erschließt sich auch den US-amerikanischen Markt.

Was bleibt?

Wir haben ohnehin kein Vertrauen in parlamentarische Politik. Dennoch wollen wir hier erwähnen, dass in den letzten Tagen der vergangenen Legislaturperiode deutsche Rüstungskonzerne noch einmal Rekordgewinne in Milliardenhöhe eingefahren haben, weil die alte Bundesregierung die Ausfuhr genehmigt hat. Es gibt keine Partei, die gegen Kriegseinsätze und Rüstungskonzerne agiert und insbesondere die neue Regierung hat unter Olaf Scholz gezeigt, dass sich der Kurs nicht verändern wird. Regierung, Opposition sind da einerlei.

Rüstungsunternehmen können sich ihrem globalen Absatzmarkt gewiss sein. Militärische Güter aus deutscher Hand töten in der guten alten kolonialen Tradition und sichern gleichzeitig die Grenzen der Festung Europa. Bundeswehreinsätze im Innern sind gängig.

Gewalt sei kein Mittel politischer Auseinandersetzung, hören wir immer wieder. Zuletzt von Bremens Wirtschaftssenatorin von der Linken. Angesichts der beschriebenen Realität sind direkte Aktionen dringend notwendig, um Profiteur*innen von (sozialen) Kriegen zu stoppen und Abrüstung voranzubringen.

Unser Angriff auf den Rüstungskonzern OHB reiht sich ein in eine antimilitaristische Kontinuität. Bereits in den vergangenen Jahren wurde auch OHB mehrfach markiert und angegriffen. Im Gegensatz zum Unternehmen OHB, für das das Geschäft mit dem Töten Alltag ist, haben wir darauf geachtet, dass bei unserem Angriff niemand zu Schaden kommt.

Direkte Aktionen sind Teil einer Perspektive für Autonomie und Selbstorganisation. Wir stellen uns Entscheider*innen und Profiteur*innen dieses menschenverachtenden Systems entgegen und entlarven ihre selbstgerechte Politik. Wir fordern Menschen dazu auf, ihre Ohnmacht zu überwinden, sich zusammenzuschließen und Sand im Getriebe zu werden.

Autonome Antimilitarist*innen

Journalistenpack

Jaja, unsere lieben Tagebuchschmierfinken, was kann man nicht alles über sie sagen? Würden sie, wie jeder wenigstens halbwegs auf dem Boden gebliebene Mensch ihr Tagebuch für sich alleine führen, so wäre das mitunter vielleicht noch immer ein gewisses Problem und man würde sie in jenen kriminellen Kreisen, in denen sie sich so gerne bewegen würden, aus naheliegenden Gründen noch immer nicht dulden können; Aber den allzu eitlen und aufmerksamkeitsheischenden Journalist*innen genügt das einsame Tagebuchschreiben ja nicht. Von der Langeweile des eigenen Lebens angeödet, suchen sie das Abenteuer im Leben anderer, eilen von einem Ereignis oder auch Spektakel zum Nächsten und, vielleicht um für sich selbst – vielleicht aber auch um auf andere – wenigstens ein klein wenig interessant zu erscheinen, ertragen sie es nicht, nur ein*e Teilnehmer*in oder – was in ihrem Fall vielleicht treffender ist – Beobachter*in zu sein. Nein, sie müssen das, was sie sehen, jedoch niemals begreifen werden, nichtsdestotrotz abstrahieren, einordnen, bewerten, kommentieren oder zumindest dokumentieren und sie drängt es danach, ihre Sicht der Dinge als die objektive, die einzig Richtige nicht nur auf die Seiten ihrer Tagebücher zu bannen, sondern sie auch, immer gemäß der technologischen Möglichkeiten, mithilfe von Boten, Druckpressen, Mattscheiben, Radiowellen und Glasfaserleitungen hinauszuplärren in die Welt, einzig und alleine in dem Bestreben, dass ihre Schilderung, ihre Bewertung des Spektakels, das Geschehene selbst verdrängt. Dabei stehen sie – und zwar ausnahmslos – mindestens durch ihren Gebrauch, dessen, was sie selbst Medien nennen, im Dienste der Herrschaft, stilisieren sich stolz selbst zu einer “Vierten Staatsgewalt” und können daher niemals als etwas anderes als unsere Feind*innen begriffen werden.

Doch was eigentlich so einfach und offensichtlich ist, das ist nicht zuletzt dadurch, dass diverse selbsternannte Anarchist*innen sich selbst als Journalist*innen bezeichne(te)n, dass angeblich anarchistische Publikationen die Form von Medien annehmen und ihre Herausgeber*innen und Redakteur*innen Journalist*innen sind, dass Anarchist*innen von Zeit zu Zeit Journalist*innen Einblicke in ihr Leben und ihre Kämpfe und dabei auch gleich das/die von anderen Anarchist*innen gewähren und diese (Zeitungs-) Spitzel dabei gar als Verbündete begreifen, ein wenig in Vergessenheit geraten und wird heute ohne weitere Erläuterungen kaum allgemeinen Zuspruch selbst innerhalb authentischer anarchistischer Kreise finden. Es bedarf also möglicherweise einer erneuten Analyse eines insgesamt sehr verwirrenden Geflechts, um heute wieder klar zu sehen, was einst offensichtlich gewesen sein mag.

Aber was ist eigentlich ein*e Journalist*in? In diesem Artikel werden darunter all jene verstanden, die sich (beruflich oder aus Idealismus) an der Verbreitung von Informationen, Meinungen und Unterhaltungen in Medien beteiligen, wobei unter Medien alle Kommunikationsmittel verstanden werden, die als Instrumente dienen, die Massen zu erreichen mit dem letztlichen Ziel einen bestimmten sozialen Konsens herzustellen. Freilich lässt sich dabei hervorragend darüber streiten, welche (auch anarchistischen) Zeitungen, Magazine und Co. nun als Medien und ihre Autor*innen somit als Journalist*innen gelten müssen. Im Zweifel wäre ich geneigt, mich hier an das entsprechende Selbstverständnis dieser Veröffentlichungen zu halten. In jedem Fall müssen jedoch kommerzielle Publikationen als Medien gelten, denn die Entscheidung, finanzielle Absichten zumindest zu einem Entscheidungskriterium für die publizierten Inhalte zu machen, erfordert es, im Großen und Ganzen dem Unterfangen verschrieben zu sein, einen sozialen Konsens herzustellen und diesen im eigenen Medium auch zu reproduzieren.

Es mag stimmen, dass es sogenannte “harmlose” Journalist*innen gibt, die einst die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen haben, Geld mit dem zu verdienen, was sie sonst so in ihr Tagebuch geschrieben hätten. Möglicherweise können Journalist*innen, die Tag für Tag der Frage nachgehen, welche Farbe ihr eigener Stuhlgang hat, oder meinetwegen auch jene, die Tag um Tag ihr Essen fotografieren und damit die Zeitungsseiten zuscheißen, sprich jene, die Fragen erörtern, die nicht nur völlig belanglos, sondern zugleich auch unter keinen Umständen interessant genug sind, um Leser*innen für das Medium zu gewinnen, in dem sie publizieren, als solche gelten. Diese Art von Journalist*innen will ich im folgenden außen vor lassen. Ich glaube auch kaum, dass diese die Bezeichnung Journalist*in mit Stolz vor sich hertragen und wenn doch, so vielleicht nur, um diesen Berufsstand nachhaltiger zu verhöhnen, als es von außen vielleicht möglich wäre.

Und was ist mit jenen Journalist*innen, die in den Medien die Sache der Anarchist*innen positiv diskutieren?, mag man mich nun fragen. Ich bin der Meinung, dass genau diese zu den Schlimmsten von allen gehören. Abgesehen davon, dass ich persönlich noch nie gelesen hätte, wie ein Journalist in einer Zeitung, einem Magazin, Radio, Fernsehen oder auch nur auf einem Blog für die totale Zerstörung jeder Herrschaft plädiert hätte, dafür die Politiker*innen, Bull*innen und Richter*innen, sowie seinen eigenen Berufsstand abzuknallen und fortan ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Ein solches Plädoyer habe ich von einem Journalisten noch nie gelesen. Aber wie dem auch sei, was ist von jenen zu halten, die das vielleicht nicht in dieser (notwendigen?) Radikalität tun, aber die dennoch immer wieder aufs Neue ihre Sympathien für Anarchist*innen ausdrücken. Ich denke die Frage lautet, und die Antwort ist in ihr möglicherweise vorweggenommen: Kann die Anarchie neben der Herrschaft existieren? Kann wenn in dem selben Medium diese oder jene Reform der Herrschaft begrüßt, andere gefordert und wieder andere als rückschrittlich kritisiert werden, die Anarchie als das was sie ist überhaupt begriffen werden, oder ist es nicht vielmehr der Versuch, die Anarchie in einem liberalen, demokratischen Meinungsfreiheitskonzept einzufangen, bei der die Frage nach der Herrschaft zur Meinungssache wird, während die realen Verhältnisse unangetastet bleiben?

Aber es scheint mir ohnehin ein Phantom zu sein, dem wir hier nachjagen. Sicher, ob Kropotkin oder Erich Mühsam, ja sogar der Bombenbauanleitungs-Verleger Johann Most (eigentlich ja ohnehin Sozialdemokrat) und die Ikone der (anarchistischen) Feminist*innen, Emma Goldman, über die meisten bekannteren Anarchist*innen der Vergangenheit liest man heute Reportagen in den Feuilletons, selbst auf Galleani darf sich bezogen werden, zumindest wenn es um die liberale Unschuldskampagne von Sacco und Vanzetti geht. Aber hat man in der Presse jemals etwas Positives über Luigi Lucheni gelesen, oder über Sholem Schwarzbard, ja selbst über Fanny Kaplan schweigt sich die bürgerliche Presse lieber aus, denn wer eine Kaiserin, einen Politiker oder einen kommunistischen Despoten zu ermorden trachtet, die*der könnte ja auch auf die Idee kommen … Und das ist es eben. Keinesfalls werden in den Medien jemals antiautoritäre Ideen verfochten werden, ohne dass diese dabei in einen Herrschaftsdiskurs eingeebnet werden, weil eben das Projekt der Medien selbst ein propagandistisches ist, ein Projekt das dazu dient, die Herrschaft zu verteidigen und zu legitimieren. Und ehrlich gesagt: Es wäre auch ein so eklatanter Widerspruch, den Menschen Anarchie mithilfe von Medien anerziehen zu wollen, dass ich dazu wohl kaum ein Wort zu verlieren brauche. Nein, ich will nicht anklagen, dass die Taten von Anarchist*innen, wo sie sich kompromisslos gegen die Herrschaft wenden, von Journalist*innen nicht rezipiert werden. Es mag die Zeit kommen, wo die Propaganda Wege gefunden haben wird, selbst diese Taten zu integrieren, dank irgendwelcher pseudo-anarchistischen Journalist*innen, denen dazu irgendein “ja aber heute ist das ja ganz anders”-Gelaber einfällt, aber ich könnte nichts weniger wollen, als mir diesen Tag herbeizusehnen. Und doch jagen wir hier heute ein Phantom, denn der Journalist, der das versucht, den müsste man mir erst noch vorstellen. Vielmehr hat man es heute eher mit “sympathisierenden” Journalist*innen zu tun, die versuchen, die Anarchie zur (Basis-)Demokratie, also zur Archie (Herrschaft), zu erklären und damit versuchen, sie zahn- (und sinn-)los zu machen und in den demokratischen Diskurs zu integrieren [1].

Die meisten Journalist*innen jedoch, sie dürften der Ideologie ihrer “Neutralität”, sprich ihrer Kompliz*innenschaft mit der Herrschaft, verbunden sein und folglich, wenn sie sich dem Thema der Anarchie annähern, vor allem auf die angeblichen “Problematiken” von unkontrollierten Menschen, die tun und lassen was ihnen gefällt, verweisen, wenn sie nicht gleich vom Terrorismus der Anarchist*innen sprechen. Recht so, irgendetwas hätte man schließlich falsch gemacht, wenn eine*n die Verteidiger*innen des Bestehenden nicht als Bedrohung betrachten würden. Und doch gibt es immer wieder jene selbsternannten Anarchist*innen, deren beste Freunde Journalist*innen sind und die sich wohl deshalb eher so verhalten, als hätten sie eine gründliche Gehirnwäsche bekommen. Sie streben danach, den Medien das freundliche Gesicht des Anarchismus zu präsentieren, indem sie Interviews geben, in denen sie sich als karitative Köch*innen, idealistische Träumer*innen und reformistische Politiker*innen präsentieren, während sie ganz nebenbei die hässliche Fratze des Anarchismus, also die aufständischen Projekte derer, die sich zu Recht als Anarchist*innen bezeichnen durch den Dreck ziehen und verharmlosen. Den Journalist*innen tun sie damit freilich einen Riesengefallen. Sie helfen aktiv dabei mit, Anarchist*innen entweder gemeinhin als naive Idioten (deren Vertreter*innen sie zweifelslos sind) zu portraitieren, oder aber den guten Anarchisten von der schlechten Anarchistin abzugrenzen. Und es passiert gar nicht so selten, da geben diese Idioten sogar jenen Journalistenschnüfflern Interviews (oder auch nur Tipps), denen es weniger um diese ideologische Trennung geht, als um das konkrete Profiling jener Anarchist*innen, die eben als die schlechten gelten, in dem Bestreben Repression vorzubereiten und zu legitimieren.

Zuweilen gibt es sogar Journalist*innen, die für eine “Anarchistische Presse” (wie die Graswurzelrevolution) arbeiten, die sich dieser schmutzigen Aufgabe annehmen. Manchmal sogar ohne dafür bezahlt zu werden – zumindest nicht von den Profiteur*innen ihres Mediums. Die meiner Meinung nach absurdeste Ausprägung einer Verflechtung von angeblich anarchistischen Millieus mit Journalist*innen firmiert unter der Bezeichnung “Demofotografie”. The Revolution will not be televised. Aber was, wenn einem irgendwelche Journalist*innen selbiges versprechen? Was wenn Journalist*innen dich bei (illegalen) Handlungen filmen und fotografieren und diese Bilder dann an die Medien verkaufen? Nun, es verwundert doch sehr, dass es heute zum guten Ton gehört, diese Journalist*innen zu hofieren, anstatt sie zusammenzuschlagen und ihr Equipment zu zerstören. Während (schlecht) verpixelte Bilder von Personen, die irgendetwas Strafbares tun, von diesen rücksichtslosen Arschlöchern anderen (möchtegern) Anarchist*innen das Spektakel vor dem Bildschirm erfahrbar machen und entsprechend sogar wertgeschätzt werden, riskieren sie die spätere Verurteilung der Täter*innen aufgrund genau dieser Bilder. Dabei sind es nicht einmal nur die veröffentlichten Bilder. Auch unveröffentlichte Bilder können von Bullen beschlagnahmt werden und es kommt zuweilen auch vor, dass man als Täter*in später in irgendwelchen Akten liest, dass irgendein*e ach so solidarische Fotograf*in sich freiwillig bei den Bullen eingefunden hatte und mit diesen lang und breit über ihre Arbeit und die Objekte der eigenen Fotografie geplaudert hatte. Aber warum? Warum ist es gerade diese Snitch-Praxis von aufmerksamkeitsheischenden und rücksichtslosen Fotograf*innen, die die wohl größte Wertschätzung unter Anarchist*innen genießt? Eine Praxis, die niemandem irgendetwas nützt, außer Bullen und den Konsumenten von Riot-Porn. “Solidarische Journalisten” werden diese Snitches genannt, aber was ist solidarisch daran, Denunziation zu betreiben? Und dieser Doppelsprech ist nebenbei bemerkt prä-pandemischen Ursprungs.

Aber bedarf es wirklich so viel Entwirrung, um das Spiel aufzudecken, das Journalist*innen immer schon trieben? Genügt es nicht zu wissen, dass Journalist*innen sich stolz als die sogenannte “vierte Gewalt” des Staates wähnen, um zu wissen, was von ihnen zu halten ist?

“Zweifellos werden die Medien den AnarchistInnen weiterhin hinterher jagen, solange die Anarchie ein vermarktbares Ding ist. Daher ist es notwendig, dass wir als AnarchistInnen erkennen, dass die Medien ebenso Teil der Machtstruktur sind wie Staat, Kapital, Religion, Justiz… In anderen Worten: Die Medien sind unser Feind und wir sollten sie entsprechend behandeln. In diesem Licht betrachtet ist die Aktion von drei italienischen AnarchistInnen – Arturo, Luca und Drew – beispielhaft. Als ein Journalist auf der Suche nach einem saftigen Happen Neuigkeit bei der Bestattung ihres Genossen aufkreuzt, schlagen sie zu.”


[1] Natürlich mag das auch die irrende Ansicht irgendwelcher selbsternannter “Anarchist*innen” sein, aber nur weil auch jene die gleichen Methoden der Aufstandsbekämpfung praktizieren, wie ihre Journalistenfreund*innen, ändert das freilich nichts an dem Unterfangen selbst.

Wo sind sie nur hin, die Nazis?

Eine Spurensuche.

Nazis, gibt es solche Idioten heute überhaupt noch? Und kann man sie als eine gesellschaftlich relevante Kraft beschreiben? Schwerlich. Ganz gewiss stehen wir nicht kurz vor einer Machtübernahme durch faschistische Kräfte und auch wenn der mordend durch die Lande ziehende NSU und noch modernere rechte Kräfte, die sich der Strategie des Terrors verschrieben haben, selbst dem Letzten vor Augen geführt haben dürften, dass man nicht den Fehler begehen sollte, organisierte Nazis ausschließlich als glatzköpfige, fettwanstige Hohlbirnen zu unterschätzen, so sind diese Nazi-Terroristen doch allenfalls ein erbärmlicher Abklatsch der präfaschistischen Prügeltruppen der SA. Die Nazi-Kader von heute, sie besetzen ganz bestimmte Positionen innerhalb des demokratischen Systems, vom Verfassungsschutz bis zur Justiz und zuweilen fragt man sich, ob die faschistische Bewegung von heute nicht vielleicht so sehr mit dem demokratischen Staat verwachsen ist, dass sie sich selbst kaum noch vorstellen kann, diese Allianz irgendwann einmal aufzukündigen. Wozu auch? Immerhin lebt es sich als Angestellter des Staates doch eigentlich ganz gut und wem es noch nicht genügt, bei FRONTEX, Polizei und Bundeswehr nach den Regeln dieser Institutionen Untermenschen abzumurgsen, der kann sich ja immer noch unter dem Protektorat des Verfassungsschutzes verdingen und als mordender Rechtsterrorist in die Analen der Bundesrepublik Deutschland eingehen.

Nein, was ist der Faschismus in Deutschland nicht lächerlich im Vergleich zur Effizienz der Todesmaschinerie des technoindustriellen Systems unter demokratischer Herrschaft. Jeden Tag, was sage ich, jede Stunde, möglicherweise sogar jede Minute, verrecken an den Grenzen der Festung Europa jene, die nicht länger Untermenschen genannt werden, aber nichtsdestotrotz als solche behandelt. Und es mag vielleicht neben anderen Charakteren, einen gewissen faschistischen Typus anziehen, die Posten an der Front dieser Todesmaschinerie zu beziehen, doch es ist gewiss kein faschistisches Unterfangen, mit dem wir es hier zu tun haben. Und auch wenn es in den vergangenen Jahren rechtspopulistischen Parteien mit bisweilen faschistischen Flügeln immer wieder gelungen ist, in die Parlamente Europas einzuziehen und bestimmte Diskurse einer Übervölkerung oder Umvolkung europäischer Territorien zu lancieren, so ist es den demokratischen Parteien doch immer wieder gelungen, diese rechts zu überholen und mithilfe einer mörderischen Praxis, die seit jeher in ein humanistisches Vokabular der Vielfalt und Gleichheit eingekleidet ist, die Wähler*innenstimmen für sich selbst zu beanspruchen. Nein, wenn man einmal hinter die Kulissen der deutschen Politik – und das gleiche gilt auch für die meisten anderen europäischen Staaten – blickt, wird schnell klar, dass etwa ein Winfried Kretschmann oder ein Bodo Rammelow für mehr rassistische Morde verantwortlich zeichnen, als ein Uwe Mundlos oder ein Uwe Böhnhardt. Und wenn etwa ein Horst Seehofer zu seinem 69. Geburtstag die Deportation einer mit seinem Alter korrelierenden Anzahl von Menschen veranlasst, dann wird klar, dass es in einem postfaschistischen Land keinerlei Nazis bedarf, um die Institutionen des Faschismus am Leben zu erhalten.

Gewissermaßen sehen wir das auch heute, drei Jahre später, wo die durch Corona legitimierte, totale Grenzschließung das angestammte Terrain faschistischer Mobilisierung von einem Tag auf den nächsten hinweggefegt hat, ja es vielmehr allem Anschein nach in ein linkes, antifaschistisches Terrain verwandelt hat. Man braucht gar nicht allzu viel über die nationalsozialistische Vergangenheit des zentral in den Holocaust involvierten Robert Koch Instituts wissen, braucht nicht notwendigerweise zu verstehen, dass die Genetik die wissenschaftliche Disziplin ist, in die sich die Rassenhygieniker, Eugeniker und Rassentheoretiker geflüchtet haben, nachdem ihre ursprünglichen Disziplinen mit dem Bannfluch der Pseudowissenschaft belegt wurden, um zu erkennen, dass es eine faschistische Dynamik ist, die da von all den demokratischen Parteien, der Wissenschaft und anderen Akteur*innen vom Zaun gebrochen wurde. Eine faschistische Dynamik wohlgemerkt, die sogar den Nazis Angst zu machen scheint, während die deutsche Antifa in ihrer neuen Rolle als Blockwart der Gesellschaft geradezu aufzublühen scheint.

Und so kommt es, dass man die letzten verstreuten Nazis zuweilen unter jenen wiederfindet, die ihren Unmut über das, was man vorsichtig vielleicht den neuen Faschismus nennen könnte, auf die Straßen tragen. So wie den Faschist*innen immer schon das Treiben der ihrer eigenen Bewegung gar nicht so unähnlichen, kommunistischen Terrorherrschaft, spinnefeind war, scheinen sie nun auch im von der Technokratenklasse vom Zaun gebrochenen Faschismus – oder meinetwegen, um ein historisch weniger gefärbtes Wort zu verwenden, Totalitarismus – einen Feind zu erblicken. Verwunderlich ist das freilich bloß auf den ersten Blick, handelt es sich bei den Faschist*innen um nichts anderes als eine bestimmte politische Fraktion, die eben vor allem um die Macht ringt und der dabei jeder andere Machtblock, und sei er ihnen in Methoden, Zielen und Idealen auch noch so ähnlich, Todfeind ist.

Man muss dabei verstehen, warum, mit welchen Zielen und Absichten die Nazis sich den ursprünglich und in ihrem Grundsatz noch immer demokratisch geprägten (und nur um Missverständnisse zu vermeiden, aus anarchistischer Sicht ist das Wort demokratisch alles andere als eine Sympathiebekundung) Demonstrationen angenähert haben, will man ihre Rolle darin verstehen und die von ihnen ausgehende Bedrohung analysieren. Als nach einer kurzen Phase der Ohnmacht jene demokratischen Kräfte, die nicht auf Anhieb der Kriegspropaganda der Medien anheim fielen, beschlossen, ihre Uneinverstandenheit auf die Straße zu tragen, da konnte man mancherorts beobachten, wie sich die organisierten Nazis wie man selbst vielleicht auch, an den Rändern dieser Demonstrationen tummelten, in dem Versuch diese besser zu verstehen und womöglich auch, um Strategien zu entwickeln, diese für sich zu nutzen. Neben den demokratischen Organisator*innen der Demonstrationen, gab es vielerorts eine kurze Phase, in der die Richtung in die sich diese Bewegung entwickeln würde, gänzlich offen war, zu vielfältig waren die Menschen, die dort zusammengekommen waren, nicht weil sie eine bestimmte politische Identität verkörpert hätten, sondern weil sie eine gemeinsame Erfahrung einer ihnen zuvor unbekannten Form von Herrschaft dorthin trieb. Und mancherorts lässt sich gewiss bis heute von einer solchen Art von Bewegung sprechen, einer Bewegung, die sich über ein einziges Anliegen mobilisiert und die ansonsten uneinheitlicher kaum sein könnte. Nun, die organisierten Nazis jedenfalls, sie kamen anfangs oft in zivil, ohne jedes erkenntliche Abzeichen, zu erkennen nur von jenen, die sie bereits kannten, und ich selbst habe gesehen, wie diverse “Antifas” am Rande dieser Demonstrationen standen und irgendwelche lächerlichen Masken- und Abstandsbefehle in Richtung der Demonstranten brüllten, während unmittelbar neben ihnen organisierte Nazis von ihnen unerkannt das Treiben beobachteten. Spätestens als die Medien begannen, die Proteste als von Rechten ausgehend zu framen, ergriffen die Nazis die Gelegenheit beim Schopfe. Sie begaben sich in die Reihen der Demonstranten, wo sie als authentische Gleichgesinnte – denn letztlich demonstrieren selbst organisierte Faschisten bis heute für nichts anderes als die Wiederherstellung der demokratischen Ordnung, paradox, nicht? – das Vertrauen der Menschen gewannen, nicht zuletzt auch, weil die Teilnehmer*innen dieser Demonstrationen von den Medien selbst zu Nazis stilisiert wurden.

Heute lässt sich die Präsenz der Nazis in der Bewegung, die ich hier einmal, weil sie ohnehin als solche bekannt ist, trotz der unpassenden Benamung “Coronaleugner” nennen will, vermutlich als ein politischer Flügel dieser Bewegung analysieren. Während (gewissermaßen sogar linke) Demokraten eine Art Gegenflügel ausmachen. Und auch wenn die Bewegung der Coronaleugner auch von Ort zu Ort verschieden ist, teilweise sogar von Demonstration zu Demonstration, so tummeln sich in ihr ohne jeden Zweifel eben auch Nazis, die wohl darauf hoffen, neue Anhänger*innen um sich zu scharen. Nun, Faschisten gehören sabotiert, wo man ihnen nur begegnet, aber wo eine*n als Anarchist*in wohl sonst nichts zu diesen Demonstrationen treiben würde, lohnt es sich da, dort nur wegen der Faschist*innen aufzukreuzen? Dort, wo sich die Faschist*innen bis heute sichtlich schwer tun, gänzlich Fuß zu fassen und wo es ansonsten vor allem vor Demokrat*innen nur so wimmelt?

Der aktuelle Versuch der antifaschistischen Verteidiger des Bestehenden, die gesamte Bewegung von Coronaleugner*innen als faschistisch zu bezeichnen erscheint mir dagegen ebenso peinlich, wie kontraproduktiv zu sein: Wo klare demokratische Forderungen einer Rückkehr zum präpandemischen Status quo bestimmend sind, lässt sich einer Bewegung nun einmal vieles unterstellen, aber doch gewiss nicht, per se faschistisch zu sein. Wer dies dennoch tut, der macht sich nicht nur selbst lächerlich, sondern trägt auch dazu bei, dass Faschist*innen gerade wegen der daraus resultierenden, völligen Beliebigkeit dieses Begriffs als Bündnispartner*innen Fuß zu fassen vermögen. Zugleich beobachtet man innerhalb der Bewegung von Coronaleugner*innen viel eher, dass Faschist*innen für demokratische Forderungen demonstrieren. Das weißt wohl nicht darauf hin, dass diese sich den Demokraten annähern würden, sonst würden sie sich nicht gleichzeitig faschistisch organisieren, sondern wohl eher darauf, dass sich die Faschist*innen etwas davon versprechen mögen, Fuß in der Bewegung der Coronaleugner*innen zu fassen. Vielleicht spekulieren sie darauf, dass diese Bewegung zu einer Bedrohung für das herrschende System heranwächst und hoffen, durch ihre Beziehungen zu ihr das Ganze im richtigen Moment in eine faschistische Richtung lenken zu können? Ganz abwegig fände ich es nicht, auch wenn ich jenen Leuten, die sich entscheiden auf Demonstrationen für irgendwelche Grundrechte zu gehen, nicht gerade zutraue irgendwann reale – und nicht bloß inszenierte, zudem vor allem von den Medien, wie etwa die “Stürmung des Reichstags” – Aufstände zuwege zu bringen. Ich würde hier vielmehr auf jene Menschen setzen, die sich von derlei Schauläufen fern halten und trotzdem etwas einzuwenden haben, gegen all die Maßnahmen. Jene Leute, die sich einfach weiter treffen, auf der Straße, bei illegalen Parties, im Park und die sich nicht selten auch gegen sie auseinandertreibende Bullen zur Wehr zu setzen wissen, ihnen traue ich das schon viel eher zu. Oder jenen, die sich ein bisschen Benzin und ein Feuerzeug greifen und die kurzerhand ein Test- oder Impfzentrum, einen Funkmast oder andere Infrastruktur anzünden, wie das auch in Deutschland zunehmend häufiger vorkommt.

Die Bewegung der Coronaleugner, ich finde nicht, dass sie den Faschismus bedrohlicher macht, als er vorher gewesen wäre. Sicher lohnt es sich, im Auge zu behalten, was die in der Bewegung mitschwimmenden Faschist*innen so treiben, ebenso wie ich auch im Auge behalten würde, was der dominante, demokratische Flügel dieser Bewegung vielleicht so anstellen mag, denn bei ihm handelt es sich immerhin um genau jene Art von Politikern, die im Falle von Aufständen als erste bereit stehen, diese zu befrieden. Letztlich jedoch bin ich der Meinung, dass sich die Nazis mit dem Verlust ihres Haupt-Agitationsfeldes (Migration) vor allem in ihre Löcher verkrochen haben und unschlüssig sind, ob und wie sie die verlorenen Fäden ihrer Kämpfe wiederaufnehmen können. Das kann man natürlich auch als eine Gelegenheit begreifen, der faschistischen Bewegung den Todesstoß zu verpassen. Aber wenn, dann sicherlich eher indem man sie in ihren Löchern ausräuchert, so wie das in jüngerer Zeit vor allem in der Thüringer-Naziszene passiert ist, anstatt dass man ihnen den Gefallen tut, sie der Bewegung der Coronaleugner als taugliche Bündnispartner*innen anzudienen, indem man den Faschismusbegriff bis zur Unkenntlichkeit verwischt.

[Graz] Bagger brannten lichterloh!

Das im Bau befindliche Murkraftwerk Gratkorn nördlich von Graz hat 2 Bagger an die Flamme des Zorns verloren. Der Sachschaden ist immens. Die Energie Steiermark will weiterhin ihr grünes Image polieren, doch muss mit schwarzen Rauchschwaden rechnen…

Seit der Fertigstellung des Murkraftwerks Graz, wo es jahrelangen breiten Protest gegeben hat, dachten Viele, der Kampf sei vorbei. Der Fahrplan der Konzerne hat sich jedoch nicht geändert. Verbund und Energie Steiermark wüten weiterhin die Mur entlang und bauen einen Staudamm hinter dem anderen, roden weiterhin tausende Bäume und ignorieren die Bedenken der Naturschützer*innen. Die Bilder von etlichen toten Fischen nach der Durchschwemmung von Faulschlamm werden nicht vergessen.

Eure Greenwashingprojekte sind keine Lösung der Klimakrise, sondern erhalten den Status quo, sodass jede* weiterhin so viel (Strom) verbrauchen kann wie sie* will. Bequem weiterkonsumieren DAS ist das eigentliche Interesse der heutigen Zivilisation!

Trotz Absage der unnötigen LobauAutobahn in Wien, ist die Stadtstrasse noch nicht vom Tisch und die Besetzung hält Stand.

Flächenversiegelung und unwiderrufliche Betonnierung von Boden haben verheerende Folgen für das Klima der Städte, die sowieso schon viel zu heiss sind. Sogenannte Ausgleichsmassnahmen sind eine Verarsche. Da dies von den Verantwortlichen dreisterweise noch mit Werbung wie `öko` und `CO2frei` befriedet wird, lassen sich das so manche erst recht nicht gefallen.

Um zu zeigen, wie scheisse diese Zerstörung und wie angreifbar das System ist, wurden 2 Bagger angezündet. Faszinierend wie gut die Dinger brennen, vielleicht für manche eine Inspiration? (JA dies ist ein Aufruf zu Straftaten!)

Der Kampf ist noch lange nicht vorbei.

Solidarität mit allen Kämpfen gegen die Ausbeutung und Verderben auf der Welt! Ob in Wien, in Mexico gegen den TrenMaya oder die Riesenstaudämme der letzten Flüsse im Balkan
Nieder mit den Maschinen, die Lebensraum vernichten!

Für den Aufbau von Autonomie und dem widerständigen Lebensstil!

[Chile] Verantwortung übernehmen. Auszug aus der Erklärung des anarchistischen Gefangenen Francisco Solar

Auszug aus der gerichtlichen Erklärung des anarchistischen Genossen Francisco Solar, in der er die Verantwortung für die Versendung von Sprengstoffpaketen an das 54. Polizeirevier und gegen den ehemaligen Innenminister Rodrigo Hinzpeter im Juli 2019 übernimmt, eine Aktion, für die sich „Cómplices sediciosos/Fracción por la Venganza“ verantwortlich machte, sowie für den Doppelanschlag auf das Tánica-Gebäude am 27. Februar 2020, mitten in der Revolte, eine Aktion, für die sich „Afinidades Armadas en Revuelta“ verantwortlich machen.

(…) Im November 2017 hatten wir die Idee, aus den großen Städten, vor allem aus Santiago, wegzuziehen, weil dort das Leben so hektisch ist, und ein Projekt zu gründen, das selbsttragend ist. Obwohl ich mich für diese Lebensweise entschieden hatte, habe ich nie aufgehört zu denken, dass der Kampf gegen ein übermächtiges System, das auf Autorität und Ausbeutung beruht, am besten durch gewaltsame revolutionäre Aktionen geführt werden kann. Nur so ist es möglich, Momente der Destabilisierung zu erreichen, die, auch wenn sie flüchtig sind, die Verwundbarkeit der Macht offenbaren.

Mitte 2018 beschloss ich, diese Art von Aktionen zu starten (…) Nachdem ich diese Entscheidung getroffen hatte, begann ich, über ein Ziel nachzudenken, denn mir war klar, dass die Aktion, die ich durchführen wollte, schlagkräftig sein musste, wenn ich ein großes Risiko eingehen wollte. Ich dachte an eine Aktion als Antwort, als Rache gegen Personen, die mit der Repression und der Macht der Unternehmen verbunden sind. Beides wurde von Rodrigo Hinzpeter voll erfüllt, der 2019 Manager der Quiñenco-Gruppe war, deren Präsident Andronico Luksc ist, und davor war Hinzpeter Innenminister in der ersten Piñera-Regierung und hinterließ eine Spur der Repression, die schwer zu vergessen sein wird. Er unterdrückte soziale und studentische Mobilisierungen mit aller Härte und versuchte, ein von Verboten aller Art geprägtes Gesetz, das so genannte Hinzpeter-Gesetz, durchzusetzen. Als Innenminister war er politisch verantwortlich für die Ermordung des jungen Manuel Gutiérrez, er unterdrückte die sozialen Mobilisierungen in Aysén und Freirina mit aller Härte, er militarisierte das Mapuche-Gebiet, was Hunderte von Verletzten, darunter viele Kinder, und unzählige Gefangene zur Folge hatte.

Im August 2010 waren wir zusammen mit dreizehn anderen Personen den repressiven Wahnvorstellungen von Hinzpeter ausgesetzt, der in seinem Bestreben, den Bombenanschlägen, die sich seit 2005 vor allem im Ostteil der Hauptstadt ereignet hatten, ein Ende zu setzen, uns inhaftierte, indem er Beweise erfand und Gefangene anstellte, die bereit waren, die These der Staatsanwaltschaft zu bestätigen, die von der Existenz einer illegalen terroristischen Vereinigung sprach.

Aus diesen Gründen beschloss ich, Hinzpeter anzugreifen, da ich fand, dass er ein völlig legitimes Ziel darstellte. Ich begann, Hinzpeter zu untersuchen (…) ich ging zum Itaú-Gebäude, um die Menschenströme zu beobachten, die Leute, die dort ein- und ausgingen; ich versuchte, in den 14. Stock zu gelangen, wo sich die Büros der Quiñenco-Gruppe befanden, was mir wegen der strengen Kontrollen am Eingang nicht möglich war (…) also hielt ich es für das Beste, ein an das Büro von Rodrigo Hinzpeter adressiertes Sprengstoffpaket zu schicken, um sicherzugehen, dass er derjenige war, der das Paket öffnete.

An dieser Stelle ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass wahllose Angriffe noch nie Teil der anarchistischen Praxis waren, unsere Ziele sind klar definiert und richten sich gegen die Verantwortlichen für Unterdrückung und Repression. Da ich vorhatte, eine größere Aktion durchzuführen (…), beschloss ich, Dynamit zu verwenden.

Im Jahr 2018 und Anfang 2019 war der Kontext von Polizeigewalt gegen Schülerinnen geprägt, die gegen das Gesetz zum sicheren Klassenzimmer (Ley Aula Segura) und andere Forderungen demonstrierten. Immer wieder waren Bilder von Carabineros zu sehen, die Schülerinnen verprügelten, die ihnen in die Quere kamen, und sie sogar aus ihren Klassenzimmern holten, um sie auf die Polizeiwache zu bringen. Es ist wichtig festzuhalten, dass dieser Kampf gegen das Gesetz über sichere Klassenzimmer der direkte Vorläufer des Aufrufs zum Ausweichen war, den die Schüler*innen angesichts der Erhöhung der U-Bahn-Preise machten, die der Auslöser für den Aufstand war, der am 18. Oktober begann.

Ohne die Beharrlichkeit der Schüler*innen wäre vielleicht nichts von dem passiert, was nach diesem Datum geschah, und so beschloss ich, auf diese Polizeibrutalität zu reagieren, indem ich die Carabineros auf ihrem eigenen Gelände angriff; meine Idee war, sie als Institution anzugreifen, für das, was sie repräsentieren, für ihre Geschichte von Blut, Folter und Tod. Ich beschloss, die 54. Polizeiwache in Huechuraba anzugreifen, um mich für den Mord an meiner Gefährtin Claudia López im September 1998 zu rächen.

Obwohl mir klar ist, dass die Beamten, die 2019 in diesem Polizeirevier arbeiteten, nicht dieselben waren, die die Gefährtin ermordeten, diente dieser Ort damals als Einsatzort und tut dies auch heute noch an jedem Tag des Protests. Damit wollte ich ein Zeichen der Resonanz setzen, dass niemand und nichts vergessen ist.

Meine Absicht war es, nur einen Polizisten zu verletzen, den ranghöchsten, und das war Major Manuel Guzmán. Wenn ich also nur einen Polizisten verletzen wollte, durfte der Sprengstoff nicht sehr stark sein, also habe ich Schwarzpulver in einem Stahlnippel verwendet.

(….)

Die Absicht dieser Aktion, auf die Aggressionen sowohl der Carabineros als auch eines ehemaligen Innenministers, der für seine repressive Art bekannt ist und heute einen Wirtschaftskonzern leitet, dem praktisch ganz Chile gehört, zu reagieren, wurde vollständig erfüllt.

(…)

Bezüglich der so genannten Tat 2 (Tánica) kann ich zur Kontextualisierung darauf hinweisen. Der Aufstand, der am 18. Oktober 2019 begann, war in den letzten Monaten des Jahres 2019 und Anfang 2020 immer noch lebendig, viele Proteste fanden Tag für Tag statt, trotz der starken Unterdrückung durch die Polizei. Der März zeichnete sich als ein Schlüsselmonat ab, in dem viele Dinge passieren konnten, einschließlich des Rücktritts von Piñera, und in diesem Zusammenhang beschloss ich, mit der Platzierung von zwei Sprengsätzen zu diesem Aufstand beizutragen.

Der östliche Teil der Hauptstadt war Ziel einiger Demonstrationen, die die Ablehnung der dort lebenden Menschen hervorriefen, da sie befürchteten, bedroht zu werden und sogar ihre Privilegien zu verlieren. Es war zu beobachten, wie Menschen, die in La Dehesa friedlich demonstrierten, beleidigt und sogar angegriffen wurden, und wie die Armee und die Polizei diese Viertel in einer eindeutigen Komplizenschaft zwischen der repressiven Gewalt und der wohlhabenden Klasse schützten. Deshalb beschloss ich, diese Gemeinden zu treffen, aber speziell ein Viertel in ihnen, das Viertel Santa María de Manquehue, wo die Zeitung El Mercurio, historisches Sprachrohr der konservativsten Sektoren dieses Landes, ihren Sitz hat. Ich betone nachdrücklich, dass es nicht meine Absicht war, Menschen zu verletzen, sondern dass es meine Absicht war, die Normalität dieses Viertels zu verändern. Ein Beweis dafür ist, dass ich zunächst daran dachte, die Sprengsätze in den Toiletten des Café Kant im Tanica-Gebäude zu platzieren, aber wegen der Gefahr, Menschen zu verletzen, habe ich das schließlich verworfen und beschlossen, einen Sprengsatz im Parkbereich der Tánica-Immobiliengesellschaft zu platzieren, und zwar unter einer Zementbank, die die Explosion dämpfen würde.

Bei diesem Anschlag wurde ein weiteres Ziel ins Auge gefasst, nämlich der Angriff auf die Carabineros GOPE durch die Explosion eines weiteren Sprengsatzes, der so angebracht werden sollte, dass er eine halbe Stunde nach dem ersten explodieren würde. (….), die zu einem Zeitpunkt explodieren sollten, zu dem das GOPE in der Nähe seine Arbeit verrichtete, mit dem einzigen Ziel, ihnen einen gehörigen Schrecken einzujagen.

(…)

Ich beschloss, die Carabineros anzugreifen, weil sie nicht nur historische Feinde von uns Anarchisten waren, sondern weil sie damals schon Hunderte von Augäpfeln[1] verstümmelt hatten (…) Ich beschloss, die Carabineros auch deshalb anzugreifen, weil sie gefoltert, geschlagen und Folterzentren eingerichtet hatten, wie das in der U-Bahn-Station Baquedano, was, obwohl die Justiz es geleugnet hat, wir alle wissen, dass dies der Fall war.

Von Beginn des Aufstandes an war ich bei den verschiedenen Demonstrationen dabei, die jeden Tag stattfanden, und ich konnte sehen, wie junge Menschen wenige Meter von mir entfernt durch die Kugeln und Tränengasbomben der Carabineros blutig geschlagen wurden. Aus diesem Grund hat der Aufstand die Carabineros als einen seiner Hauptfeinde identifiziert, weshalb ein Angriff auf sie unerlässlich und völlig gerechtfertigt war“.


[1] A.d.Ü., mittels Gummigeschosse und anderem.

Übernommen von der Soligruppe für Gefangene.